Es scheppert und klappert, dass den Silit-Mitarbeitern nur so die Ohren klingeln. Den Schmerz nehmen sie gern in Kauf. Mit voller Wut schlagen die 600 Männer und Frauen mit Rührlöffeln auf Töpfe, lassen Deckel wie Orchester-Becken gegeneinander krachen. Kein „billiges Klump“ wie man in dem schwäbischen Landstrich sagt, sondern Qualitätsgeschirr von Silit und WMF hält für die Kakophonie her. Auf den Plakaten der Demonstranten steht: „Holt den Kammerjäger, Heuschrecken KKR im Ländle“.
Über 160 Jahre ist die Württembergische Metall Warenfabrik WMF alt. Die meisten kennen sie aus Sammelpunkte-Aktionen der Rewe-Supermärkte. 30 Kleber plus 10 Euro für eine Qualitätspfanne. Ein Schnäppchen. Der Riedlinger Ableger Silit kam in der 50ern dazu. Der Schnellkochtopf der Marke ist zum Gattungsbegriff geworden wie Tempo für Taschentücher.
In den von Streuobstwiesen umsäumten Städtchen am Fuße der schwäbischen Alb ging es bisher ruhig und beschaulich zu. Doch seit einigen Wochen hat man das Gefühl, in einem Sicomat zu stecken. Betriebsräte und Angestellte der Haushaltswarenhersteller stehen kurz vor dem Platzen.
Schließungen sind ein schwerer Schlag
Grund sind die Ankündigungen des WMF-Mehrheitseigentümers KKR. 30 Millionen sollen die Geislinger und ihre Kollegen in Riedlingen, Wertheim und Altensteig pro Jahr einsparen. Die bisher 33 Logistikzentren sollen auf zwei Standorte gebündelt, 50 Filialen geschlossen werden. 100 der 300 Arbeitsplätze in Riedlingen werden gestrichen. Für die strukturschwache 10.000-Seelen-Gemeinde ein Schlag in die Magengrube.
500 Stellen sollen in Geislingen fallen - je nach dem wie man befristet Verträge und ausgelagerte Bereiche der WMF dazurechnet - ist damit rund ein Fünftel der in Geislingen Beschäftigten betroffen. Die Private-Equity-Truppe aus New York hat die langen Messer ausgepackt und schneidet tief ins Fleisch des Traditionshauses. Die Manager nennen die Maßnahmen notwendig für die neue Ausrichtung. "Die Strukturen, die wir heute haben, lähmen uns", verteidigte Feld den Abbau. Die Zahl der Produkte will er von 40 000 auf deutlich unter 25 000 senken: "Wir brauchen nicht noch einen siebten Salzstreuer." Zudem benötigt er anderes Personal, um die asiatischen Wachstumsmärkte besser bearbeiten zu können.
Fakt ist: Investor KKR will den Wert der WMF so schnell wie möglich verdoppeln, um das Unternehmen gewinnbringend wieder zu verkaufen. WMF steckt in keiner Ertragskrise, auch wenn man 2013 etwas weniger Umsatz und Gewinn verbuchte. KKR fehlt schlicht die Zeit, die Strukturen langsam und sozialverträglich zu ändern, so wie es vielleicht ein mittelständischer Familienunternehmen tun würde. Auch die Bonusanreize der WMF-Manager sind darauf ausgelegt, jetzt möglichst schnell, möglichst viel Rendite zu erwirtschaften.
2012 haben sich Kohlberg Kravis Roberts - so der vollständige Name der Finanzinvestoren - in Geislingen eingekauft. Zu der Zeit hatte die WMF bereits mehrere Investoren kommen und gehen sehen. Die Familie Siegle – fast hundert Jahre lang Mehrheitsaktionär der WMF – hatte ihre Anteile 1980 an die Rheinmetall Berlin verkauft, von dort gingen sie an die Helvetic-Gruppe und die Deutsche Bank, Munic Re und Württembergische Versicherungen.
2006 trat die Schweizer Beteiligungsgesellschaft Capvis an Stelle der vier Mehrheitsgesellschafter und teilte sich das Sagen mit der österreichischen Fiba-Gruppe, die bis heute an der WMF beteiligt ist. Im Juli 2012 übernahmen Kohlberg Kravis Roberts & Co die Capvis-Anteile und stockten mit Hilfe weiterer Fiba-Scheine ihren Anteil an den Stammaktien auf 72 Prozent auf.
Was kann man von KKR erwarten?
