Ledvance, Hauck & Aufhäuser, KraussMaffei Wie geht es den Mittelständlern, die von Chinesen geschluckt wurden?

Der Aufschrei war groß, als Ledvance, Hauck & Aufhäuser und KraussMaffei vor einigen Monaten in die Hand von Chinesen übergingen. Die Erfahrungen der Chefs sind durchwegs positiv, wie ein Dreier-Gespräch zeigt.

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Hauck & Aufhäuser-CEO Stephan Rupprecht, KraussMaffei-Chef Frank Stieler und Ledvance-CEO Jes Munk Hansen (v. l. n. r.). Quelle: Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche

Nie zuvor haben Chinesen so viel Geld ausgegeben, um sich an deutschen Firmen zu beteiligen: Mehr als zehn Milliarden Euro waren es allein im vergangenen Jahr. Einer der aufsehenerregendsten Deals war der Verkauf von Ledvance. Der Lichttechnikkonzern Osram hat den Lampenhersteller im Frühjahr für 500 Millionen Euro an das chinesische Unternehmen MLS verkauft. Kurz nachdem Osram den Verkauf angekündigt hatte, wurde bekannt, dass Osram selbst im Visier der Chinesen war, ein Unternehmen mit immerhin 17.000 Patenten.

Als eine Debatte über den drohenden Ausverkauf deutscher Unternehmen ausbrach, stoppte das Wirtschaftsministerium den Ledvance-Verkauf vorläufig. Erst im Januar genehmigten die Behörden den Eigentümerwechsel. Zäh lief auch der Verkauf der Privatbank Hauck & Aufhäuser, der zur gleichen Zeit stattfand. Eineinhalb Jahre dauerte der Prozess.

Das war nicht immer so schwierig: Der Maschinenbauer KraussMaffei etwa ging, ohne dass Einwände laut geworden wären, 2016 an den Chemiekonzern ChemChina.

Die Gesprächspartner

WirtschaftsWoche: Herr Hansen, vor einigen Monaten wurde Ledvance von einem chinesischen Unternehmen übernommen. Will China sich so an die Mutter Osram mit ihrer weltbekannten Marke und den Patenten heranpirschen?
Hansen: Davon kann keine Rede sein. Nicht die Chinesen haben uns ins Visier genommen, sondern wir waren es, die aktiv auf der Suche nach einem neuen Eigentümer waren und das Konsortium ausgesucht haben, in dem MLS einer von drei Partnern ist.

Was wollen die Chinesen denn mit Ledvance, einem Hersteller von Glühbirnen und Leuchtstoffröhren? Das ist doch Old Economy.
Hansen: Der Anteil von LED-Produkten an unserem Umsatz liegt bei rund einem Drittel und wächst kontinuierlich. Noch wichtiger für die Chinesen sind aber unsere Marken, der starke Marktzugang in Europa und Amerika, unser Vertriebs- und Logistiknetzwerk, die IT-Systeme und auch unser Know-how, wie man eine Firma global führt. Bei uns geht es um Allgemeinbeleuchtung, nicht um Hightech. Die anfänglichen Bedenken des deutschen Wirtschaftsministeriums waren deshalb unbegründet.

Übernahmen chinesischer Firmen in Deutschland

Herr Rupprecht, bei Ledvance hat das Wirtschaftsministerium erst nach monatelanger Prüfung einem Verkauf zugestimmt. War das bei Hauck & Aufhäuser auch so nervenaufreibend?
Rupprecht: Bei Banken werden Übernahmen immer besonders streng geprüft. Da müssen sogar die chinesischen Manager polizeiliche Führungszeugnisse vorlegen. Das Unternehmen Fosun, das uns gekauft hat, hat alle diese Anforderungen erfüllt.

Hatten Sie den Eindruck, dass die Finanzaufsicht chinesische Investoren besonders streng prüft?
Rupprecht: Die Strenge der Europäischen Zentralbank, aber auch der Bundesbank oder der Finanzaufsicht BaFin gilt für alle Banken, unabhängig von der Herkunft der Eigentümer.

„Kaum einer stört sich an arabischen Staatsfonds“

Herr Stieler, deutsche Politiker sorgen sich angesichts der Vielzahl an Unternehmen, die zuletzt von Chinesen übernommen wurden, dass der chinesische Staat hierzulande zu viel Einfluss bekommt. Brauchen wir ein Gesetz, das uns davor schützt?
Stieler: Ein solches Gesetz gibt es schon. Danach kann der Staat eingreifen, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik bedroht ist, etwa, wenn Rüstungsunternehmen an ausländische Unternehmen verkauft werden sollen. Grundsätzliche Ablehnung finde ich aber eher unangebracht. Schauen Sie mal auf die börsennotierten Firmen. Kaum einer stört sich daran, dass viele ausländische Investoren, etwa Staatsfonds aus dem arabischen Raum, Anteile an den größten deutschen Unternehmen halten. Es hat für diese Unternehmen ja auch keine Nachteile.

Nicht nur das Bundeswirtschaftsministerium, auch Teile der Bevölkerung fürchten einen Ausverkauf des Technologiestandorts Deutschland an China.
Hansen: Chinesische Unternehmen und Fonds investieren in Deutschland doch nur einen Bruchteil dessen, was beispielsweise Amerikaner oder Franzosen hier investieren. Wir müssen lernen, auf allen Ebenen mit den Chinesen zusammenzuarbeiten. Die Zeiten, in denen wir in China nur Fabriken bauen, um dort billig zu produzieren, sind vorbei.

