Maschinenbauer Trumpf "Veränderung ist wichtiger als Wachstum"

Die Leibinger-Kammüllers führen den Maschinenbauer Trumpf. Wie das als Ehepaar funktioniert, wie die Digitalisierung alles ändert und warum Europa gerade seine Zukunft verspielt.

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Nicola Leibinger-Kammüller und Mathias Kammüller führen das baden-württembergische Unternehmen Trumpf. Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Frau Leibinger-Kammüller, Sie haben vor zehn Jahren die Führung im Unternehmen übernommen. Seither hat sich der Umsatz mehr als verdoppelt. Wo steht die Firma in zehn Jahren?

Leibinger-Kammüller: Bis 2008 hatten wir ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von 15 Prozent. Nach der Finanzkrise von 2008 ist dieses auf gut zehn Prozent pro Jahr gesunken. Geht es so weiter und haben wir neben dem Glück des Tüchtigen auch die richtigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, verdoppeln wir uns bis 2023 nochmals.

Wie wichtig ist Ihnen dieses Wachstum?

Kammüller: Das Wachstum an sich steht überhaupt nicht im Vordergrund. Es ist kein Selbstzweck. Viel wichtiger ist, wie wir uns grundsätzlich verändern. Die Digitalisierung, die Vernetzung und der 3-D-Druck bringen neue Produkte und Geschäftsfelder, in die wir zwingend hineinwachsen müssen.

Zu den Personen

Leibinger-Kammüller: Genau, lassen wir die Wachstumsfrage beiseite. Sagen wir einfach: In zehn Jahren sind wir immer noch familiengeführt, finanziell unabhängig und mittelständisch geprägt. Und wir haben noch die Hälfte der Mitarbeiter in Deutschland.

Es läuft also nicht auf einen riesigen Konzern hinaus?

Leibinger-Kammüller: Von der Größe her kann es schon Konzerndimensionen bekommen. Aber wir wollen trotzdem noch mittelständisch denken und handeln. Wir wollen auch nahe an unserem Kerngeschäft bleiben, wenn wir Unternehmen zukaufen. Auch wenn wir nun eher Softwareunternehmen erwerben, hat das immer noch unmittelbar mit unseren Maschinen zu tun. Deshalb haben wir uns letztes Jahr auch von der Medizintechniksparte getrennt.

Produkte des Maschinenbaus

Finanziell unabhängig. Was heißt das konkret?

Leibinger-Kammüller: Dass die Firma in Familienbesitz bleibt und wir keine Investoren beteiligen oder gar an die Börse gehen. Wir wollen weiter das Sagen haben.

Sie sind ein Fan der Buddenbrooks. Dort steht: „Mein Sohn, sey mit Lust bey den Geschäften am Tage, aber er mache nur solche, daß wir bey Nacht ruhig schlafen können.“ Sie gehen viel höhere Risiken ein als ihr Vater. Kann er noch ruhig schlafen?

Leibinger-Kammüller: Was meinen Sie mit höheren Risiken?

Zukäufe, stärkeres Wachstum in Schwellenländern, ein höheres Tempo und eine höhere Komplexität.

Leibinger-Kammüller: Sicher gehen wir Risiken ein, das ist unvermeidlich. Was den finanziellen Einsatz angeht, überspannen wir aber nie den Bogen.

Kammüller: Nie kann der Einzelfall uns wirklich gefährden und auch nicht die Summe der riskanteren Aktivitäten. Das ist eines unserer Grundprinzipien. Wir haben nie Firmen zugekauft, die teurer waren als drei Prozent unseres Umsatzes. Unser Zukauf JFY in China lag zum Beispiel in dieser Größenordnung.

Die Leibinger-Kammüllers im Interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

Deutsche Firmen kaufen nicht nur in China zu, es werden auch deutsche Firmen von Chinesen gekauft. Sehen Sie da Gefahren aufziehen?

Kammüller: Für uns ist das derzeit unkritisch. Aber wir sehen Fälle, die uns sagen: Wir müssen dafür sorgen, dass uns das nicht passiert. Deshalb haben wir Wettbewerber gekauft, bevor sie so stark wurden, dass sie uns gefährlich werden könnten. Wir haben den Vorteil, dass in Schwellenländern unsere besonders hoch entwickelte Technik der flexiblen Blechbearbeitung oft noch nicht im Mittelpunkt steht. Da hilft man sich mit einfacheren Technologien. Deshalb können uns die meisten Firmen von dort noch nicht gefährlich werden.

Leibinger-Kammüller: Ich mag diese Klagen nicht über die Chinesen, die kommen und hier Firmen kaufen. Wir sind doch für freie Märkte. Dann lasst die Chinesen doch kaufen! Es kann nicht sein, dass nur wir im Ausland zukaufen und von dort aber kein Käufer sich zu uns traut. Statt zu jammern, sollten die deutschen Familienunternehmen rechtzeitig die Nachfolge im Unternehmen klären und vor allem schauen, dass sie gut sind. Dann sind Konkurrenten aus China auch keine Bedrohung.

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