Freizeit gönnen
Wer um Viertel nach eins bei Stephan Aarstols Unternehmen anruft, erreicht niemanden mehr. Um Punkt 13 Uhr verabschieden sich alle Mitarbeiter in den Feierabend. Niemand ist bereits um fünf Uhr morgens ins Büro gestürmt oder hat eine Nachtschicht eingelegt. Bei Tower Paddle Boards, einem US-Hersteller von Surfbrettern, dauert der Arbeitstag fünf Stunden. Sogar bei leicht besserer Bezahlung: Der Unternehmer zahlt seinen Mitarbeitern seit der Stundenreduzierung mehr Lohn.
Dafür verlangt der Unternehmer als Gegenleistung doppelte Produktivität. Facebook ist an den Rechnern gesperrt, die Mittagspause hat er gestrichen. Im Gegenzug haben seine Mitarbeiter mehr Freizeit, die sie zum Beispiel zum Surfen nutzen können. Damit reagiert Aarstol auf ein verbreitetes Bedürfnis: Laut einer Xing-Umfrage arbeitet die Hälfte aller Arbeitnehmer mindestens 40 Stunden die Woche. Zufrieden sind damit aber nur 29 Prozent. Im Schnitt würden die Befragten gern fünf Stunden weniger arbeiten.
So gestalten HR-Manager den Wandel im Unternehmen mit
Der Fachkräftemangel zwingt Unternehmen zum Umdenken. Statt perfekte Kandidaten für Führungspositionen auf dem Arbeitsmarkt zu suchen, richtet sich der Blick immer häufiger ins eigene Unternehmen.
Wer Schlüsselpositionen mit Talenten aus den eigenen Reihen besetzt, spart nicht nur die Kosten, die für eine Stellenausschreibung am Markt und die Eingliederung in den Betrieb anfallen, sondern sendet ein wichtiges Signal der Wertschätzung an alle Mitarbeiter.
Quelle: Steffen Neefe, Top Employers Institute
Angesichts des demografischen Wandels ist eine langfristige Personalplanung überlebenswichtig. Mehr als drei Jahre im Voraus sollte der Bedarf geplant werden, damit Personallücken unter Berücksichtigung von Einarbeitungs- und Qualifikationszeiten rechtzeitig gefüllt werden können. Dies schaffen jedoch die wenigsten Unternehmen. Zu kurze Personaldecken und Fehlbesetzungen sind die Folge.
Wer ins Berufsleben startet oder den Arbeitgeber wechselt, ist auf Unterstützung bei der Eingliederung und der Einarbeitung angewiesen. Führende Unternehmen setzen dabei neben dem persönlichen Coaching verstärkt auf digitale und interaktive Plattformen. Besonders gut gemachte Arbeitgeberportale orientieren sich an den Vorbildern aus der Welt der Social Media.
Berufliche Weiterbildung verbessert Karrierechancen und erhöht das Einkommen. Entscheidend ist allerdings, dass die angebotenen Maßnahmen mit den Zielen des Arbeitgebers übereinstimmen. Das wichtigste Thema bleibt vorerst die fortschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt. Der technologische Wandel hat hier zu erhöhtem Weiterbildungsbedarf auf allen Qualifikationsebenen geführt. Gerade jüngere Mitarbeiter erwarten dabei professionelle und individuelle Lösungen, die maßgeschneidert auf ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten sind.
Wer Mitarbeiter zu Bestleistungen führen will, der muss die richtigen Anreize setzen. Klassischerweise werden dazu Zielvorgaben mit einer erfolgsorientierten Vergütung und regelmäßigen Leistungsbeurteilungen kombiniert. In Zukunft wird dieser Ansatz nicht mehr ausreichen. Gefordert sind stattdessen individuellere Zielvereinbarungen, bei denen der Mitarbeiter so weit wie möglich eigene Vorstellungen einbringen kann. Je stärker die Identifikation mit den Zielen und Werten des Arbeitgebers, desto größer werden Motivation und Leistungsbereitschaft.
Von Führungskräften werden heute andere Qualitäten verlangt als früher. Die wichtigste Veränderung: Führung wird nicht mehr vorwiegend als individuelle, sondern zunehmend als gemeinschaftliche Aufgabe verstanden. Als Schlüssel zum Erfolg erweist sich dabei die enge Verzahnung von Führungskultur und Leistungsmanagement im Unternehmen. Führende Arbeitgeber sind flexibler, wenn es etwa darum geht, Leistungsziele mit ihren Führungskräften zu vereinbaren. Dem leitenden Mitarbeiter wird zudem ein größerer Spielraum für die Karriereplanung eingeräumt. Berufliche und private Anforderungen können so besser in Einklang gebracht werden.
