Karriere bei Hidden Champions Durchstarten in der Nische

Welchen Bewerber zieht es schon in die Provinz? Die meisten Absolventen strömen lieber zu Konzernen von Weltrang. Dabei haben die kleinen Weltmarktführer einiges zu bieten – und in der Nische schlummern Traumkarrieren.

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Die 20 innovativsten Mittelständler
Sear GmbH Quelle: Screenshot
Telegärtner Karl Gärtner GmbHDas Technologieunternehmen ist ein Unternehmensverbund mit Sitz in Steinenbronn. Das 1945 gegründete Unternehmen beschäftigt mehr als 450 Mitarbeiter und ist spezialisiert auf Vor- und Endprodukte für die Tele- und Datenkommunikation. Quelle: Screenshot
Jöst GnbH & Co.KGDie Jöst GmbH & Co. KG ist ein inhabergeführtes Unternehmen, das auf dem Gebiet der Schwingungstechnik tätig ist. Hauptsitz der Gruppe ist seit 1990 Dülmen-Buldern im westlichen Münsterland. Quelle: Screenshot
MAJA-Maschinenfabrik Hermann Schill GmbH & Co. KGDer Firma Maja hat bei der Herstellung von Eismaschinen für die Fleischindustrie und den Handel, das Thema der Hygiene aufgegriffen und verbessert, heißt es in einer Mitteilung von Munich Strategy. Durch Änderungen bei der Maschinenkonstruktion lassen sich alle wasserführenden Teile dadurch ausbauen und täglich oder bei Bedarf auch öfter reinigen. Sitz des Unternehmens ist Kehl-Goldscheuer an der französischen Grenze. Quelle: Screenshot
IBAK Helmut Hunger1945 wurde das Unternehmen aus der Technologiebranche als Ingenieurbüro gegründet. Heute ist es Hersteller und Vertreiber von Kanalisationssystemen mit rund 250 Mitarbeitern an den Standorten Kiel und den Zweigstellen in Krefeld, Georgsmarienhütte/Osnabrück und Illerrieden/Ulm. In diesem Jahr wurde zum 66. Geburtstag des Unternehmens eine neue Kundenhalle in Kiel-Wellingdorf eingeweiht Quelle: Screenshot
Galileo Lebensmittel GmbH & Co. KGDas Unternehmen wurde 1993 gegründet und stellt Tiefkühlkost her. Spezialisiert ist es auf Pizzen, Wraps und Crostinis - kurz gesagt auf Produkte der italienischen Küche. Sitz der Gesellschaft ist Trierweiler. Quelle: Screenshot
TECE GmbHAuf Platz 14 des Rankings liegt die Gesellschaft TECE, die Haustechnik-Lösungen national und international fertigt und vertreibt. Die Wurzeln des Unternehmens reichen zurück bis ins Jahr 1955 und ist inhabergeführt. Sitz der TECE GmbH ist Emsdetten in Nordrhein-Westfalen. Quelle: Screenshot

Sie produzieren Seifenblasen für die ganze Welt, Achterbahnen für Disneyland, Rollen von Klinikbetten, machen Wurst mit Gesicht oder kreieren das Silberbesteck fürs Bundeskanzleramt: Deutschlands Hidden Champions. Hoch spezialisierte Mittelständler, die mit ihren Produkten den internationalen Markt beherrschen und in deren Adern Herzblut fließt. „Flink, hungrig und global“, so beschreibt das US-Magazin Businessweek diese deutschen Weltmarktführer, die Milliardenumsätze liefern.

Doch trotz ihres herausragenden wirtschaftlichen Erfolgs sind die rund 1.300 Unternehmen in der Bevölkerung kaum bekannt – mit dramatischen Folgen. Immer mehr dieser „heimlichen Helden“ suchen Hände ringend nach neuem Personal. „Ein häufiger Grund für die Unbekanntheit liegt in der hohen Spezialisierung auf einzelne Produkte“, erklärt Konstantin Janusch, Gründer der Plattform Yourfirm.de, auf der Hidden Champions ihre freien Stellen offerieren können. „Da kommen flächendeckende Werbe- und Anwerbemaßnahmen schon alleine wegen der Unternehmensgröße nicht in Frage“, so Janusch. „Und wenn man eine Firma nicht kennt“, weiß der Unternehmensberater Hermann Simon, „bewirbt man sich auch nicht bei ihr.“

So sind nach den jüngsten Zahlen des Ernst & Young Mittelstandsbarometers 2014 derzeit über 326.000 Stellen unbesetzt. Über 70 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen gaben in der Studie an, dass sie sehr große Probleme dabei haben, gut ausgebildete Mitarbeiter zu finden. Während Global Player täglich mit Lebensläufen, Zeugnissen und Anschreiben überschwemmt werden, können die kleinen Weltmarktführer nicht mit schillerndem Image und bekannten Namen beeindrucken. Sie kämpfen mit ihrer Unbekanntheit.

