Kettler, Beate Uhse, Metz & Co. Wie beweglich ist der Mittelstand?

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"Die meisten Projekte sind auch bei erfolgreichen Firmen kein Erfolg"

„Vielen Firmen fehlt es außer der Perspektive auch am richtigen Innovationsmanagement“, weiß Christian Rammer, Projektleiter Internationale Unternehmensführung beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Das Problem: Es herrschen Versuch und Irrtum statt Analyse und Projektmanagement. Rammer ergänzt: „Die meisten Projekte sind auch bei erfolgreichen Firmen kein Erfolg. Deshalb muss man das Scheitern einiger Anläufe von Anfang an mitdenken. Außerdem ist nur erfolgreich, wer seine Forschungskompetenz auch für die Wissenschaft, für Kunden und manchmal auch für Mitbewerber öffnet.“

Hinzu komme, dass Unternehmen ihre interne Organisation beständig an neue Produkte, Prozesse oder Kunden anpassen müssen – das aber häufig ignorierten. „Auch tolle Ideen nützen nichts, wenn es bei einem überraschenden Großauftrag anschließend bei der Qualität oder der Auslieferung klemmt“, sagt Rammer.

Die Führungsriege von Mittelständlern ist zu alt

Mit taufrischen 69 Jahren übernahm beim Fernsehhersteller Metz 1993 Helene Metz, die Witwe des Gründers Paul, die Geschäftsführung. Mit zarten 85 Jahren führte sie in Zirndorf noch immer das Regime, als 2014 der von ihr eingesetzte Geschäftsführer des veralteten Unternehmens den Gang zum Insolvenzgericht Fürth antreten musste. Seit April 2015 nun ist der einstige Technologieführer nur noch eine Außenstelle des chinesischen Skyworth-Konzerns aus Shenzhen. Der chinesische Unterhaltungselektronikkonzern, einer aus den Top Ten weltweit, erkannte das verschlafene Potenzial: Er will Metz als Premiumprodukt updaten.

Für Psychologen und Insolvenzverwalter ist diese Zögerlichkeit bei Innovationen, Internationalisierung und Digitalisierung im Mittelstand Alltag: Die Führungsriege ergraut zu stark. Der Zusammenhang zwischen Alter und Tatkraft ist in Zahlen belegbar. Laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau waren im Jahr 2002 die Führungskräfte des Mittelstands im Schnitt noch 45 Jahre alt, heute sind es 51 Jahre. Damals zählten 20 Prozent der Chefetage mehr als 55 Lenze, heute sind es 36 Prozent. Nur noch ganze zwölf Prozent aller Firmenlenker sind jünger als 40 Jahre.

Christoph Niering ist Vorsitzender des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands und hat als Fachanwalt mehr als 2000 Insolvenzen betreut. Den Kölner wundert nichts mehr: „In der Überalterungsfrage gibt es allen Sonntagsreden zum Trotze kein Umdenken. Die Chefs unterschätzen, dass ihr über Jahrzehnte gewachsenes und erprobtes Netzwerk aus Kunden, Lieferanten und Banken mit ihnen gemeinsam altert. Bewährte Kontakte gehen plötzlich in Rente.“ Oft fänden sie dann nur schlecht Zugang zur Denke deren jüngerer Nachfolger.

Zugleich seien die älteren Chefs laut Niering gefangen in der eigenen Solidität: „Sie binden überdurchschnittlich viel Vermögen in Gewerbeimmobilien und Produktionsmittel. Diese finanziellen Mittel fehlen ihnen dann häufig für die notwendigen Investitionen.“ Die tätigen dann andere, zum Beispiel wie bei Metz chinesische Konzerne auf Einkaufstour.

Junge Chefs investieren mehr ins Unternehmen

Das Alter einer Geschäftsführung allein müsste ja noch kein Grund zur Sorge sein. Doch es korreliert mit dem Investitionsverhalten, einem Gradmesser der Zukunftsfähigkeit. Junge Chefs unter 40 Jahren stecken zu 57 Prozent Geld ins Unternehmen. Die über 60-Jährigen sitzen darauf: Nur noch 37 Prozent investieren. Der KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner warnt: „Die Überalterung findet im Zeitraffer statt. Zudem überstieg bei 78 Prozent der Mittelständler mit älteren Unternehmern der Wertverlust ihres Kapitalstocks zwischen 2004 und 2013 die Neuinvestitionen.“ Diese Chefs verbrauchen also die Substanz ihrer Betriebe, statt sie in neue Produkte, Technologien oder Standorte zu investieren.

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