Künstliche Intelligenz "Roboter müssen Steuern zahlen"

Seite 2/3

Das menschliche Bewusstsein

Immerhin können wir solche Fragen diskutieren. Das menschliche Bewusstsein ist doch schon noch mal etwas Besonderes? 

Ist es das? Sind sich Affen denn nicht ihrer selbst bewusst? Wenn sie sich im Spiegel sehen, reagieren sie, als wären sie es. Was die Menschheit auszeichnet, ist vor allem die Zivilisation mit ihrem externen Gedächtnis in Form von Schrift und Code und die unglaubliche Arbeitsteilung, die innerhalb weniger Jahrtausende zu gigantischen neuartigen Organismen, wie Firmen, Städten und Nationen führte, in denen jeder einzelne Mensch leicht ersetzbar ist.

Wo steckt nun das Bewusstsein in unseren technischen Systemen, die typischerweise aus zwei lernenden rekurrenten neuronalen Netzwerken bestehen? Das erste reagiert auf visuelle oder taktile Eingaben, denkt nach und wandelt dabei die Eingabeströme in Bewegungen und andere Aktionssequenzen.

Das zweite lernt permanent, Regelmäßigkeiten aufzuspüren in der wachsenden Geschichte wahrgenommener Aktionen und Konsequenzen, und vorherzusagen, was passiert. Dieses sogenannte Weltmodell ist ursprünglich dumm, so wie ein Baby auch nichts von der Welt weiß. Aber durch Regularitätsdetektion komprimiert es diese Geschichte immer besser und modelliert so das Wesen der Welt.

Das müssen Sie erklären.

Alles was häufig vorkommt, ob Bäume, Steine oder andere Tiere, verdient sich aus Effizienzgründen in diesem Weltmodell eine abstrakte prototypische Repräsentation in Form spezieller, häufig wiederverwendeter Neuronen. Als Akteur stets präsent ist dabei das Tierchen selbst. Daher ist es effizient, ein paar Neuronen zu verwenden, um auch das abstrakt zu kodieren. Und wenn immer diese Neuronenkollektion aktiv wird, ist sich das Tierchen seiner selbst bewusst, könnte man behaupten.

Wie Roboter sicherer werden sollen

Und genauso wollen Sie Computern ein Bewusstsein beibringen? 

Popper sagte: Alles Leben ist Problemlösen. Bewusstsein ist meiner Ansicht nach überbewertet – ein Nebenprodukt des Problemlösens. In einem gewissen Sinne verfügen wir schon seit geraumer Zeit über rudimentäre „bewusste“ künstliche Problemlöser. Vor einem Vierteljahrhundert fing ich an, neugierige kleine Wissenschaftler zu bauen. Das oben erwähnte System der beiden neuronalen Netzwerke wird dabei motiviert, Experimente zu erfinden, die ihm beibringen, wie die Welt funktioniert.

Das  erste Netz, der Steuermechanismus, wird dafür belohnt, dass es Aktionen ausführt, die zu Daten führen, die das Weltmodell verbessern, das sich auch auf ihn selbst bezieht (da steckt das „Bewusstsein“ drin). So kann ein Roboter beispielsweise lernen, dass er Radmotoren hat, und wie man sie steuert, ohne schmerzhaft anzuecken, so dass er später drei Mal am Tag zur Ladestation fahren kann, wenn sich der „Hunger“ meldet – also der Batteriestand zu niedrig wird.

Bis 2020 sollen Roboter fünf Millionen Jobs ersetzen. Stimmt also die Prognose?

Solche Vorhersagen gab es seit der industriellen Revolution immer wieder. Vieles was früher Menschen gemacht haben, erledigen heute Maschinen. Doch die Länder mit den meisten Robotern pro Einwohner wie Japan, Südkorea, Deutschland und die Schweiz haben niedrige Arbeitslosenquoten. Es ist immer leicht vorherzusagen, welche Jobs verloren gehen, aber schwer zu prognostizieren, welche neuen entstehen.

Hilfe, ein Roboter klaut meinen Job!

Versuchen Sie es trotzdem?

Schauen Sie nach Südkorea, das am stärksten vernetzte Land der Erde. Dort gibt es Jobs, an die früher keiner dachte, wie professionelle Videospieler. 

Selbstfahrende Autos machen also aus Taxi-Chauffeuren Profizocker?

Wohl nur in Ausnahmefällen. Viele Berufe werden jedoch ständiges Umlernen erfordern. Nicht nur in der Landwirtschaft, auch in Hospitälern wird mehr und mehr Arbeit von automatischen Systemen erledigt. Die Politik wird gezwungen sein, die Sozialsysteme anzupassen, damit vom maschinengetriebenen Reichtum nicht nur Wenige profitieren. Roboter oder deren Besitzer werden hinreichend Steuern zahlen müssen, sonst kommt es zur Revolution.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%