Sie gilt als die größte Herausforderung des Mittelstands – die digitale Revolution. Hinter dem Marketing-Begriff stecken konkrete Projekte, die die Betriebe anpacken müssen.
Da wären zum Beispiel IT-Lösungen zur Fernwartung von Anlagen und Maschinen, intelligente Produktionsanlagen und sich selbst steuernde Prozesse, Verknüpfung von kaufmännischen mit produktionsnahen Systemen oder schlicht modernere Automatisierungslösungen.
Aber wie gut sind mittelständische Fertigungsunternehmen momentan gerüstet, um das immense Potenzial der vierten industriellen Revolution tatsächlich auszuschöpfen?
Umfrage unter 126 Mittelständlern
Für den Innovation Readiness hat das Marktforschungsinstitut Pierre Audoin Consultants (PAC) im Auftrag der Freudenberg IT 126 mittelständische Betriebe gefragt, welche Technologien in ihren Unternehmen bereits im Einsatz oder geplant sind, welche Ansätze sie für interessant und was sie für weniger relevant halten. 36 Prozent der Betriebe stammten aus dem Maschinen- und Anlagenbau, 29 Prozent aus dem Automotive-Bereich und 36 Prozent aus sonstigen Fertigungsbranchen wie etwa der Elektro- und Elektronikindustrie.
Die Ergebnisse im Detail
In der Studie wurde die IT-Durchdringung im industriellen Mittelstand untersucht. Der Innovation Readiness Index wird jedes Jahr von dem Marktforschungsinstitut Pierre Audoin Consultants (PAC) erhoben.
Zum Verständnis: Ein Indexwert von 0 bedeutet, dass alle Befragten die betreffende Technologie für uninteressant halt, ein Index von 10, dass sie bereits bei allen Unternehmen heute im Einsatz ist.
Der Indexwert für Industrie 4.0 stieg deutlich von 6,3 auf 6.6. Der auffälligste Unterschied zur Vorjahresbefragung zeigt sich bei der Haltung der Branche gegenüber dezentral vernetzten, selbststeuernden Fertigungsprozessen: Fast 70 Prozent der befragten Unternehmen haben diese bereits implementiert oder haben Interesse daran. 2013 waren es erst 49 Prozent.
Der Index stieg innerhalb des vergangenen Jahres von 2,8 auf 3,4. Die Einsicht wächst, das vor allem das Private Cloud-Modell für kleiner Unternehmen in frage kommt. Der Anteil derjenigen Unternehmen, die das Private Cloud-Modell für geeignet halten stieg um das dreifache – nämlich von 11 auf 37 Prozent. Allerdings lehnen nach wie vor rund 40 Prozent der befragten Fertigungsunternehmen Cloud Computing grundsätzlich ab.
Hier verharrt der Durchdringungsgrad im fertigenden Mittelstand nach wie vor bei 52 Prozent. Als Haupthemmnisse für die Industrie 4.0-Adaption nannten 27 Prozent der Befragten einen Mangel an Know-how und Ressourcen, 24 Prozent zu hohe Investitionskosten und 23 Prozent das Fehlen verbindlicher Standards für den Datenaustausch in der Fertigung.
Der Index stagnierte auf hohem Niveau: Gegenüber 2013 legte er lediglich um 0,2 Indexpunkte auf 5,8 zu. Inzwischen haben 44 Prozent aller befragten Unternehmen mobile Prozesse etabliert etwa in der Zeiterfassung, Lagerverwaltung oder Produktionssteuerung. Über alle Fertigungsbranchen hinweg erkennt allerdings rund ein Drittel der Befragten noch keinen unmittelbaren Nutzen im Einsatz von mobilen Lösungen zur Effizienzsteigerung in Produktion und Logistik.
Dieser Wert wurde 2014 erstmalig ermittelt und liegt bei erstaunlich hohen 5,9. Das kommt dadurch zustande, dass Auswertungssoftware für große Datenbestände zur Ermittlung kaufmännischer Unternehmenskennzahlen im Controlling schon heute relativ weit verbreitet ist. Bei den Fertigungsprozessen sieht es aber ganz anders aus. Nur 38 Prozent nutzen Datenanalysen bereits zur Echtzeitüberwachung ihrer Produktion, und nur 27 Prozent analysieren ihre Fertigungsdaten im Hinblick auf eine vorausschauende Wartungsoptimierung.
Dem 3D-Druck kommt in der mittelständischen Fertigungsindustrie zwar noch kaum praktische Bedeutung zu, doch schon bald könnten durch diese Technologie signifikante Effizienz- und Kostenvorteile erzielt werden. Diese Aussage stößt bei 23 Prozent der Befragten „voll und ganz“ auf Zustimmung. Weitere 22 Prozent stimmen „eher zu“, während 53 Prozent „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ zustimmen.
80 Prozent nannten die Steigerung der Effizienz und die Reduktion von Kosten. Individuelle Kundenwünsche sehen 68 Prozent (Vorjahr: 59) als „sehr große Herausforderung". Innovationsdruck und kürzere Markteinführungszeiten landet mit 66 Prozent auf Platz 3. Am stärksten ausgeprägt ist der Bedeutungszuwachs des Themas Internationalisierung und Globalisierung: Hier nahm die Angabe „sehr große Herausforderung“ im Vergleich zu 2013 von 40 auf 61 Prozent zu.