Auch Klebstoffhersteller Delo aus dem oberbayrischen Windach sucht „wie wild“ nach Ingenieuren, wie Eigentümerin Sabine Herold erzählt. In 80 Prozent aller Chipkarten weltweit stecken die Kleber aus dem Voralpenland, behauptet die Firma, in mindestens der Hälfte aller Handys fänden sich irgendwo Spritzer der zähen Masse von Delo. „Jeder kennt BASF, VW und Porsche, aber Delo nicht unbedingt. Wir sind leider hidden.“ Und so können manchmal zwei Jahre ins Land ziehen, bis eine Stelle mit dem passenden Kandidaten besetzt ist.

Dabei kann sich Delo über einen Mangel an Nachwuchskräften eigentlich nicht beklagen. Pro Jahr gehen bei dem Unternehmen, dass aktuell 410 Mitarbeiter beschäftigt, 8.500 Jobanfragen ein. Herold: „Im Grunde mangelt es uns ja auch nicht an Bewerbungen, sondern an qualitativ hochwertigen Fachkräften im technischen Bereich.“

Ein zusätzliches Manko ist dann oft noch der Firmensitz, fernab von urbanen Metropolen und Ballungsräumen. Rund zwei Drittel der heimlichen Helden, so der Experte Simon, der den Begriff „Hidden Champions“ geprägt hat, haben ihre Zentrale im ländlichen Raum. „Gegenüber großstädtischen Standorten hat die Provinz in den letzten Jahren an Attraktivität verloren.“ Auch der demografische Wandel wird das Problem zukünftig noch deutlich verschärfen.

Geld ködert die Fachkräfte nur begrenzt

Die Folge sind vielfach Umsatzausfälle – etwa weil Aufträge nicht angenommen werden können oder weil weniger produziert wird als verkauft werden könnte. Immerhin jedes neunte Unternehmen beklagt erhebliche Einbußen von mehr als 5 Prozent aufgrund fehlender Fachkräfte. Hochgerechnet summierten sich die Umsatzausfälle im vergangenen Jahr laut Ernst & Young im deutschen Mittelstand auf insgesamt 31 Milliarden Euro.

Dabei warten abseits von ausgetretenen Pfaden gerade in den Nischen des Mittelstands attraktive Karrierechancen. Unternehmen wie der 1923 in Wermelskirchen gegründete Hidden Champion Tente lassen sich einiges einfallen, um auf den Radarschirm der jungen Leute zu kommen.

Schon sei Jahren arbeitet der Marktführer für Rollen an Klinikbetten mit Universitäten und Schulen der Stadt eng zusammen, damit die jungen Talente die Firma auf dem Radar haben. Sogar der Chef höchstpersönlich ist unterwegs und hält dann auch schon mal im Erdkundeunterricht ein Referat zum Thema Globalisierung. „Mein persönliches Ziel ist es, dass jeder Schüler, der mein altes Gymnasium in Wermelskirchen verlässt, in irgendeiner Weise in den acht Jahren mit Tente positiv in Berührung gekommen ist“, erzählt Peter Fricke.

Neben einem dualem Studium und flexiblen Arbeitszeiten können die Tente-Mitarbeiter auch kostenlose Fitness-Kurse in Anspruch nehmen. Auslandsaufenthalte für Azubis in England, Spanien oder Dänemark gehören ebenfalls zum Programm. „Sowas ist eine tolle Erfahrung“, sagt Fricke. „Das spricht sich rum beim Nachwuchs und das haben wir einigen lokalen Mittelständlern voraus. Internationalität ist unsere Trumpfkarte.“

Das gilt auch für den Klebstoffmarktführer Delo. Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr knapp 60 Millionen Euro Erlöse erreicht - zwei Drittel davon stammen aus dem Ausland. Entscheidend ist aber auch, wie die Arbeitsbedingungen aussehen, denn junge Leute überlegen heutzutage ganz gezielt, wem sie ihre Arbeitskraft geben. Mit der Fachkräftelücke wachsen eben auch die Ansprüche der Arbeitnehmer und Geld ködert auf der Suche nach jungen Talenten nur begrenzt.

