Kloster Andechs Bizarrer Markenstreit spaltet Andechs

In dem bayrischen Musterdorf tobt ein verbissener Rechtsstreit: Das gleichnamige Kloster fürchtet, von einem Käse- und Molkereikonzern ausgebremst zu werden.

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Kloster Andechs Quelle: Presse

Wer zum Andechser Klosterberg kommt, dem „Heiligen Berg“ der Bayern, erwartet neben leiblichen Genüssen vor allem friedliche Gefühle. Doch seit einigen Jahren ist der Frieden in dem bayrischen Musterdorf, das durch das gleichnamige Benediktinerkloster mit seiner Brauerei zu Weltruhm gelangte, empfindlich gestört.

Grund: Die am Ortsrand ansässige Andechser Molkerei Scheitz wirbt für ihre Biomilchprodukte mit dem Slogan „Andechser Natur“, ursprünglich auch noch mit dem Zusatz „Seit 1908“. Diese Wortkombination hat sich der Mittelständler als Markenzeichen schützen lassen. Das wiederum treibt den Mönchen, die mit dem Spruch „Kloster Andechs – Genuss für Leib & Seele“ für sich und ihre Produkte werben, den heiligen Zorn ins ansonsten entspannte Antlitz.

Die Dissonanz hat sich inzwischen zu einem skurrilen Streit vor Gericht entwickelt, der sich durch ein ganzes Dorf zieht und die ganz Bandbreite des deutschen Markenrechts widerspiegelt. Im Zentrum steht der ebenso simple wie auslegungsfähige Paragraf 1 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, zum „Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb“, so der offizielle Text. Doch davon hat sich die Causa in Andechs längt entfernt. Mit dem Gesetz im Rücken klagten die Mönche gegen die Molkerei, sie möge die „irreführende, wettbewerbswidrige und unlautere Verwendung“ der Klostermarke Andechs unterlassen. Tatsächlich errangen die Geistlichen in erster Instanz vor dem Landgericht München einen Teilsieg: Die Molkerei muss auf das kleine eingekreiste „R“ (für „registered“) hinter Andechs in ihrem Werbeslogan verzichten, darf den Zusatz „Seit 1908“ aber weiterführen.

Entscheidung liegt beim Oberlandesgericht

Damit geben sich die Mönche aber nicht zufrieden: Sie stören sich auch an dem Zusatz „Tradition seit 1908“, den die Molkerei früher auf Butter und Joghurtbecher druckte. In jenem Jahr hatten die Urgroßeltern der heutigen Eigentümer hinter der Dorfkirche von Erling-Andechs eine kleine Käserei gegründet. Nun muss das Oberlandesgericht als nächste Instanz darüber entscheiden, ob die Molkerei weiterhin mit der Jahreszahl werben darf oder ob die eher formaljuristische Argumentation der Mönche gilt: „Diese Tradition ist definitiv nicht nachweisbar“, behauptet Klostersprecher Martin Glaab, „die Gründung der Andechser Molkerei Scheitz erfolgte laut Handelsregister-Eintrag im Jahr 1980.“

Glaab hat den undankbaren Job, die für Außenstehende ebenso knallharte wie kleinkarierte Linie des Klosters nach außen vertreten zu müssen: Abt Johannes Eckert wie auch der Andechser Prior und Cellerar Valentin Ziegler halten sich bedeckt. Möglicherweise, weil der Abt verhindern will, als Streithansl in die Klosterannalen einzugehen. Den Ruf hatte sich der geistige Oberhirte der Andechser Benediktiner Mönche nach mehreren Prozessen um die Hinterlassenschaft des früheren Priors und Cellerars Anselm Bilgri erworben. Bilgri hatte die Klosterbetriebe erfolgreich geführt, war 2003 wegen Differenzen mit Eckert aber nach 30 Jahren aus dem Konvent ausgetreten und gilt dort seither als Persona non grata.

Der Andechser Logo-Streit um die Markenrechte für die beiden bayrischen Grundnahrungsmittel Bier und Milch spaltet mittlerweile die 3300-Seelen-Gemeinde in zwei Lager, denn die Klosterbetriebe einerseits und die Molkerei andererseits sind die beiden größten Arbeitgeber am Ort.

Brauerei und Klostergastronomie beschäftigen 220 Mitarbeiter und bewirten jährlich mehr als eine Million Pilger und Touristen mit Bier und deftiger Kost. Über den Umsatz schweigen sich die Mönche aus, Experten schätzen ihn auf einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Die Molkerei setzt mit ihren Biomilchprodukten mehr als 120 Millionen Euro um – bei jährlich zweistelligen Zuwachsraten – und gibt 190 Beschäftigten Arbeit. Die Andechser Bürgermeisterin Anna-Elisabeth Neppel mag keine Partei ergreifen. „Wir sind ja froh, hier zwei erfolgreiche Arbeitgeber zu haben“, sagt die Freie-Wähler-Politikerin, „aber noch schöner wäre es, die beiden würden sich wieder vertragen, wie früher.“

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