Logistik DHL kämpft mit den Tücken des chinesischen Marktes

Das Reich der Mitte wird zum größten Logistikmarkt der Welt. Dort hat die Deutsche Post DHL ihre beiden großen US-Konkurrenten Fedex und UPS abgehängt. Doch der chinesische Markt hat Tücken, wie die Deutschen jüngst erfahren mussten.

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DHL-Auslieferung in Hongkong Quelle: DHL

Alan Liu kann es kaum erwarten, er zählt die Tage, bis es losgeht. Unruhig läuft er durch die riesige Halle. Hier werden die Lkws andocken, sagt er und weist in Richtung Straße, und hier, direkt an der Landebahn, die Flugzeuge. Und schon eilt er weiter zu den Förderbändern, die schon bald Pakete und Dokumente zu den vollautomatischen Sortieranlagen transportieren sollen. Hier wird die Zollabfertigung stationiert, sagt er, hier die Röntgenanlage für die Sendungen in die USA, hier das Kontrollzentrum, das mit 300 Kameras alle Operationen überwacht.

Die Zahlen sprudeln nur so aus Liu heraus: 57.000 Quadratmeter Grundfläche, sechs Kilometer Förderbänder, Andockstationen für 50 Lkws und vier Flugzeuge, in der Spitze die Abfertigung von jeweils 20.000 Paketen und Dokumenten pro Stunde. Liu zeigt stolz, was der neue Nordasien-Hub auf dem internationalen Flughafen Pudong von Shanghai vermag. 550 Beschäftigte werden hier arbeiten, 175 Millionen Dollar hat DHL investiert.

Die größten deutschen Arbeitgeber in China
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Drehkreuz Shanghai

Alan Liu, 39, verheiratet, ein Kind, steht vor seiner größten Herausforderung. Er soll den neuen Hub leiten. Was für Liu ein großer Karrieresprung ist, wird für DHL, die Logistiksparte der Deutschen Post, zur entscheidenden Waffe: Für den weltgrößten Logistikkonzern ist der Kampf um die Vorherrschaft in China von strategischer Bedeutung. Denn der Markt mit dem weltweit größten Wachstumspotenzial ist heiß umkämpft, und der Ausgang dieses Ringens entscheidet mit über die künftige globale Stellung der Deutschen.

„In China liegt unsere Zukunft“, postuliert denn auch Deutsche-Post-Vorstandschef Frank Appel. „Mit seiner schnell wachsenden Mittelschicht wird China zum wichtigsten Logistikmarkt der Welt.“ Noch ist viel zu tun, bis der Betrieb in Pudong losgeht und Appel am 12. Juli den neuen Hub gemeinsam mit chinesischen Regierungsvertretern einweiht. Bis dahin muss die Anlage noch Testläufe absolvieren, muss Liu Mitarbeiter schulen, Gespräche mit der Flughafenbehörde und dem chinesischen Zoll führen, damit die Paketsendungen unmittelbar am Fließband gecheckt werden, um nicht kostbare Zeit zu verlieren.

Grafik Anteile im Expressgeschäft China international

Schnelligkeit ist Trumpf in der Logistik

Schnelligkeit ist Trumpf in der Logistik. Deshalb liegt der neue Hub unmittelbar an der Landebahn drei, damit die Pakete und Dokumente ohne Umwege vom Frachtflieger auf das Sortierband gelangen und in derselben Nacht noch die Weiterreise zu ihren Bestimmungsorten in den USA, Japan, Korea, Taiwan oder Europa antreten. Alle Operationen und Formalitäten sind dann hier konzentriert, um die Abfertigung noch ein paar Stunden zu beschleunigen. Aber die Konkurrenz schläft nicht. Wenn Liu an seinem neuen Arbeitsort aus dem Fenster schaut, blickt er auf drei große Buchstaben: UPS. Der US-Wettbewerber hat den Standortvorteil auch erkannt und betreibt in unmittelbarer Nachbarschaft zu DHL bereits seit 2009 einen Hub.

Vor dem Wettbewerb mit den Amerikanern ist es Liu jedoch nicht bange. In China ist DHL eine Großmacht. UPS und Fedex, der zweite große US-Anbieter, sind hier zusammen gerade so stark wie der deutsche Logistiker. Im internationalen Expressdienst kommt DHL nach Berechnungen der Unternehmensberatung Boston Consulting (BCG) hier auf einen Marktanteil von 32 Prozent (siehe Grafik; DHL kommt nach eigenen Angaben in Asien-Pazifik auf einen Marktanteil von 36 Prozent, veröffentlicht aber keine Länderdaten).

