LKW-Raub So jagen Diebesbanden auf Autobahnen nach Beute

Auf deutschen Autobahnen räumen berufsmäßige Banden ganze Lkw-Anhänger leer und brechen Container auf. Frachtdiebstahl wird mehr und mehr zum Problem. Und den Spediteuren bleibt oft nur die Selbsthilfe.

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Räuber überfallen LKWs auf Autobahnen Quelle: Getty Images

Der Lkw fährt Tempo 100, trotzdem hält das Auto hinter ihm nur wenige Zentimeter Abstand. Unmöglich, dass der Fahrer die Verfolger noch in seinen Seitenspiegeln sehen kann. Dann öffnet das Auto das Verdeck, eine schwarze Gestalt klettert heraus. Sie kriecht über die Windschutzscheibe Richtung Lkw, öffnet die Hecktüren, während die Autos mit gleichbleibender Geschwindigkeit die Autobahn entlangrauschen.

Das Video könnte aus dem Actionfilm „The Fast and the Furious“ stammen, wäre die Aufnahme nicht grauweiß und verschwommen. Tatsächlich soll die rumänische Polizei den riskanten Stunt mit einer Nachtsichtkamera gefilmt haben.

In Deutschland verbreitete sich das Video schnell, als sich vor zwei Jahren in Nordrhein-Westfalen entlang der Autobahn A 1 ähnliche Überfälle häuften. Mehr als 50 Mal versuchten die Täter, bei voller Fahrt in die Lastwagen einzudringen. Sie erbeuteten Handys, Laptops und andere Elektronikartikel im Gesamtwert von über 250 000 Euro.

Professionelle Räuber

So spektakulär die Raubangriffe bei voller Fahrt auch wirken, so dilettantisch sind sie letztlich auch. Der Großteil der Diebe auf Deutschlands Autobahnen und Rastplätzen arbeitet stiller, effizienter – und in viel größeren Dimensionen. Oft völlig unbemerkt von Fahrern und Polizei, räumen berufsmäßige Banden Lkw-Anhänger leer und brechen Container auf. Sie betäuben die Männer in der Fahrerkabine, indem sie Gas durch die Lüftung in das Fahrzeug leiten. Sie fälschen Dokumente, stehlen Daten oder schleusen sich in die Transportfirmen ein – in großem Stil.

„Deutschland hat in den vergangenen Jahren einen Spitzenplatz beim Thema Frachtdiebstahl eingenommen“, sagt Thorsten Neumann, Vorsitzender der Transported Asset Protection Association (Tapa). Die Organisation mit Sitz im niederländischen Amstelveen will Ladungsdiebstähle verhindern. Deshalb trägt sie Daten über das Ausmaß der Frachtkriminalität zusammen.

Die Zahlen sind beängstigend. In Deutschland zählte Tapa im vergangenen Jahr 285 Fälle, knapp 43 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei dürfte die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher liegen.

Das Beispiel Frachtdiebstahl zeigt damit viele der Probleme auf, mit denen Mittelständler in Deutschland beim Thema Wirtschaftskriminalität konfrontiert sind. Die Banden arbeiten sehr effektiv – im Gegensatz zu deutschen Ermittlern und vielen Mittelständlern, die sich nur unzureichend gegen die Angriffe schützen.

Diebstähle von Lkw-Ladungen in Deutschland (zum Vergrößern bitte anklicken)

Wie viel Schaden die Langfinger anrichten, lässt sich aktuell nur schwer schätzen. Die letzte Studie der EU stammt aus dem Jahr 2007, neuere Zahlen gibt es nicht. Demnach summierte sich der Schaden durch Frachtdiebstahl in Deutschland damals auf 1,5 Milliarden Euro, europaweit waren es sogar 8,5 Milliarden Euro. Auch die Polizei hat keinen genauen Überblick. „Transportkriminalität wird in Deutschland nicht einmal zentral erfasst“, sagt Tapa-Chef Neumann.

Dabei reicht die wirtschaftliche Dimension weit über ein paar geklaute Handys hinaus. Immer wieder entwenden die Banden auch Ersatzteile und Rohstoffe. Damit gefährden sie die eng getakteten Lieferketten des produzierenden Gewerbes. Die fehlenden Elektromotoren oder Kupferkabel legen schnell Fließbänder oder ganze Fabriken still.

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