Herr Babiš kauft ein Tschechiens Finanzminister kauft halb Wittenberg

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Immer Ärger mit Olaf

Unter dem Hörsaal in einem schlichten Besprechungszimmer ist nun auch Babiš angekommen. Im schlichten Anzug sitzt Babiš an dem Besprechungstisch. Was an dem Milliardär vor allem auffällt, ist, dass nichts an ihm auffällt. Keine teure Uhr wickelt sich um das Handgelenk, nirgends an seinem Äußeren ist Prunk zu entdecken, und selbst nach den kleinen Insignien, mit denen sich große Macht gerne beiläufig zu erkennen gibt, sucht man bei Babiš vergebens. Das Einzige, was Babiš ständig aus dem Sakko fischt, ist ein klobiger Taschenrechner.

Wenn Babiš redet, gleicht das dem Plätschern eines ruhigen Flusses. Beiläufig spricht der Milliardär von seinem Reichtum, als wäre er ein lästiges Anhängsel: „Was soll ich mit all dem Geld machen? Soll ich es essen?“ Wenn Babiš sagt, dass er Protzerei verachtet und stets Economy Class fliegt, klingt das aufrichtig. Vielleicht ist es diese Authentizität, die ihn bei den Tschechen so beliebt macht. Doch Babiš kann auch lautere Töne. Etwa dann, wenn man ihn nach den Untersuchungen der EU-Antikorruptionsbehörde Olaf wegen mutmaßlichen Missbrauchs von EU-Fördergeldern fragt.

Andrej-Babiš Quelle: Götz Schleser für WirtschaftsWoche

In dem möglichen Korruptionsfall geht es um den Bau des Wellness-Hotels Storchennest rund 50 Kilometer vor Prag. Es besteht der Verdacht, dass das von der EU mit rund 1,9 Millionen Euro geförderte Projekt zeitweise unter dem Einfluss von Babiš’ Konzern Agrofert gestanden habe. Olaf bestätigt die laufenden Untersuchungen, betont jedoch die Unschuldsvermutung für Babiš. Der Milliardär tut sich bei Storchennest sichtlich schwer, die Contenance zu halten: „Die Subventionen wurden mehrmals kontrolliert. Alles war korrekt!“, sagt Babiš und fischt seinen Taschenrechner hervor. „Wir haben 915 Millionen tschechische Kronen investiert, und die bewilligte Subvention betrug 50 Millionen Kronen.“ Wie zum Beweis zeigt er auf das Ergebnis seiner Rechnung: „Die Subvention betrug also gerade einmal fünf Prozent.“

Den Vorwurf des Interessenkonfliktes als Finanzminister und Agrofert-Inhaber kontert Babiš auf seine ganz eigene Art: „Natürlich gibt es einen Interessenkonflikt. Aber ich bin doch nicht so dumm, das auszunützen. Alles, was ich mache, ist according to the Gesetz, wie sagt man auf Deutsch ...“, wendet er sich an seinen Geschäftsführer Geserick, der sofort einspringt: „Gesetzeskonform!“ Nach zwei Stunden Gespräch, in dem Babiš nicht ein Glas Wasser angerührt hat, hat er es plötzlich eilig. In Tschechien warten schon die nächsten Termine auf den Vizepremier. Und die Autofahrt nach Prag wird einiges an Zeit kosten. Denn die Autobahnzufahrt nach Wittenberg, die Babiš gerne gezahlt hätte, hängt noch immer im Planfeststellungsverfahren, das wohl bis 2021 laufen wird. Alles, das muss auch der Milliardär Andrej Babiš feststellen, lässt sich in der Bundesrepublik eben doch nicht so einfach kaufen.

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