Helden Contra Corona – Erfahrungsbericht #8 Ein Mutmacher macht Kurzarbeit

Klaus-Peter Gust Quelle: PR

In der Coronakrise sind auch Spielplätze geschlossen. Wie geht Klaus-Peter Gust damit um, Holzspielgeräte-Bauer aus Brandenburg und „Held des Mittelstands“? Er sagt: „Es kann sein, dass der Abschwung uns später trifft.“

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Wollen Sie zuerst die mit Vorsicht zu genießende gute Nachricht hören? Oder zuerst die definitiv schlechte? Das Telefonat mit Klaus-Peter Gust – mehr als ein Telefonat geht ja nicht angesichts von Home Office und Kontaktsperre – hat zwei unterschiedliche Hälften.

Erst Anfang Februar hatte die WirtschaftsWoche den Unternehmer aus Brandenburg als Hoffnungsträger vorgestellt. Gust war Teil 86 unserer Serie „Helden des Mittelstands“. Daheim in Langenlipsdorf haben er und seine Frau Claudia vor der Wende 1988 als Zwei-Mann-Betrieb begonnen, Holz-Spielgeräte für Spielplätze herzustellen. Aus einer privaten Hinterhofwerkstatt im DDR-Sozialismus hat das Unternehmer-Ehepaar ein international agierendes Unternehmen mit heute 235 Mitarbeitern gemacht. Umsatz: bald 20 Millionen Euro. Exportanteil: 27 Prozent. Was für eine Lebensleistung!

Weil SIK-Holz daheim kaum noch Mitarbeiter und Auszubildende findet und mangels Personal die Lieferzeiten immer länger wurden, kam Gust auf die Idee, 100 Kilometer vom Stammwerk entfernt im Braunkohle-Revier in Welzow eine alte Maschinenbauhalle mit viel Freifläche zu kaufen. Stand Februar sollte der Umbau Ende 2020 abgeschlossen sein. Zwölf neue Mitarbeiter wurden schon angelernt und ausgebildet. 2022 sollte die Belegschaft im Braunkohlerevier auf 40 Köpfe anwachsen. „Wir bringen unsere Arbeit dahin, wo die Menschen sie suchen“, beschrieb Gust seine Idee.

Und nun, Herr Gust?

Ganz am Ende des Gesprächs gibt der 60-Jährige preis, was ihn quält: Ausgerechnet die zwölf Leute in Welzow, für die er eben noch der Mutmacher war, schickt er ab April in Kurzarbeit – komplett und zu 100 Prozent. „Es geht nicht anders“, sagt Gust entschuldigend. Welzow werde ja noch von der Zentrale im Landkreis Teltow-Fläming aus gesteuert. Material werde fast täglich dorthin transportiert. Die damit verbundenen Logistik- und Personalkosten fallen erst einmal weg, weil das Hoffnungsprojekt Welzow, in das die Gusts insgesamt 2,2 Millionen Euro investieren werden, nun erst einmal auf Eis liegt.

Die „Helden des Mittelstands“ ächzen unter der Coronakrise und finden doch Wege, mit ihr umzugehen. Bernhard Hahner erzählt, welche Sorgen seine Mitarbeiter umtreiben und warum er sich für sie ins Gesundheitsamt schlich.
von Stephan Knieps

Gust muss „Tempo raus nehmen aus dem Unternehmen“. Denn der Auftragseingang geht zurück. Die in Langenlipsdorf noch positive erscheinende Lage erscheint Gust deshalb „trügerisch wie das sonnige März-Wetter“. Auslastung wie in besten Zeiten haben die Spielplatz-Bauer zwar noch bis Ende Juni. SIK-Holz profitiert jetzt von dem Problem, das durch Welzow eigentlich gelöst werden sollte: den von zehn auf zeitweise 24 Monate verlängerten Lieferzeiten. Die waren seit 2017 aufgebaut worden. Nun baut das Unternehmen sie nach und nach ab. Auf 20 Monate ist die Lieferzeit schon verkürzt, Tendenz sinkend.

Und dann, Herr Gust?

Gust schwankt bei seinen Antworten zwischen Worst-case-Szenarien und nüchternen Überlegungen. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass wie in Italien auch in Deutschland alle Betriebe zugemacht werden“, überlegt er: „Man muss damit rechnen, dass ein Unternehmen wie unseres in solch einer Krise weggespült wird.“

Andererseits lebt SIK-Holz zu 85 Prozent von öffentlichen Auftraggebern. Die Kommunen, die ihre Spielplätze und die Außenanlagen von Kindergärten und Schulhöfen mit den kreativen Klettergeräten und Rutschen aus Brandenburg lebendiger gestalten wollen, stornieren nicht einfach die Bestellungen. Allerdings fallen Corona-bedingt manche Ausschuss-Sitzungen in Städten und Gemeinden flach. Geplante Beschlüsse zur Auftragsvergabe werden deshalb vertagt oder stehen in Frage. Und die privaten Kunden von SIK-Holz – Hotels, Campingplätze, Freizeitparks – müssen womöglich massiv sparen in den nächsten Jahren. „Es kann sein“, sagt Gust, „dass der Abschwung uns später trifft.“ Auch für seine kaufmännischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter will Gust Kurzarbeit anmelden, mit einer Reduzierung der Arbeitszeit um rund die Hälfte: „Kurzarbeit hat den Vorteil, dass man von heute auf morgen wieder durchstarten kann, wenn die Lage wieder besser ist.“

Aber dann ist da neben den wirtschaftlichen Sorgen ja noch die Seuche selber. Übertragung von Viren in der Belegschaft ist zwar unwahrscheinlich. An einer SIK-Spielkonstruktion arbeiten in der Regel jeweils nur zwei Leute – und die bearbeiten das heimische Robinienholz, das SIK ausschließlich verwendet, auf Abstand. Atemschutzmasken tragen diejenigen, die mit Kettensäge und Farbe arbeiten, sowieso.

Trotzdem ist Corona im Hinterkopf, ständig. Erst war Claudia Gust stark erkältet, dann ihr Mann. Claudia Gust wollte sich testen lassen – aber ihr Arzt hat keinen Corona-Test gemacht. „Da bleibt eine ungute Ungewissheit“, sagt Gust.

Die spürt auch er selber. Erst Anfang März traf sich der Bundesverband Sport- und Freizeitgeräte (BSFH) im Radisson-Blue-Hotel in Leipzig zur Mitgliederversammlung, kurz bevor solche Veranstaltungen bundesweit tabu wurden. Die Begrüßungen dort waren bereits „etwas japanisch distanziert“, erinnert sich Gust. Aber reichte das, um das Virus auf Distanz zu halten? Woran Gust sich noch erinnert: Die rund 70 Unternehmer aus ganz Deutschland waren in Leipzig „sehr optimistisch bei ihrem Ausblick bis 2024. Die Aussichten für die ganze Branche erschienen hervorragend“, erzählt der Unternehmer. Vor nicht einmal drei Wochen war das. Gefühlt ist dieser sorglose Termin für Klaus-Peter Gust „total lange her“.

Mehr zum Thema: In der Rubrik Helden des Mittelstands porträtiert die WirtschaftsWoche regelmäßig einen Mittelständler, der eine Herausforderung kreativ, mutig und klug gemeistert hat. Doch was tun diese Helden gegen die Coronakrise? Wir haben nachgefragt. Alle Folgen der Serie „Helden Contra Corona“ finden Sie hier.

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