Und damit für die Jobs, die die Industrie 4.0 schafft. Jobs, die Soft- und Hardwarekenntnisse sowie ein räumliches Vorstellungsvermögen verlangen. Doch staatliche Förder- und Weiterbildungsprogramme gibt es bis heute nicht. Wer einmal längere Zeit ohne Arbeit ist, kommt nur schwer aus der Negativspirale heraus.
Statt hier anzusetzen, droht aus der Politik neues Ungemach. Im US-Vorwahlkampf sind der Freihandel – und damit auch die Exportunternehmen – unter Beschuss gekommen. Sowohl bei den Republikanern als auch bei den Demokraten ist der freie Warenverkehr und die Globalisierung zum Feindbild geworden, allen voran Donald Trump und Bernie Sanders machen Stimmung.
Milliardär Trump, der selbst etwa Textilien aus seinem Haus in Übersee produzieren lässt, findet das Freihandelsabkommen mit elf Pazifikanrainerstaaten (TPP) „grauenvoll“ und droht mit der Einfuhr von Strafzöllen. Auch Demokrat Sanders hält nichts vom Freihandel und rühmt sich damit, „alle Abkommen konsequent abgelehnt zu haben“.
Ökonomen wie Unternehmer schütteln den Kopf. „Wir importieren Maschinen und Rohmaterial in die USA und arbeiten hier damit“, sagt Rolls-Royce-Manager Sodell. Die fertigen Turbinen würden dann per Flugzeug zurück nach Europa und nach Singapur gebracht und von dort verkauft. „Freie Märkte sind für uns essentiell“, unterstreicht Sodell. Die Zeiten, in denen ein Produkt komplett an einem Ort hergestellt wird, seien vorbei.
Importzölle würden weder den US-Unternehmen helfen, noch den US-Arbeitern. Im Gegenteil. Sollten Kleidung, Möbel, Elektroartikel und Spielzeuge aus dem Ausland mit Strafzahlungen versehen werden, müssten die US-Konsumenten nur tiefer in die Tasche greifen. „Die Mittelschicht würde 29 Prozent an Kaufkraft verlieren, wenn sich Amerika abschottet“, unterstreicht Robert Lawrence, Professor für internationalen Handel an der Harvard University. Die Unterschicht, bei denen Konsumabgaben einen höheren Anteil an den Ausgaben haben als bei Besserverdienende, würde gar 62 Prozent ihrer Kaufkraft einbüßen.
Doch mit Argumenten, so scheint es, lässt sich den US-Wahlkämpfern derzeit nicht beikommen. Geschlossen treten die Möchtegern-Präsidenten gegen den Freihandel an; schließlich trifft die Kritik einen Nerv beim Bürger. Mit US-Präsident Barack Obama, der zur Hannover Messe reist, kommt mutmaßlich der letzte Kämpfer für den Freihandel aus dem Weißen Haus nach Hannover. Leidenschaftlich hat sich Obama in den vergangenen acht Jahren seiner Präsidentschaft für den freien Warenverkehr eingesetzt und das TPP-Abkommen – dessen Nutzen laut Ökonomen 18 Mal höher ist als die zu erwartenden Kosten, etwa durch Jobverlagerungen ins Ausland – forciert.
„Europa wäre gut beraten, mit Obama signifikante Bestandteile eines transatlantischen Freihandelsabkommens zu verhandeln“, sagt Ökonom Bergsten. Einfacher als mit dem amtierenden US-Präsidenten werde es nicht. Und: Es sei unwahrscheinlich, dass sein Nachfolger getroffene Übereinkünfte widerruft. „Je mehr mit der Obama-Administration noch geklärt werden kann, desto besser für beide Seiten“, so Bergsten. Bis Januar 2017 haben beide Seiten noch Zeit. Die Hannover Messe wäre ein idealer Termin, um zu einem Schlussspurt der TTIP-Verhandlungen unter Barack Obama anzusetzen. Die Industrie würde es freuen – in Deutschland wie in den USA.