Und so arbeiten die Mittelständler an ihrer Anziehungskraft. Sabine Herold: „Wir haben Sinn für Familie, punkten mit viel Flexibilität, selbstständigem Arbeiten und unserem netten Team, wo man den Chef nicht nur vom Foto im Intranet, sondern auch durch die persönliche Zusammenarbeit kennt.“ Die Unternehmerin geht auch ungewöhnliche Wege, um für ihre Leute als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. Zehn bis 15 Prozent seiner Arbeitszeit darf daher jeder Mitarbeiter darauf verwenden, sich außerhalb aller konkreten Projekte ganz eigene Gedanken zu machen, „Spinnerzeit“ nennt Herold den Freiraum etwas flapsig. Herold: „Das finden natürlich alle toll.“

Hidden Champions können glücklich machen

Andere versteckte Marktführer wie der Baustoffhersteller Knauf aus Iphofen nehmen sogar richtig Geld in die Hand, um Bewerber anzulocken: „Headhunter sind für uns kein Tabu“, erklärt die Personalverantwortliche Irma Amrehn. „Manchmal braucht es eben seine Zeit, bis eine freie Stelle neu besetzt ist. Aber am Ende steht bei uns Qualität vor Geschwindigkeit.“

Nur in Sachen Gehalt können die Hidden Champions trotz diverser Annehmlichkeiten wie flexiblen Arbeitszeiten, Familiensinn und Weiterbildungsreisen nicht mithalten. „Natürlich können wir uns nicht das leisten, was bei den Großen bezahlt wird. Wir lehnen uns an den geltenden Tarif an und die wirklich Hochqualifizierten werden außer Tarif entlohnt. Trotzdem ist da immer noch mal ein Schippchen drauf bei den Großen“, erklärt die Unternehmerin Sabine Herold.

Aber es gibt noch eine andere, eine positive Seite der Medaille, wie Experte Simon erklärt. „Vergleicht man die Lebenshaltungskosten, so schneiden Großstädte deutlich schlechter ab als ländliche Standorte.“ Er ist überzeugt davon, dass die Hidden Champions nach Berücksichtigung dieser Kaufkraftdifferenz sehr oft besser bezahlen als die in Großstädten wie Berlin, München oder Hamburg ansässigen Konzerne.

Darüber hinaus bieten die mittelständischen Marktführer auch noch ganz andere Vorteile, wie Janusch weiß: „Absolventen können dort meist besonders viel praktische Erfahrung sammeln, schnell Verantwortung übernehmen und sich in breite Aufgabenspektren einarbeiten.“ Und Experte Simon ergänzt: „Die Hidden-Champion-Unternehmen sind überschaubar, oft auf ein Produkt oder eine Kundengruppe fokussiert, gleichzeitig aber sehr international. Da schaffen es selbst Anfänger relativ schnell, das Geschäft zu verstehen. Das ist bei einem diversifizierten Großkonzern unmöglich.“

Wer will und fähig ist, kann also auch schneller Karriere machen als in einem Großunternehmen. Janusch: „Die neuen Chefs steigen oft in die Spitzenposition auf, bevor sie 40 sind. Bei großen Firmen sind die meisten Manager jenseits der 50, wenn sie in die Topposition berufen werden.“

Zwanzig Jahre, so der Experte Hermann Simon, bleiben Chefs der stillen Marktführer im Schnitt an der Spitze ihres Unternehmens. „Bei den großen Konzernen sind es lediglich 6,2 Jahre“. Ähnlich positiv sieht es laut Simon bei der Fluktuationsrate der Mitarbeiter aus: „Sie beträgt bei Hidden Champions 2,7 Prozent pro Jahr, bei großen Unternehmen mehr als 5 Prozent und für Deutschland insgesamt 7,3 Prozent.“

Allerdings kommt nicht für jeden eine Karriere bei einem Hidden Champion in Frage. Im Mittelstand kann man sich schließlich schlecht verstecken. Ein Karrierevorteil für Mitarbeiter, die gute Leistung bringen. Sie können sich sicher sein, dass das auch bemerkt wird. „In Großunternehmen ist das nicht immer so“, sagt Simon. Auch der direkte Zugang zu Entscheidern ist ein weiterer Vorteil. „Derjenige, der richtig aktiv ist und etwas bewegen will, der sagt: Super, ich habe mit der Geschäftsführung Kontakt. Und der andere freut sich darüber halt weniger. Wir suchen eher die erste Kategorie“, sagt Sabine Herold.

„Hidden Champions wollen auch keine gescheiterten Konzernkarrieristen, sondern Mitarbeiter, die mit Persönlichkeit und Fachkompetenz optimal ins Unternehmen passen“, ergänzt Konstantin Janusch. „Denn gerade dem Mittelstand ist es heute mehr denn je bewusst, dass ihr wichtigstes Kapital in den Mitarbeitern liegt.“

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