Rohstoffe Hohen Metallpreisen ein Schnippchen schlagen

Die zunehmend unkalkulierbaren Preise für Metalle werden für Mittelständler zu einem wachsenden Problem. Die richtige Strategie kann die Auswirkungen entscheidend mildern.

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Kupüferdraht Quelle: dpa

Michael Wieland stellt sich den ganzen Tag eigentlich nur eine Frage: Warten oder zuschlagen? Als oberster Metalleinkäufer des Kupferdrahtherstellers Schwering & Hasse in Lügde im äußersten Nordosten von Nordrhein-Westfalen beschafft er im Durchschnitt jeden Tag gut 100 Tonnen des roten Metalls. Und das ist eine Art Glücksspiel geworden. Der Preis für das Halbedelmetall ist seit 2002 nicht nur um fast das Sechsfache gestiegen. Er schwankt auch gewaltig. Derzeit kostet die Tonne rund 8500 Dollar, Anfang 2011 waren es gut 10.000 Dollar und im vorigen Herbst weniger als 7000 Dollar. „Wir haben eine Verarbeitungszeit von sechs Wochen. Da können sich die Preise extrem verändern“, sagt Wieland. Aber dank seines Preisgefühls kauft das Unternehmen mit 450 Mitarbeitern und 236 Millionen Euro Umsatz in 2010 am Ende doch vergleichsweise günstig ein.

Eine Abteilung mit Rohstoffspezialisten, damit sind die Drahtzieher aus dem Teutoburger Wald eine Ausnahme im deutschen Mittelstand. Auch wenn der wichtige Preisindex für Industriemetalle der Londoner Metallbörse LME derzeit unter dem Hoch zur Jahreswende 2007/08 notiert: Er ist dreimal so hoch wie 2002 und schwankt um bis zu 50 Prozent pro Jahr. „Doch nur etwa ein Drittel Unternehmen hat eigene Spezialisten“, sagt Marc Kloepfel, Chef der auf Lieferketten-Beratung spezialisierten Düsseldorfer Kloepfel Consulting. Und über eine gezielte Absicherung der Rohstoffpreise denkt laut einer Studie der Commerzbank vom vergangenen Herbst nicht mal jedes fünfte Unternehmen nach. „Die meisten Betriebe versuchen nach wie vor, das Thema auszusitzen“, sagt Kloepfel.

Konzerne wie der Energieversorger Vattenfall hingegen haben Einkauf und Umgang mit Rohstoffen längst zur Chefsache gemacht und eigene Abteilungen eingerichtet, die direkt dem Vorstand unterstehen. Einkaufsmanager Holger Arendt lobt beim Rohstoff-Kompetenzzentrum, das er bei Vattenfall Europe aufbaute, als wichtigste Verbesserungen „geringere Transaktionskosten, eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit sowie ein höheres Maß an Flexibilität“.

Grafik Industriemetall-Preisindex

Mehr Rohstoffe, höhere Kosten

Schließlich wird der richtige Umgang mit Erzen und industriellen Naturprodukten wie Kakao oder Getreide immer öfter zu einer Überlebensfrage für Betriebe. Bereits jetzt machen die hohen Rohstoffpreise laut einer Umfrage der Commerzbank drei Viertel der Unternehmen das Leben schwer. Und wegen des weltweit wachsenden Rohstoffhungers und zunehmender Produktionskosten erwarten fast 90 Prozent aller Mittelständler steigende Preise

Wenn dann – wie bei fast zwei Dritteln aller Unternehmen – Rohstoffe gut zehn Prozent aller Kosten ausmachen, bedeutet eine Verdopplung oft den Unterschied zwischen Gewinn und Verlust. „Sie können Änderungen ihrer Einkaufspreise in der Regel nicht eins zu eins an die Abnehmer weitergeben“, sagt Marret Struck, Risikoexpertin der HSH Nordbank. Selbst wenn die Weitergabe im Liefervertrag steht, hilft das mitunter wenig. Nicht selten kündigen etwa Handelskonzerne einem Schokoladenhersteller unter einem Vorwand, wenn der vereinbarte Zuschläge für eine Preissteigerung beim Kakao fordert.

Drängender als das Megathema Energie beurteilt

Der richtige Erzeinkauf spielt auch eine Rolle, wenn Banken die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden prüfen. „Wir beziehen dabei vermehrt die Zukunftsperspektive der Unternehmen ein. In diesem Zusammenhang bereitet es mir Sorge, dass viele Unternehmen nicht wissen, ob sie für die Zukunft in puncto Rohstoff- und Energiepreise gut genug gerüstet sind“, sagt der für den Mittelstand zuständige Commerzbank-Vorstand Markus Beumer. Im Klartext: Wer Rohstoffrisiken schleifen lässt, bekommt künftig nur noch schwer Kredit.

Doch inzwischen spüren Berater und Banker ein Umdenken. „Die Rohstoffthematik wird viel drängender beurteilt als das Megathema Energie“, sagt Banker Beumer. Und die Bereitschaft, Gegenstrategien umzusetzen, wächst. „Weil die richtigen Maßnahmen die Rohstoffkosten um fünf bis zehn Prozent senken, rechnet sich die Sache in der Regel sehr schnell“, sagt Lars Immerthal, Rohstoffexperte der Lieferketten-Beratung Brainnet aus Bonn. Dafür sorgt nicht zuletzt, dass es für viele Maßnahmen staatliche Förderungen gibt.

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