Superknoten

Liu hat das Logistikgeschäft von der Pike auf gelernt. Nach dem Tourismusstudium in Peking hatte er nach zwei Jahren genug vom Fremdenführen. Als DHL einen Kundenbetreuer in Singapur suchte, ergriff er die Chance. Nach vier Jahren holte DHL ihn zurück nach Peking und beförderte ihn 2010 zum Leiter aller zehn Gateways von DHL in der Volksrepublik. Gateways, erklärt Liu, sind zentrale Knotenpunkte im Logistiknetz. In Ostasien unterhält DHL Gateways unter anderem in Seoul, Taiwan, Tokio, Jakarta oder auch Bangkok. Weil China so groß und das Geschäft so dynamisch ist, hat DHL in diesem Land gleich zehn Gateways eingerichtet, die Pakete und Dokumente von über 400 Standorten einsammeln. Logistik ist ein Netzwerk-Business, erklärt Liu. Jedes Glied, um das das Netz erweitert wird, erhöht den Nutzen für den Kunden und macht das Geschäft profitabler. In den Gateways werden die Sendungen sortiert und gebündelt, um ihre Weiterreise zu einem anderen Gateway oder Hub anzutreten und von dort weiter zu ihrem Empfänger befördert zu werden. Hubs sind die Superknoten für die Expressströme zwischen den großen Erdteilen, erklärt Liu.

Drei davon hat DHL bislang: Leipzig in Deutschland, Cincinnati in den USA und Hongkong in Asien. Wenn DHL jetzt zusätzlich in Shanghai einen Hub für Nordasien installiert, spricht das für den hohen Stellenwert, den China für den deutschen Logistikriesen hat. Insgesamt 1,2 Milliarden Dollar hat DHL in China investiert. Dabei macht das Expressgeschäft mit einem jährlichen Volumen von knapp acht Milliarden Dollar – ein Drittel davon entfällt auf internationale Sendungen – nur einen Teil des gesamten chinesischen Logistikmarktes aus, den Experten auf mehr als 500 Milliarden US-Dollar taxieren.

Wachstum ohne Ende

Patentanmeldungen in China
Chinesische Flagge Quelle: dpa
Sony-Gebäude Quelle: dpa
Amerikanische Flagge Quelle: dpa
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Ein Schild mit der Aufschrift "Patent" liegt auf mehreren Brokkoli Quelle: dpa
Produktionsband der Firma Heineken Quelle: Reuters
Eiffelturm

Die Dynamik des chinesischen Logistikmarktes erklärt Liu am Beispiel des DHL-Gateways Shanghai, des größten in China, der etwa 20 Lkw-Minuten vom Flughafen entfernt in einem doppelstöckigen Zweckbau untergebracht ist. Am Eingang grüßt ein Wachposten zackig, als wäre man hier bei der Volksbefreiungsarmee, im Innern drängeln sich Paletten voll gestapelt mit Paketen für den Transport zum Flughafen. Obwohl der Gateway in Shanghai erst 2001 errichtet und seine Kapazität schon einmal verdoppelt wurde, arbeitet er heute schon wieder an der Kapazitätsgrenze, sagt Liu. Der Grund: Die Wirtschaft im Yangtse-Delta boomt. Ein Drittel des chinesischen Bruttoinlandsprodukts wird hier erwirtschaftet. Mit der Flughafenbehörde hat DHL deshalb schon vereinbart, die Kapazität des neuen Hubs bei Bedarf verdoppeln zu können. Ob Straße, Wasser, Schiene oder Flugzeug – die gesamte Transportleistung wächst jährlich mit zweistelligen Zuwachsraten.

Für den Logistikexperten Klaus-Dieter Ruske von der Strategieberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) besteht kein Zweifel, dass „China auf dem Weg zum Logistikweltmeister“ ist. Mit der Verlagerung der Weltwirtschaft
in den asiatisch-pazifischen Raum entstehen neue Transportwege von Asien nach Afrika und Südamerika sowie in Asien selbst. 2030 werden 17 der 25 größten bilateralen See- und Luftfrachtrouten PwC zufolge nach China führen. Jens Riedl, Leiter des Bereichs Transportation bei der Unternehmensberatung Boston Consulting, sieht für die Logistikbranche noch viel Potenzial: „Die Unternehmen in China haben erst 30 Prozent ihrer Logistikleistungen outgesourct, in den westlichen Industrieländern sind es 50 Prozent und mehr.“