KKR sind keine Unbekannten. Manche nennen sie Heuschrecken, andere Barbaren oder Haie. Sie kaufen sich bei meist schwächelnden Unternehmen ein, maximieren die Rendite und verkaufen wieder. Die Sanierungsmaßnahmen sind meist hart, haben aber auch manches Unternehmen gerettet. Den Gabelstaplerbauer Kion hat KKR erfolgreich an die Börse gebracht. Anders beim Frankfurter Telefonanlagenbauer Telenorma. Dort hat KKR zwar gewütet, aber nichts bewegt und die Werkstatt-Kette A.T.U haben die Investoren von der Park Avenue - in der Nummer 740, dem Gebäude in dem bereits Rockefeller oder Onassis residierten, wohnt auch Gründer Kravis - in die Fast-Pleite getrieben.
Was kann, was darf man von einem solchen Investor also erwarten? Die Kreissparkasse Göppingen, die KKR einen 150-Millionen-Euro-Kredit für den Einstieg bei der WMF bewilligte, glaubte offenbar an das Gute in Kohlberg, Kravis und Roberts. Eine gewisse Naivität muss man den Vorständen wohl unterstellen. Denn, dass die Investoren früher oder später den Kredit in Form von Schulden auf das Konto der WMF buchen würden und damit sowohl die Eigenkapitalquote als auch die Rendite stark belasten würden, was im Allgemeinen in Sparprogrammen endet, hätte den Finanzexperten bewusst sein müssen. Sie aber hielten KKR für keine Heuschrecke warben sogar damit, dass man als "kleine Sparkasse" auch "groß könne".
So sind deutsche Küchen
1,2 Millionen Küchen werden jährlich in Deutschland verkauft. Und die Hersteller verdienen gut an ihnen. Mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz machte die Branche laut der Arbeitsgemeinschaft Moderne Küche 2013 in Deutschland.
Den Großteil des Umsatzes macht die deutsche Küchenindustrie im Inland: 6,03 Milliarden Euro allein im Jahr 2013 (Vorjahr: 5,95 Mrd). Auch im Ausland kommen die deutschen Küchen gut an: Die Hersteller exportierten zuletzt Waren im Wert von rund 4,01 Milliarden Euro. Laut Branchenkennern entwickelt sich insbesondere China zu einem wichtigen Absatzmarkt, weil moderne Einbauküchen europäischer Prägung dort ein Statussymbol sein.
Laut den Konsumforschern der Gfk legte der Durchschnittspreis für Küchen bei Einrichtungshäusern und dem Küchenfachhandel (ohne Discounter) innerhalb von vier Jahren um mehr als 800 Euro zu. 2009 kostet die Durchschnittsküche 6.429 Euro. 2013 schon 7.243 Euro. Kochbegeisterte geben aber auch 30.000 Euro und mehr für eine Küche aus.
Die Küche läuft dem Auto als Statussymbol den Rang ab. Das hat zumindest eine Umfrage des Zukunftsinstituts im Auftrag von Siemens ergeben. 57 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass ihnen eine "tolle Küche" wichtig ist. Nur 29 Prozent nannten das Auto und noch weniger Hi-Fi-/Videoanlagen (acht Prozent) und Smartphones und Tablets (sieben Prozent).
Der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse, Hariol Teufel, musste sich daher kürzlich auch vor Kreistagsabgeordneten im Verwaltungsrat die Fragen stellen lassen, was man damals denn als „nachhaltiges Engagement“ verstanden habe und wie die zugesagten Standortgarantien beschaffen waren. Die Sitzung war nicht öffentlich. Doch mit dem Vorgang vertraute Personen berichten der WirtschaftsWoche, dass man einen Zeitraum von fünf bis acht Jahren als „nachhaltig“ definiert habe.
Der Eskimo darf seinen Eisberg behalten
Acht Jahre bei einem Unternehmen mit über 160-jähriger Geschichte. Das muss in den Ohren der Mitarbeiter, die teils in zweiter, dritter und sogar vierter Generation bei der WMF arbeiten, wie Hohn klingen. Standort-Garantien soll es – so die Quellen der WirtschaftsWoche – für die Kaffeeautomaten-Sparte gegeben haben. „Das ist so als sagten sie einem Eskimo zu, dass er seinen Eisberg behalten darf“, ätzt einer, der nah am Geschehen ist. Die Kaffeeautomaten, das ist, was die WMF in den vergangen Jahren groß gemacht hat.