Auffallend ist das gute Abschneiden der Automobilzulieferer. Im Bereich Industrie 4.0, wo unter anderem der Einsatz von Automatisierung und intelligenten Maschinen abgefragt wird, haben die Automotive-Betriebe einen klaren Vorsprung. Schon 61 Prozent der Befragten setzten moderne Automatisierungslösungen ein – gegenüber 49 Prozent der befragten Maschinenbauer.
Auch bei sich selbst steuernden Produktionsprozessen liegen die Betriebe aus der Automobilindustrie mit einem Anteil von 17 Prozent derer, die solche Verfahren bereits einsetzen und 22 Prozent, die den Einsatz konkret planen, deutlich vor den Maschinenbauern mit elf und neun Prozent der Nennungen.
Am größten ist der Unterschied beim Thema Energieverbrauch. Während schon 58 Prozent der befragten Automotive-Unternehmen erfassen und bewerten, wie viel Energie sie benötigen, tun dies nur 33 Prozent der Maschinenbauer.
IT Innovation Readiness Index 2014 - Ergebnisse für Industrie 4.0
Automotive | Maschinenbau und Anlagenbau | Sonstige Fertigung | Total | |
% | % | % | % | |
im Einsatz | 61% | 49% | 56% | 55% |
geplant | 14% | 11% | 7% | 10% |
nicht geplant, aber interessant | 14% | 18% | 18% | 17% |
eher uninteressant | 11% | 22% | 13% | 16% |
Weiß nicht/keine Angabe | 0% | 0% | 7% | 2% |
Automotive | Maschinenbau und Anlagenbau | Sonstige Fertigung | Total | |
im Einsatz | 69% | 69% | 67% | 68% |
geplant | 8% | 11% | 16% | 12% |
nicht geplant, aber interessant | 6% | 11% | 13% | 10% |
eher uninteressant | 17% | 9% | 4% | 10% |
Automotive | Maschinenbau und Anlagenbau | Sonstige Fertigung | Total | |
im Einsatz | 69% | 42% | 49% | 52% |
geplant | 3% | 9% | 0% | 4% |
nicht geplant, aber interessant | 17% | 16% | 20% | 17% |
eher uninteressant | 11% | 33% | 31% | 26% |
Automotive | Maschinenbau und Anlagenbau | Sonstige Fertigung | Total | |
im Einsatz | 17% | 11% | 22% | 17% |
geplant | 22% | 9% | 11% | 13% |
nicht geplant, aber interessant | 31% | 44% | 40% | 39% |
eher uninteressant | 28% | 36% | 27% | 30% |
Weiß nicht/keine Angabe | 3% | 0% | 0% | 1% |
Automotive | Maschinenbau und Anlagenbau | Sonstige Fertigung | Total | |
im Einsatz | 72% | 67% | 62% | 67% |
geplant | 6% | 4% | 9% | 6% |
nicht geplant, aber interessant | 14% | 16% | 9% | 13% |
eher uninteressant | 8% | 13% | 18% | 13% |
Weiß nicht/keine Angabe | 0% | 0% | 2% | 1% |
Automotive | Maschinenbau und Anlagenbau | Sonstige Fertigung | Total | |
im Einsatz | 58% | 33% | 44% | 44% |
geplant | 19% | 11% | 18% | 16% |
nicht geplant, aber interessant | 17% | 31% | 20% | 23% |
eher uninteressant | 6% | 22% | 16% | 15% |
Weiß nicht/keine Angabe | 0% | 2% | 2% | 2% |
Automotive | Maschinenbau und Anlagenbau | Sonstige Fertigung | Total | |
im Einsatz | 67% | 69% | 67% | 67% |
geplant | 8% | 4% | 7% | 6% |
nicht geplant, aber interessant | 17% | 16% | 13% | 15% |
eher uninteressant | 8% | 11% | 13% | 11% |
Aber: Der Vorsprung muss nicht von Dauer sein. Beim Thema Cloud-Nutzung haben die Autozulieferer ihre Pole-Position bereits an jene Betriebe aus dem Non-Automotive-Bereich (etwa aus der Elektronikindustrie) abgetreten. Am schwächsten ausgeprägt ist die Cloud-Adaption – wie schon 2013 – im Maschinen- und Anlagenbau.
Horst Reichardt, CEO von Freudenberg IT, warnt davor, die Entwicklung zu verschlafen. Dem Mittelstands mangele es an Vertrauen in Bezug auf die Informationssicherheit und den Datenschutz. Ohne dieses Vertrauen drohe die Transformation von Geschäfts- und Fertigungsprozessen ins Stocken zu geraten – und Deutschland könne den Anschluss an die vierte industrielle Revolution verlieren.
Reichardt sieht die IT-Dienstleister in der Pflicht, für das nötige Vertrauen zu sorgen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Politik und Verbände müssten dagegen nicht nur für ein höheres Tempo beim Ausbau der nationalen Breitbandinfrastruktur sorgen, "sondern auch dafür, dass diese Infrastruktur absolut vertrauenswürdig für deutsche Fertigungsunternehmen ist".