Deutsch-chinesische Forderungen auf der Hannover Messe: Die Regierungschefs von Deutschland und China haben auf der wichtigsten Industriemesse weltweit trotz des Lobes für die starken Wirtschaftsbeziehungen kritische Themen nicht ausgespart.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte auf einem gemeinsamen Wirtschaftsforum den besseren Schutz geistigen Eigentums deutscher Unternehmen und einen fairen Wettbewerb.
Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao verlangte seinerseits, den Export von Spitzentechnik aus der EU in die Volksrepublik zu erleichtern. Wen versprach, China werde geistiges Eigentum effektiv schützen und sicherte zu, dass alle Unternehmen auf dem chinesischen Markt fair behandelt würden.
Die gegenseitigen Forderungen machten jeweils nur einen kleinen Teil der Reden der beiden Regierungschefs aus, was allerdings den gängigen Höflichkeitsregeln des diplomatischen Austauschs entspricht.
Lob für die deutsch-chinesischen Beziehungen
Abseits davon lobte Wen, Deutschland und China hätten auf ihrem gemeinsamen Weg seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 40 Jahren „glänzende Spuren hinterlassen“.
Die Wirtschaftsbeziehungen seien gegenseitig befruchtend. „Die Stabilität der wirtschaftlichen Beziehungen beruht auf Vertrauen“, sagte Wen. Beide Länder seien Freunde, nicht Rivalen. Derzeit sei die chinesische Wirtschaft im Wandel, die Volksrepublik lege mittlerweile gleichermaßen Wert auf Im- und Exporte.
Merkel erklärte, die wachsende Stärke der chinesischen Wirtschaft sei kein Problem für die heimische Wirtschaft. „Das ist ein Ansporn für deutsche Unternehmen“, sagte Merkel und lobte die guten Beziehungen zur Volksrepublik. „China und Deutschland, das sind zwei Länder, die sich gut ergänzen.“
Die Bundeskanzlerin lobte den großen Warenaustausch zwischen beiden Staaten, in den vergangenen zehn Jahren sei der Handel um 400 Prozent gewachsen.
Merkel und Wen hatten die Industriemesse zuvor eröffnet. China ist in diesem Jahr offizielles Partnerland.
Proteste von Menschenrechtlern
Während der obligatorische Kanzlerinnen-Rundgang heute entspannt verlief, ging es gestern Abend vor und im Congress Centrum Hannover nicht so ruhig zu. Zur Preisverleihung des Technologiepreises Hermes Award kam die Karossen-Karawane mit Angela Merkel und Wen Jaibao nur durch ein Spalier von protestierenden Menschenrechtlern.
Rund 200 fahnenschwingende Uiguren, meditierende Chinesen, Tibeter in Volkstracht und Syrier mit Plakaten verlangten die Einhaltung der Menschenrechte von China. Die beiden Amtsträger hielten es wie die Queen: Nicht mal ignorieren.
Im Kuppelsaal voller Anzugträger nahm man die Ruhestörer gelassen. Merkel, passend zum Motto der Messe „Greentelligence“ in froschgrünem Jackett, lobte China: Die Ankurbelung der Binnenwirtschaft habe einen großen Beitrag geleistet, dass Deutschland einigermaßen gut aus der Wirtschaftskrise gekommen sei.
Wen will "Dialog und Zusammenarbeit" fördern
Wen lobte dafür Deutschland und versprach auch hier besseren Patentschutz. Allerdings mag es manchem Unternehmer im Saal eher wie eine Drohung als wie eine herzliche Einladung geklungen haben, als Wen erklärte: „Wenn China und Deutschland als die beiden wichtigsten Fertigungsnationen der Welt in enger Kooperation Dialog und Zusammenarbeit fördern, werden wir sicher eine noch wichtigere Rolle bei Innovation und Entwicklung der weltweiten Industrie spielen.“
China einzig als billige Werkbank der Nation ist Geschichte. Das Reich der Mitte strebt an die Spitze. Ist mit einem Außenhandel von 3,6 Billionen Dollar im Jahr 2011 schon jetzt auf Platz zwei in der Welt.
Doch die künftige Industrienation hat noch handfeste Probleme. „Die Versorgung mit Getreide im ganzen Land sicherzustellen, ist Chefsache“, so der Ministerpräsident.
In Anbetracht dieser Ausgangslage dürfte sich der ein oder andere Mitbewerber im Auditorium wieder entspannt haben – vermutlich zu Unrecht. (mit Material von dapd)