China ist aber auch ein schwieriger Markt. Zum einen wegen der nach wie vor großen Infrastrukturmängel – trotz jährlicher Investitionen von 400 Milliarden Dollar. Ein Großteil der Investitionen entfiel jedoch auf Prestigeprojekte wie die Hochgeschwindigkeitszüge. Für den Containertransport spielt der Schienenverkehr so gut wie keine Rolle – trotz der Verbindung durch Sibirien nach Europa. „In den Gütertransport wurde kaum investiert“, kritisiert Roland Rohde, der lange für die deutsche Außenwirtschaftsförderungsgesellschaft German Trade and Investment (GTAI) in Hongkong den chinesischen Logistikmarkt beobachtet hat.

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Fragmentierter Markt

Noch schwerer wiegt, dass China erst wenige Transportbereiche für ausländische Unternehmen geöffnet hat. Im Straßengüterverkehr sind Lizenzen erforderlich, die nur provinzweise vergeben werden. Provinzen und Städte lassen nur bestimmte Kennzeichen zu, was beim Lkw-Transport über die Stadt- und Provinzgrenzen hinaus ein Umladen erfordert und die Frachtraten verteuert. So verfügt kein einziges ausländisches Unternehmen über eine landesweite Straßenfrachtlizenz. Bei der Eisenbahn besteht ein staatliches Monopol, ebenso bei der Post für den Brief- und Dokumentenservice im Inland.

Die Folge: Ineffizienz. So ist ein Brief selbst innerhalb von Peking bis zu einer Woche unterwegs. Häufig bestehen Distributionsmonopole auch auf Bezirks- und Provinzebene. Eine Firma ist beispielsweise für die Nahrungsmittelbranche zuständig, eine andere für die Leichtindustrie, eine dritte für moderne Technologien. Um Aufträge kämpfen über 100.000 lokale und regionale Logistikunternehmen, ein Drittel davon im Expressgeschäft.

Es herrscht starker Wettbewerbsdruck, trotz des rapiden Wachstums. „Der chinesische Markt ist äußerst preissensitiv und belohnt Qualitätsanbieter für ihre Premiumangebote nicht mit einem entsprechend höheren Preis“, urteilt McKinsey-Partner Tobias Meyer, der lange in Singapur Logistikfirmen in Asien beraten hat. Die internationalen Logistiker haben sich deshalb auf das lukrativere grenzüberschreitende Geschäft konzentriert. Der Binnenmarkt ist stark fragmentiert und zudem staatlich dominiert: 18 der Top-20-Anbieter sind nach Angaben von BCG-Berater Riedl Staatsunternehmen.

Grafik Weltmarktanteile in Expressgeschäft

Logistikkosten mehr als doppelt so hoch wie in den USA und Westeuropa

Die Logistikkosten sind denn auch mit 18 Prozent des Bruttoinlandsproduktes mehr als doppelt so hoch wie in den USA und Westeuropa. Die hohen Kosten sind der Regierung ein Dorn im Auge. Um das Wohlstandsgefälle
zu den Küstenregionen zu verringern, möchte sie nämlich mehr ausländische Unternehmen ins unwegsamere Hinterland locken. Doch die zögern, weil dies in vielen Regionen noch mit höheren Logistikkosten verbunden ist. Ein effizienterer Logistiksektor ist deshalb Voraussetzung, damit das Landesinnere attraktiv wird für ausländische Investoren.

Gleichzeitig jedoch will die Regierung die eigenen Staatsunternehmen fördern und einen globalen chinesischen Logistikchampion heranziehen, der den großen westlichen Playern Paroli bieten kann. „Peking wird es kaum gestatten, dass unter den vier größten Anbietern im chinesischen Expressgeschäft drei ausländische sind“, glaubt denn auch McKinsey-Mann Meyer. Um solche regulatorischen Klippen im Reich der Mitte zu umschiffen, formierte DHL schon 1986 ein Joint Venture mit dem staatlichen Transportriesen Sinotrans, dem zweitgrößten chinesischen Logistiker. Jeder der beiden Partner hält 50 Prozent. Als 2003 Sinotrans 40 Prozent seines Kapitals an die Börse brachte, erwarb DHL fünf Prozent der Aktien und ist seitdem neben dem Staat größter Anteilseigner.