Die chinesische Regierung hat einen Plan mit dem Namen Made in China 2025. Dort steht, in welchen Hochtechnologiebranchen Unternehmen im Westen gekauft werden sollen. Die Sorge vor einem Ausverkauf der deutschen Wirtschaft ist doch begründet.
Stieler: China hat zuallererst ein großes Interesse daran, sein Verhältnis zu Deutschland positiv zu gestalten. Ich erwarte deshalb, dass die Chinesen auf die Bedenken, die in Deutschland in den vergangenen Monaten laut geworden sind, reagieren werden. Dazu kommt, dass es in Deutschland meines Wissens nach kein Beispiel dafür gibt, wo in letzter Zeit die Übernahme durch einen chinesischen Investor für das Unternehmen nachteilig war. Überall wurden Mitarbeiter eingestellt, so auch bei uns. Wir werden im kommenden Jahr über 20 Prozent mehr investieren als 2016.

Die nächsten 15 Giganten aus China

Was glauben Sie denn, wie die Chinesen auf die Kritik reagieren werden?
Stieler: Sie werden ihr eigenes Land für Investoren aus dem Ausland weiter Zug um Zug öffnen. Davon bin ich überzeugt. Die chinesische Regierung hat meines Erachtens erkannt, dass sie die Wirtschaft ihres Landes nur weiterentwickeln kann, wenn sie mit anderen Ländern kooperiert.

China entwickelt, anders als der Westen, neue Technologien nicht in mühsamer Arbeit selbst, sondern kauft sie sich einfach bei uns. Ein bestechendes Konzept, oder?
Stieler: Es reicht nicht, Technologien zu kaufen. Um diese in einen Geschäftserfolg zu übersetzen, braucht es erfahrene Manager und Mitarbeiter. Daher ist eine gute Kooperation mit den Managern der übernommenen Unternehmen entscheidend. Dabei muss der Eigentümer zuhören, wenn das Unternehmen erklärt, wie das Geschäft funktioniert. Das ist übrigens eine Art von Demut, die man im Westen selten findet.

Wie äußert sich die Demut konkret?
Stieler: Unsere chinesischen Eigentümer haben nicht den Anspruch, besser zu wissen, wie wir erfolgreich sind. Sie wollen von uns lernen, und zwar nicht nur bei der Technologie. Sie wollen von uns wissen, wie man ein internationales Unternehmen organisiert und wie man gegenüber Kunden auftritt, um weltweit erfolgreich zu sein.

„Chinesische Kunden kaufen viel mehr von uns“

Helfen Sie Ihrem Eigentümer ChemChina auch in der chinesischen Heimat?
Stieler: ChemChina möchte, dass wir helfen, einige ihrer Werke auf ein deutlich höheres Qualitätsniveau zu bringen und damit die Produkte international wettbewerbsfähig zu machen. Dahinter steckt, dass Chinas Regierung chinesische Staatsunternehmen so weiterentwickeln will, dass sie dauerhaft wachsen können.

In der Vergangenheit haben chinesische Investoren oft Probleme mit der deutschen Mitbestimmung und den Arbeitnehmerrechten gehabt. Hat sich das geändert?
Stieler: Wir haben bei uns im Unternehmen einen paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat. Sowohl die IG Metall als auch der Betriebsrat fühlen sich bei uns ausgesprochen wohl mit den Vertretern des chinesischen Eigentümers.

Rupprecht: Natürlich denkt man bei einer Übernahme darüber nach, was das für die Belegschaft bedeutet. Wir wurden aber positiv überrascht, wie unsere Mitarbeiter den Einstieg beurteilt haben. Die Kolleginnen und Kollegen haben eine zukunftsträchtige Perspektive gesehen.

Herr Hansen, eine der größten Ledvance-Fabriken für Leuchtstoffröhren und Glühlampen steht in Augsburg. Ist der Standort nach der Übernahme durch MLS gefährdet?
Hansen: Der Standort in Augsburg ist in den letzten Jahren geschrumpft. Das hat mit dem Wandel von klassischen Technologien wie der Leuchtstofflampe hin zu LED-Lampen zu tun. Wir nehmen dort aber in Kürze eine Produktionslinie für LED-Röhren in Betrieb.

Herr Rupprecht, was hat Fosun mit einer deutschen Bank vor?
Rupprecht: Die Chinesen wollen einen Zugang zur Finanzindustrie in Europa. Deshalb will unser Eigentümer gemeinsam mit uns nach weiteren Übernahmeobjekten in Europa suchen. Wir haben bereits die Luxemburger Tochter der Privatbank Sal. Oppenheim übernommen. Weitere sollen folgen.

Werden Unternehmen von Chinesen übernommen, behaupten die Chefs gerne, sie könnten jetzt viel mehr Geschäft in China machen. Ist das so?
Rupprecht: Ich bin mir sicher, dass Hauck & Aufhäuser nun einen viel besseren Zugang zu Kunden in Asien bekommt, vor allem in China. Die Vermögensverwaltungen sind unterentwickelt. Dort können wir stark wachsen.

von Matthias Kamp, Anke Henrich, Christian Ramthun, Lea Deuber

In kaum einem Land ist es für Ausländer so schwierig, Geschäft zu machen, wie in China. Wie soll das gehen?
Rupprecht: Ausländische Banken sollten in China in der Tat sehr umsichtig vorgehen und sich die Lizenzierungsverfahren und Vorschriften genau ansehen. Da hilft lokale Expertise. Die haben wir mit Fosun jetzt.

Und KraussMaffei will jetzt auch viel mehr in China verkaufen?
Stieler: Das ist bereits der Fall. Chinesische Kunden kaufen viel mehr von uns, seit wir zu ChemChina gehören. Wir wachsen dort gerade dreimal so stark wie im Rest der Welt. Vorher hat ein chinesischer Kunde nur bei uns gekauft, wenn er nicht anders konnte.

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