Klassische Karrieren, bei denen Arbeitnehmer entlang fest vorgegebener Aufstiegspfade befördert werden, sind ein Relikt aus der Vergangenheit. Moderne Berufsbiographien verlaufen oftmals mit Brüchen und über Umwege. Nicht selten weichen gerade hoch qualifizierte Bewerber Führungspositionen aufgrund der hohen beruflichen Belastung aus. Sie wollen eher ihre individuellen Fähigkeiten im Job entfalten, dabei sollen ihnen möglichst viele Optionen offen stehen. Arbeitgeber müssen sich darauf einstellen und flexiblere und stärker individualisierte Karrieremodelle anbieten.
Im Bereich der Vergütung zeichnen sich zwei Haupttrends ab. Erstens wird heute mehr nach Leistung und nach Beschäftigtengruppen entlohnt. Während High-Performer überdurchschnittliche Lohnzuwächse erzielen können, fallen diese bei den durchschnittlichen Mitarbeitern relativ gering aus. Zweitens setzen Unternehmen im Rahmen der Gesamtvergütung verstärkt auf Zusatzleistungen wiedie betriebliche Altersversorgung, Gesundheitsangebote oder flexible Arbeitszeitmodelle. Gerade für Führungskräfte stellen die nicht monetären Leistungen häufig einen wichtigen Teil der Gesamtvergütung dar. Für Arbeitgeber sind Benefits ein ideales Mittel, um die eigene Attraktivität im Wettbewerb um die besten Köpfe zu erhöhen.
Den Kern einer Unternehmenskultur machen gemeinsame Werte und Verhaltensweisen aus. HR spielt dabei eine Schlüsselrolle, indem es entsprechende Leitbilder entwickelt und gemeinsam mit den Führungskräften im Unternehmen umsetzt. HR ist damit der Katalysator für Veränderungsprozesse und maßgeblich verantwortlich dafür, dass die Unternehmenskultur in der Praxis gelebt wird. Gerade diese Funktion – obwohl in Zahlen kaum messbar – ist eine ganz entscheidende Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg.
Unternehmen, die darauf eingehen, haben einen Vorteil im Kampf um Köpfe. „Auch ältere Arbeitnehmer haben das Bedürfnis nach mehr Freiräumen“, sagt Bohn vom Verband Die Familienunternehmer. Bei Stephan Aarstol ist das Konzept aufgegangen. Seit der Umstellung stieg sein Umsatz ihm zufolge um 40 Prozent.
Mitarbeiter beteiligen
Das Bielefelder Bauunternehmen Goldbeck gehört 1500 Menschen. Bereits 1984 beteiligte das Familienunternehmen die Mitarbeiter. Damals ging es vor allem darum, Geld einzusammeln. Heute wirbt Goldbeck damit gezielt um Arbeitskräfte.
Jeder Mitarbeiter kann pro Jahr bis zu fünf Anteile kaufen. Die jährliche Verzinsung bemisst sich am Unternehmensgewinn und lag 2015 bei 14 Prozent. Besonders im Nullzinszeitalter ein gutes Argument für Architekten, Ingenieure und App-Entwickler, die das Unternehmen so dringend braucht. Eine Studie der Frankfurter Unternehmensberatung hkp zeigt: Wer an seinem Arbeitgeber finanziell beteiligt ist, identifiziert und engagiert sich stärker.
Dass zufriedene Mitarbeiter die beste Werbung fürs Unternehmen sind, weiß man auch bei Hirschvogel. Der Automobilzulieferer aus dem bayrischen Denklingen hat vor einigen Jahren ebenfalls ein Beteiligungsprogramm eingeführt. „Unsere Mitarbeiter erzählen das weiter“, heißt es bei Hirschvogel. „Das wird auch von neuen potenziellen Arbeitnehmern positiv wahrgenommen.“
Vertrauen schenken
Olga Wejt ist Mathematikerin mit Schwerpunkt Softwareentwicklung, Mutter, und die Ehefrau eines Bundespolizisten, der im Schichtdienst arbeitet. Ohne besonderes Arbeitszeitmodell wären diese drei Leben kaum miteinander vereinbar. Doch ihr Arbeitgeber hat sich darauf eingestellt. Seit etwa drei Jahren gilt bei ebm-pabst, Weltmarktführer für Ventilatorentechnik aus dem baden-württembergischen Mulfingen, die Vertrauensarbeitszeit. Mitarbeiter können frei wählen, wann sie arbeiten. Manchmal sitzt Mathematikerin Wejt schon um fünf Uhr morgens im Büro, damit sie mittags Feierabend hat.