Glückliche Ehe

Die faszinierenden Metropolen Chinas
Chongqing ist eine Millionenstadt in der Volksrepublik China. Sie liegt auf einer wie ein Komma geformte Halbinsel am Zusammenfluss von Jangtsekiang und Jialing. Das Verwaltungsgebiet der Stadt ist annähernd so groß wie die Fläche von Österreich. Mit 28,85 Millionen Einwohnern gehört Chongqing zu einer der größten Megastädte Chinas. Quelle: Reuters
Guangzhou ist eine Stadt im Süden Chinas mit 8,86 Millionen Einwohnern. Sie ist ein bedeutender Industrie- und Handelsstandort, weshalb sie auch die „Fabrik der Welt“ genannt wird. Im Oktober 2010 wurde in Guangzhou der höchste Fernsehturm der Welt (600 m) eröffnet. Quelle: Reuters
Die Küstenstadt Zhuhai gehört zu der chinesischen Provinz Guangdong und hat eine Einwohnerzahl von 1,45 Millionen. Zhuhai trägt in China den Beinamen „Stadt der Romantik“ aufgrund der vielen Buchten und Küsten. Die Stadt ist sehr sauber, der Lebensstandard sehr hoch. Zhuhai ist ein beliebtes Wochenenddomizil für Geschäftsleute aus Hongkong. Quelle: Reuters
Wuhans Einwohnerzahl beträgt 8,33 Millionen. Die Stadt in der Provinz Hubei besteht aus drei zusammengelegten Städten. Das ebene Stadtbild ist von zahlreichen Seen geprägt. Quelle: Reuters
Die Stadt Chengdu hat 10,44 Millionen Einwohner. Sie hat sich zum Wirtschaftszentrum Westchinas entwickelt. 2006 erreichte Chengdu den vierten Platz der lebenswertesten Städte Chinas. Quelle: dapd
Peking ist die Hauptstadt und das politische Zentrum der Volksrepublik China. Dort leben etwa 17,6 Millionen Einwohner. Durch die dreitausendjährige Geschichte Pekings beherbergt die Stadt ein imposantes Kulturerbe. Quelle: dpa
Dongguan hat 8,2 Millionen Einwohner. Sie liegt östlich des Perlflusses an der Mündung in das chinesische Meer. Viele Auslandschinesen in Hongkong stammen aus Dongguan. Quelle: Reuters

Die DHL-Manager sind über ihr Joint Venture voll des Lobs. Niemand ist berufener darüber zu sprechen als Jerry Hsu, der seit 2011 von Singapur aus die Geschicke von DHL Express in Asien lenkt. „Wir sind jetzt seit 25 Jahren verheiratet“, sagt er über die Beziehung zu Sinotrans. „Wir hatten niemals einen wesentlichen Konflikt über Strategie, Interesse und Richtung.“ Eine fruchtbare Verbindung: Mit Sinotrans an der Seite hat DHL die Konkurrenten, vor allem UPS und Fedex, im internationalen Expressgeschäft abgehängt. „Wir sind der Marktführer“, sagt Hsu stolz.

DHL ist auf den Erfolg in China aber noch dringender angewiesen als UPS und Fedex. Zwar sind die Deutschen im grenzüberschreitenden Expressdienst weltweit mit einem Marktanteil von 29 Prozent führend (siehe Grafik auf der vorigen Seite). Die internationalen Lieferungen machen jedoch nur einen kleinen Teil, etwa 15 Prozent, des gesamten Expressweltmarktes aus, den die Experten von Boston Consulting auf rund 130 Milliarden Euro schätzen. Nimmt man auch die rein nationalen Auslieferungen mit hinzu, liegen die beiden amerikanischen Logistiker UPS und Fedex aufgrund ihrer fast monopolartigen Stellung im Heimatmarkt USA, dem bislang noch weltgrößten Logistikmarkt, vorn.

Der Logistikmarkt in China

Hochprofitabler US-Markt

Die Amerikaner beherrschen den hochprofitablen US-Markt zu gut 80 Prozent und erzielen deshalb eine weit höhere Rendite als DHL. Im Expressgeschäft insgesamt kommt die DHL deshalb nur auf einen Marktanteil von etwa neun Prozent, UPS dagegen auf 21 und Fedex auf 13 Prozent. Dass DHL dennoch der weltgrößte Logistikkonzern ist, steht dazu nicht im Widerspruch: Die Amerikaner konzentrieren sich auf das Expressgeschäft, DHL dagegen ist breiter aufgestellt und bietet auch Speditions- und Kontrakt-Services an (siehe "Der Logistikmarkt in China").

