Vernetzte Produktion bei Festo Lernen für die digitale Zukunft

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Horrorszenarien wird es nicht geben

In Modellanlagen werden eigens Fehler eingebaut, deren Ursache es zu finden gilt. "Wir orientieren uns dabei stark an der Praxis", sagt Klaus Zimmermann, Leiter Vertrieb, Training und Consulting bei Festo Didactic. Gefundene Lösungen könnten gleich in die Produktion übertragen werden. "So wird aus der Lernfabrik ein Innovationstreiber für die reale Fabrik."

Frank Riemensperger, Deutschlandchef des Beratungsunternehmens Accenture, ist überzeugt, dass dieses Projekt Modellcharakter für weite Teile der Industrie haben kann. "Die Verlegung des Lernorts direkt in die Fabrik, die digitale Ausbildung in kleinen Schritten - vielleicht ist das die Arbeitsweise, wie wir sie auch künftig in Berufsschulen einsetzen müssen."


Das Familienunternehmen Festo bringt jede Menge Erfahrungen mit auf dem Gebiet der technischen Weiterbildung. Vor 50 Jahren gründete Festo die Bildungssparte, die mehr als 900 Mitarbeiter beschäftigt und mit externen Kunden gut 150 Millionen Euro Umsatz erzielt. Weltweit werden Colleges, Universitäten oder Berufsschulen mit industrietauglichen Lerngeräten ausgerüstet.

Die Bundeswehr gehört zu den Kunden, die sich ein Trainingszentrum für Soldaten hat ausstatten lassen, die eine Rückkehr in die zivile Berufswelt planen. Aber auch Audi hat ein Lernzentrum bei Festo gekauft, um Mitarbeiter im mexikanischen Werk Puebla fit für den Bau des neuen Q5 zu machen.

Zimmermann und Niehaus sind sich bewusst, dass trotz aller Schulung nicht jeder die Hürden der neuen digitalen Arbeitswelt nehmen wird: "20 bis 30 Prozent sehen sich nicht in dem Aufgabenbereich", sagt Zimmermann. "Die gehen dann in die Produktion. Auch dort brauchen wir Menschen mit höherer Qualifikation."

Bei dem Tempo der Digitalisierung besteht laut Zimmermann zudem die Gefahr, dass noch mehr Mitarbeiter an den höheren Anforderungen scheitern werden. Eine Lösung sei, vor allem junge Menschen parallel zur etablierten Berufsausbildung auf die neuen Herausforderungen einzustimmen: "Das müssen wir schaffen, und zwar sehr früh."

Die Entwicklung der Industrie

Experten wie Markus Lorenz von der Boston Consulting Group sehen das ähnlich. Zwei Drittel der aktuellen Belegschaft lasse sich qualifizieren, schätzt er. "Ich werde aber keine Menschen für Data Analytics begeistern können, die 30 Jahre lang an einer Maschine gestanden haben." Dennoch zählt der 4.0-Experte die deutsche Industrie zu den Gewinnern der Digitalisierung - auch auf dem Arbeitsmarkt.

Unter dem Strich werde es zu einem Zuwachs von 300.000 bis 400.000 neuen und hochqualifizierten Jobs kommen, so seine Schätzung. "Ich bin mir allerdings nicht hundertprozentig sicher, ob es hierzulande genügend Leute dafür geben wird", sagt er. "Wenn nicht, werden diese Menschen aus anderen Teilen der Welt zu uns kommen." Accenture-Chef Riemensperger verweist darauf, dass es noch mindestens zehn bis 15 Jahre dauern wird, bis die industrielle Produktion durchweg digitalisiert sein wird - das entschärfe das Problem: "Die Horrorszenarien, die immer wieder auftauchen, wird es so nicht geben", sagt er. "Schon jetzt zeigt sich, dass 4.0-Abläufe nicht an dem Menschen vorbeigehen, sondern ihn integrieren. Er wird sogar zum wichtigsten Steuerelement der 4.0-Lösungen."

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