Logistik DHL kämpft mit den Tücken des chinesischen Marktes

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Wachstum ohne Ende

Patentanmeldungen in China
Chinesische Flagge Quelle: dpa
Sony-Gebäude Quelle: dpa
Amerikanische Flagge Quelle: dpa
Kia-Logo Quelle: Reuters
Ein Schild mit der Aufschrift "Patent" liegt auf mehreren Brokkoli Quelle: dpa
Produktionsband der Firma Heineken Quelle: Reuters
Eiffelturm

Die Dynamik des chinesischen Logistikmarktes erklärt Liu am Beispiel des DHL-Gateways Shanghai, des größten in China, der etwa 20 Lkw-Minuten vom Flughafen entfernt in einem doppelstöckigen Zweckbau untergebracht ist. Am Eingang grüßt ein Wachposten zackig, als wäre man hier bei der Volksbefreiungsarmee, im Innern drängeln sich Paletten voll gestapelt mit Paketen für den Transport zum Flughafen. Obwohl der Gateway in Shanghai erst 2001 errichtet und seine Kapazität schon einmal verdoppelt wurde, arbeitet er heute schon wieder an der Kapazitätsgrenze, sagt Liu. Der Grund: Die Wirtschaft im Yangtse-Delta boomt. Ein Drittel des chinesischen Bruttoinlandsprodukts wird hier erwirtschaftet. Mit der Flughafenbehörde hat DHL deshalb schon vereinbart, die Kapazität des neuen Hubs bei Bedarf verdoppeln zu können. Ob Straße, Wasser, Schiene oder Flugzeug – die gesamte Transportleistung wächst jährlich mit zweistelligen Zuwachsraten.

Für den Logistikexperten Klaus-Dieter Ruske von der Strategieberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) besteht kein Zweifel, dass „China auf dem Weg zum Logistikweltmeister“ ist. Mit der Verlagerung der Weltwirtschaft
in den asiatisch-pazifischen Raum entstehen neue Transportwege von Asien nach Afrika und Südamerika sowie in Asien selbst. 2030 werden 17 der 25 größten bilateralen See- und Luftfrachtrouten PwC zufolge nach China führen. Jens Riedl, Leiter des Bereichs Transportation bei der Unternehmensberatung Boston Consulting, sieht für die Logistikbranche noch viel Potenzial: „Die Unternehmen in China haben erst 30 Prozent ihrer Logistikleistungen outgesourct, in den westlichen Industrieländern sind es 50 Prozent und mehr.“

China ist aber auch ein schwieriger Markt. Zum einen wegen der nach wie vor großen Infrastrukturmängel – trotz jährlicher Investitionen von 400 Milliarden Dollar. Ein Großteil der Investitionen entfiel jedoch auf Prestigeprojekte wie die Hochgeschwindigkeitszüge. Für den Containertransport spielt der Schienenverkehr so gut wie keine Rolle – trotz der Verbindung durch Sibirien nach Europa. „In den Gütertransport wurde kaum investiert“, kritisiert Roland Rohde, der lange für die deutsche Außenwirtschaftsförderungsgesellschaft German Trade and Investment (GTAI) in Hongkong den chinesischen Logistikmarkt beobachtet hat.

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Fragmentierter Markt

Noch schwerer wiegt, dass China erst wenige Transportbereiche für ausländische Unternehmen geöffnet hat. Im Straßengüterverkehr sind Lizenzen erforderlich, die nur provinzweise vergeben werden. Provinzen und Städte lassen nur bestimmte Kennzeichen zu, was beim Lkw-Transport über die Stadt- und Provinzgrenzen hinaus ein Umladen erfordert und die Frachtraten verteuert. So verfügt kein einziges ausländisches Unternehmen über eine landesweite Straßenfrachtlizenz. Bei der Eisenbahn besteht ein staatliches Monopol, ebenso bei der Post für den Brief- und Dokumentenservice im Inland.

Die Folge: Ineffizienz. So ist ein Brief selbst innerhalb von Peking bis zu einer Woche unterwegs. Häufig bestehen Distributionsmonopole auch auf Bezirks- und Provinzebene. Eine Firma ist beispielsweise für die Nahrungsmittelbranche zuständig, eine andere für die Leichtindustrie, eine dritte für moderne Technologien. Um Aufträge kämpfen über 100.000 lokale und regionale Logistikunternehmen, ein Drittel davon im Expressgeschäft.

Es herrscht starker Wettbewerbsdruck, trotz des rapiden Wachstums. „Der chinesische Markt ist äußerst preissensitiv und belohnt Qualitätsanbieter für ihre Premiumangebote nicht mit einem entsprechend höheren Preis“, urteilt McKinsey-Partner Tobias Meyer, der lange in Singapur Logistikfirmen in Asien beraten hat. Die internationalen Logistiker haben sich deshalb auf das lukrativere grenzüberschreitende Geschäft konzentriert. Der Binnenmarkt ist stark fragmentiert und zudem staatlich dominiert: 18 der Top-20-Anbieter sind nach Angaben von BCG-Berater Riedl Staatsunternehmen.

Grafik Weltmarktanteile in Expressgeschäft

Logistikkosten mehr als doppelt so hoch wie in den USA und Westeuropa

Die Logistikkosten sind denn auch mit 18 Prozent des Bruttoinlandsproduktes mehr als doppelt so hoch wie in den USA und Westeuropa. Die hohen Kosten sind der Regierung ein Dorn im Auge. Um das Wohlstandsgefälle
zu den Küstenregionen zu verringern, möchte sie nämlich mehr ausländische Unternehmen ins unwegsamere Hinterland locken. Doch die zögern, weil dies in vielen Regionen noch mit höheren Logistikkosten verbunden ist. Ein effizienterer Logistiksektor ist deshalb Voraussetzung, damit das Landesinnere attraktiv wird für ausländische Investoren.

Gleichzeitig jedoch will die Regierung die eigenen Staatsunternehmen fördern und einen globalen chinesischen Logistikchampion heranziehen, der den großen westlichen Playern Paroli bieten kann. „Peking wird es kaum gestatten, dass unter den vier größten Anbietern im chinesischen Expressgeschäft drei ausländische sind“, glaubt denn auch McKinsey-Mann Meyer. Um solche regulatorischen Klippen im Reich der Mitte zu umschiffen, formierte DHL schon 1986 ein Joint Venture mit dem staatlichen Transportriesen Sinotrans, dem zweitgrößten chinesischen Logistiker. Jeder der beiden Partner hält 50 Prozent. Als 2003 Sinotrans 40 Prozent seines Kapitals an die Börse brachte, erwarb DHL fünf Prozent der Aktien und ist seitdem neben dem Staat größter Anteilseigner.

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