Die Marktexpansion in andere Bereiche ging nach Einschätzung von Branchenexperten in der Vergangenheit gelegentlich zulasten der Gewinne. Selbst in Europa, wo DHL auch Marktführer ist, kommen die Deutschen nicht auf eine ähnliche Marktdurchdringung und damit Rentabilität wie ihre beiden amerikanischen Konkurrenten in den USA. Sollte UPS zudem mit der Übernahme der holländischen TNT bei der europäischen Kartellbehörde durchkommen, was nicht unmöglich scheint, würden die Amerikaner in Europa an DHL vorbeiziehen.

Was Deutschland mit China verbindet
Das kommunistisch regierte China ist mit gut 1,3 Milliarden Menschen das bevölkerungsreichste Land der Erde. Quelle: dapd
Mit einer Fläche von knapp 9,6 Millionen Quadratkilometern ist es etwa 27 Mal so groß wie Deutschland. Quelle: Reuters
Trotz eines Bruttoinlandsprodukts von 5,88 Billionen US-Dollar (2010) und einem Wachstum von 9,2 Prozent im vergangenen Jahr ist besonders die Landbevölkerung von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen . Quelle: dpa
2010 exportierten deutsche Unternehmen Waren für 53,6 Milliarden Euro nach China. Im Vergleich zum Jahr zuvor entsprach das einem Plus von 43,9 Prozent. Die Einfuhren lagen 2010 bei 76,5 Milliarden Euro (35,0 Prozent mehr als 2010). Quelle: dpa
Aus der Bundesrepublik werden besonders Maschinen, Anlagen, elektrotechnische Produkte und Autos nach China verkauft. Quelle: dapd
Von dort kommen vor allem Elektrotechnik und Kleidung. Quelle: dpa
Die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen beliefen sich 2010 auf 697 Millionen Euro nach 857 Millionen im Jahr zuvor. Quelle: REUTERS

Entscheidende Rolle Chinas

Umso entscheidender wird die Schlacht um China. „China spielt in der Wachstumsstrategie von DHL eine entscheidende Rolle“, ist sich Hsu seiner Verantwortung bewusst. Schon jetzt trägt das Reich der Mitte zwölf Prozent zum globalen DHL-Expressgeschäft bei. China ist damit jetzt schon vor Deutschland größter Markt im Weltreich des deutschen Logistikers. Und, so Hsu selbstbewusst: „Unser Geschäft ist profitabel, wir liegen im weltweiten Vergleich vorn.“

Der Erfolg des Joint Ventures führt Hsu auf die klare Arbeitsteilung zwischen den Partnern zurück: „Uns hilft Sinotrans beim Zugang zum chinesischen Markt und bei der staatlichen Regulierung, wir liefern den Zugang ins internationale Netz.“ Viele deutsche Firmen berichten demgegenüber von weniger guten Erfahrungen in einem Joint Venture in China. Denn die Chinesen zeigen sich im Gemeinschaftsunternehmen meist nur an der Technologie interessiert. Sobald sie das Know-how haben, machen sie eigene Fertigungsstätten auf und drängen den vermeintlichen Partner aus dem Markt. Aus Angst vor Technologieklau haben viele deutsche Unternehmen deshalb so schnell wie möglich das Joint-Venture-Abenteuer beendet, sobald sie Zugang zum lokalen Markt hatten.

Wettbewerbsvorsprung bei DHL

Maschinenbau macht Kasse in China
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Die DHL-Manager achten denn auch peinlich genau darauf, dass sich die Grenzen der Arbeitsteilung im Ehevertrag nicht zu ihren Lasten verschieben. Beim Rundgang durch den neuen Nordasien-Hub in Shanghai zeigt Leiter Liu auf einen Fahnenmast an der Einfahrt. Hier werde die DHL-Flagge wehen, sagt er. Nicht auch die von Sinotrans? Nein, erklärt Liu. Im Gegensatz zu den Gateways betreibt DHL den neuen Hub in Shanghai in alleiniger Verantwortung, DHL-Sinotrans zahlt für dessen Leistung ein Entgelt.