Arbeitgeber, die stur an Präsenzzeiten und festgelegten Arbeitszeiten festhalten, haben es schwer. Vor allem bei jungen Beschäftigten. Zahlreiche Studien zeigen, dass die Generation Y sich von ihrem Arbeitgeber eine ausgewogene Work-Life-Balance wünscht. Und damit meinen sie nicht: am Freitag etwas früher gehen.
Bislang stellten sich vor allem Dax-Konzerne darauf ein. Doch auch immer mehr Mittelständler erkennen diese Möglichkeit zur Mitarbeitergewinnung. Der Maschinenbauer Trumpf aus Ditzingen bei Stuttgart wählte einen noch radikaleren Schritt. Seit Nicola Leibinger-Kammüller das Unternehmen führt, können Mitarbeiter ihr Arbeitszeitkonto mit bis zu 300 Stunden beleihen. Muss etwa ein Angehöriger gepflegt oder ein Kind betreut werden, tritt der Mitarbeiter eine Zeit lang kürzer. Sobald sich die Situation entspannt hat, füllt er sein Konto wieder auf.
So verkürzen Unternehmen die Dauer der Mitarbeitersuche
Ist die Position eine Vollzeitstelle oder benötigen Sie vorübergehende Unterstützung, zum Beispiel durch Zeitarbeitskräfte? Was hindert Sie daran, den passenden Kandidaten jetzt zu rekrutieren?
Quelle: Robert Half
Legen Sie einen Zeitplan für den Einstellungsprozess fest. Holen Sie sich die Zustimmung aller Entscheider ein, dass die Stellenbesetzung höchste Priorität hat. Blocken Sie Termine für Vorstellungsgespräche. Prüfen Sie die Stellenbeschreibung und das Gehaltsangebot. Definieren Sie, an welchen Punkten Sie kompromissbereit sind. Setzen Sie einen Notfallplan auf, um mögliche Terminverschiebungen abzufangen und bestimmen Sie, wer die finale Entscheidung fällen soll.
Führen Sie ein erstes Kennenlernen mit den Bewerbern online, etwa über Skype oder FaceTime. Organisieren Sie das Vorstellungsgespräch vor Ort mit allen Entscheidern idealerweise an einem Tag. Holen Sie sich unmittelbar danach die Rückmeldung vom Bewerber und den involvierten Entscheidungsträgern ein, um das gegenseitige Interesse früh zu bestimmen.
Informieren Sie die Kandidaten, wann Sie voraussichtlich die finale Entscheidung treffen werden. Sollte sich der Termin verzögern, rufen Sie die Bewerber an und teilen Sie das neue Entscheidungsdatum mit. Achten Sie in dem Fall genau auf die Reaktion seitens des Bewerbers: Ist diese verhalten, kann das ein Indiz für einen abgesprungenen Kandidaten sein.
Prüfen Sie vor der Endauswahl Referenzen ehemaliger Arbeitgeber. Sobald Sie sich dann für einen Bewerber entschieden haben, teilen Sie ihm das telefonisch mit. Unterbreiten Sie Ihr Angebot inklusive Gehaltspaket, aber bereiten Sie sich darauf vor, das Gehalt und mögliche Zusatzleistungen mit dem Bewerber nachzuverhandeln. Vereinbaren Sie gemeinsam das Eintrittsdatum.
Wettbewerber kaufen
Für diesen drastischen Weg entschied sich die Hennefer IT-Beratung Conet. Schon vor einigen Jahren musste das Unternehmen regelmäßig Aufträge absagen. Der Grund: Es hatte schlicht nicht genug Angestellte. Auf der Suche nach einer Lösung fand Conet den Frankfurter Softwaredienstleister Quest. Conet griff zu. Heute profitiert die Beratung von der Übernahme doppelt: Sie kann auf die von Quest vermittelten Freiberufler zugreifen und ihren Kunden selbst Personal vermitteln. „In Zeiten von Digitalisierung und demografischem Wandel kann der Zukauf eine gute Lösung gegen den Fachkräftemangel sein“, sagt Asmus Komm, Partner bei der Unternehmensberatung McKinsey. „Sollte sich die Wirtschaft weiter so entwickeln wie derzeit, werden immer mehr Unternehmen diesen Weg in Betracht ziehen müssen.“