Unter WMF-Chef Thorsten Klapproth wuchs das Segment auf einen Umsatzanteil von knapp 30 Prozent. Er war es auch, der mit Prolog, Alfi, Auerhahn, Silit und WMF eine Mehr-Marken-Strategie der Geislinger verfolgte. Dabei ging zugegebenermaßen nicht alles glatt. Der Kauf der Elektro-B-Marken Princess, Petra und Nova floppte. 2013 verkaufte WMF wieder – gekostet hat der Ausflug in die Welt der Billig-Toaster und Wasserkocher rund 20 Millionen Euro.
Von diesem Fauxpas abgesehen florierte WMF unter Klapproths Ägide. 2012 knackten die Topf-Könige die Umsatzmilliarde. Die Umsätze im Ausland schwollen von 38 Prozent im Jahr 2003 auf 48 Prozent 2013.
Chinesen lieben "Made in Germany"
Gerade die Chinesen sind ganz wild aus die Töpfe, Pfannen und Messer „Made in Germany“. Im Reich der Mitte lastet eine 30-prozentige Luxussteuer auf den WMF-Waren. So erklären sich auch die Schwärme chinesischer Touristen, die auf Stippvisite in Deutschland zwischen Schloss Heidelberg und Neuschwanstein einmal kurz in Geislingen an der Steige von der Bundesstraße 10 abbiegen Richtung „Parkplatz Fischhalle“, dem Werksverkauf der Besteck-Meister. Internationalisierung mit Schwerpunkt Asien heißt daher auch die Losung, die WMF-Chef Peter Feld ausgegeben hat.
Der ehemalige Beiersdorf-Manager wurde 2013 für den geschassten Klapproth eingesetzt. Die sieben Rekordjahre, die Klapproth den Schwaben bescherte, waren den neuen Herrschern offenbar nicht genug. Man störte sich vor allem an der Mehrmarkenstrategie und daran, dass die Konkurrenz - etwas Fissler - in Asien deutlich stärker gewachsen war.
Felds Auftrag im Sinne der Investoren heißt nun also „Effizienz“. Daher wird zum Beispiel die hauseigene Galvanik dichtgemacht und die Arbeit ausgelagert. Wo und wann die Galvaniseure einen neuen Job finden? Im knapp 20 Kilometer entfernten Göppingen, dem Stammsitz des Modelleisenbahn-Bauers Märklin, würde man gerne, kann aber nicht helfen. Die WMF-Mitarbeiter hätten mit Sicherheit die Voraussetzung für einen Arbeitsplatz bei Märklin, betont Chef Florian Sieber, allerdings habe man derzeit keinen Bedarf an weiteren Facharbeitern in der Galvanik.
WMF-Chef Feld betont derweil, „sozialverträgliche Lösungen“ finden zu wollen. Alle Maßnahmen, die jetzt umgesetzt würden, hätten nur ein Ziel: „Wir wollen WMF nachhaltig erfolgreich in die Zukunft führen“. Dazu müsse man vorausschauend handeln. Und: „Wir wollen weltweit zur Nummer eins in den Bereichen Tisch und Küche sowie bei professionellen Kaffeemaschinen werden.“ Warum man dann gerade bei einer Marke wie Silit den Rotstift zückt, die mit ihrer einzigartigen Silargan-Keramik für den wachsenden Markt der Induktionsherde wie geschaffen ist, erschließt sich auch Fachleuten nicht.
KKR will Minderheitsaktionäre loswerden
Was KKR will, ist derweil völlig klar. In einem ersten Schritt wollen die Amerikaner die Minderheitsaktionäre aus dem Küchen-Spezialisten drängen. Dafür legte die zur KKR zählende Holdinggesellschaft Finedining Capital ein Angebot von 53 Euro je Vorzugsaktie vor. Das Angebot läuft am 11. August aus.
Gemeinsam mit der Fiba will KKR dann 90 Prozent des Grundkapitals kontrollieren. Dann könnten die Anteile der Minderheitsaktionäre über einen Squeeze-Out, also einen Zwangsausschluss, „gegen eine angemessene Barabfindung“ gekauft werden.
Im zweiten Schritt können die Investoren dann WMF von der Börse nehmen. In einer Mitteilung heißt es: „Die Börsennotierung bietet derzeit keine wesentlichen Vorteile für WMF, sondern nimmt vielmehr in beträchtlichem Umfang Zeit des Managements in Anspruch.“
Mit dem Rückzug von der Börse ginge eine Ära zu Ende. Am 9. September 1887 ging die WMF in Stuttgart aufs Parkett und gilt damit als die älteste württembergische Aktiengesellschaft.
Hardy Hamann von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) warnte die Investoren auf der wohl letzten Hauptversammlung in Stuttgart: "Sie haben keinen Scherbenhaufen angetroffen und sie sollen keinen hinterlassen."