Weil der Staatsriese Sinotrans keinen Zugang zum internationalen Geschäft bekommt, behält DHL seinen Wettbewerbsvorsprung. „Die Chinesen würden 10 bis 20 Jahre brauchen, um ein gleichwertiges internationales Netz aufzubauen“, schätzt GTAI-Experte Rohde. Umgekehrt ist keineswegs ausgemacht, ob sich DHL in China auf das grenzüberschreitende Geschäft beschränkt. Denn seit Kurzem wächst das inländische Geschäft viel schneller als das internationale. „Der zunehmende inländische Konsum ist der größte Wachstumstreiber“, urteilt Yin Zou, Managing Director bei DHL Supply Chain China. Ähnlich urteilt David Cunningham, President von Fedex Express Asia Pacific: „Das Inland wird der am schnellsten wachsende Markt in den nächsten 20 Jahren sein.“

Chinesen machen im deutschen Mittelstand fette Beute
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Lockender Binnenmarkt

Verantwortlich dafür ist die neue Vorliebe der Chinesen für Käufe im Internet. „Der nationale Express- und Paketdienst zu Konsumenten wächst derzeit jährlich um mehr als 50 Prozent“, analysiert McKinsey-Experte Meyer. Allein der Umsatz von Expresslieferungen aufgrund von Online-Käufen dürfte in diesem Jahr umgerechnet 6,5 Milliarden Dollar erreichen. Grund genug für DHL-Sinotrans, auch den Binnenmarkt ins Auge zu fassen. Im Juni 2010 kaufte das Joint Venture in Shanghai den Anbieter Apex und übernahm das Inlandexpressgeschäft von Sinotrans.

Zwar war der Geschäftsumfang gering, dafür waren die Ziele umso ambitionierter: Die neue Geschäftseinheit sei in 662 chinesischen Städten aktiv und werde ihre Operationen bis Ende 2011 auf über 800 Destinationen ausweiten, verkündeten die Eigner voll Optimismus. Schon ein Jahr später erfolgte die Kehrtwende: DHL-Sinotrans verkaufte das eben aufgebaute inländische Expressgeschäft an einen lokalen Konkurrenten, nachdem die
Sparte in einem Jahr einen Verlust von umgerechnet rund 15 Millionen Dollar eingefahren hatte. Asien-Pazifik-CEO Hsu nennt für den Rückzug drei Gründe: Erstens der Wettbewerbsdruck durch die vielen kleinen, billigeren Konkurrenten, zweitens das unglückliche Timing infolge der Finanzkrise und drittens das Postgesetz, das die Behörden auf einmal restriktiver auslegten. Selbst Joint Ventures mit chinesischen Partnern dürfen danach nur im Paketdienst aktiv sein. Der lukrative Dokumentenservice, rund 35 Prozent des Geschäfts von Apex und Sinotrans, war auf einmal verboten. Hsu: „Ohne diesen Anteil konnten wir in den Strukturen von Apex und Sinotrans nicht überleben.“ DHL hatte wohl darauf gesetzt, dass die Behörden das Postgesetz lockerer auslegen würden.

Keine Abkehr vom chinesischen Binnenmarkt

Manche Experten interpretieren den Rückzug als generellen Strategiewechsel: Konzentration aufs internationale Geschäft. „Globale Anbieter haben Probleme, mit der Kostenstruktur der lokalen Anbieter mitzuhalten, die die örtlichen Bedingungen besser kennen“, glaubt PwC-Experte Ruske. Ähnliche Erfahrungen hatte DHL schon in den USA, Kanada, Großbritannien und Frankreich gemacht und sich nach Milliardenverlusten aus dem dortigen inländischen Expressgeschäft zurückgezogen. Ken Allen, im Vorstand von Deutsche Post DHL fürs Expressgeschäft zuständig, räumt nach Einschätzung von Branchenexperten konsequent mit den Verlustbringern auf und verkauft, was nicht profitabel wird.

Asien-CEO Jerry Hsu aber mag von einer prinzipiellen Abkehr vom chinesischen Binnenmarkt nicht sprechen. Wenn der Markt konsolidiert sei und die Regierung Ausländern das Dokumentengeschäft erlaube, werde man neu überlegen. Ironie des Schicksals: Kaum hatte sich DHL von seinem Verlustbringer getrennt, signalisierte die chinesische Regierung einen weniger rigiden Kurs im Logistikgeschäft. Mitte Januar verlautete aus dem
Staatsrat, dass Peking weitere Marktsegmente für ausländische Expressanbieter öffnen wolle – „graduell und ordentlich“, wie der Chef der Postbehörde, Ma Junsheng, vorsichtig ankündigte. Analysten schätzen, dass ausländische Anbieter langfristig ein Fünftel des Binnenmarktes erobern könnten. Für die Chinastory von DHL könnte es dann schon bald heißen: Fortsetzung folgt.

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