Luxus made in Germany Mehr Uhr braucht der Mann

Für hochwertige Uhren gibt Mann auch gerne mal mehr Geld aus. Doch wie viel Glanz ist gefragt und passend? Junghans-Chef Matthias Stotz und Claudia Wellendorff vom gleichnamigen Schmucklabel über Trends und Innovationen.

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Junhans-Chef-Matthias-Stotz-und-Claudia-Wellendorff Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Schramberg im Schwarzwald. Unternehmenssitz von Junghans, einst größter Uhrenhersteller der Welt. 1903 war das, heute wirkt das riesige Firmengelände verwaist, der düstere Schwarzwald drumherum trägt seinen Teil zur morbiden Szenerie bei. Die knapp 124 übrig gebliebenen Mitarbeiter finden in einem einzigen Gebäude Platz. Doch es wird wieder gebaut. Der berühmte Terrassenbau, eine industrielle Architektur-Ikone, wird nach einem Vierteljahrhundert Leerstand zum Museum umfunktioniert. Das darf sich Schmuckherstellerin Claudia Wellendorff, die aus dem nahen Pforzheim angereist ist, gleich anschauen. Nach der Privatführung nehmen beide im verglasten Gesprächsraum, umgeben von Uhrenwerkstätten, Platz.

Die beliebtesten Uhren

WirtschaftsWoche: Frau Wellendorff, Herr Stotz, Sie beide schreiben sich deutsche Wertarbeit auf die Fahnen, dabei agieren Sie in völlig unterschiedlichen Preisklassen. Geht das?

Matthias Stotz: Junghans baut seit 1861 Uhren, die sich jeder leisten kann. Im Schwarzwald wurden damals vor allem Holzräderuhren gebaut, doch aus Amerika drohte Konkurrenz durch die ersten industriell gefertigten Uhren. Um dagegenzuhalten, begannen Erhard Junghans und sein Schwager industrielle Uhren zu bauen.

In einer Junghans-Uhr steckt also gar kein Handwerk mehr?

Stotz: Es steckt auch heute noch in jeder Uhr viel Handarbeit. Junghans war immer ein Unternehmen, das handwerkliche Tätigkeiten industriell übersetzt hat. Noch heute werden unsere Uhren von Hand gezeichnet, montiert und geprüft – auch bei unseren Einstiegsmodellen für rund 300 Euro.

Claudia Wellendorff: Unsere Philosophie ist eine etwas andere. Der Urgroßvater meines Mannes hat uns folgenden Leitspruch mitgegeben: Wenn du Erfolg haben willst, nimm nur die besten Materialien, die besten Spezialisten und statte sie mit den besten Werkzeugen aus. Nur dann bekommst du auch den besten Schmuck. Wir gehen in die Tiefe statt in die Breite. Pro Tag stellen wir nur 30 bis 40 Schmuckstücke her.

Stotz: Bei uns sind es heute wieder 60 000 im Jahr. Und das ist wenig im Vergleich zu früher: Da hatten wir 9000 Uhren pro Tag.

Die Neuheiten der Uhrenmesse
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Damals, als Junghans noch größter Uhrenhersteller der Welt war. Wollen Sie dahin zurück?

Stotz: Nahezu jedes Unternehmen wünscht sich doch, erfolgreich zu sein, und wir wollen auch weiter wachsen, aber die Zeit ist heute eine andere und unsere Produkte auch.

Misst sich Erfolg also an der Größe?

Wellendorff: Nein. Wir haben uns vor ein paar Jahren zusammengesetzt und uns gefragt: Wie sieht Wachstum bei Wellendorff aus? Wir kamen zu dem Ergebnis, dass Wellendorff dauerhaft in Familienhand bleiben soll. Und je größer ein Unternehmen wird, desto größer wird die Organisation und desto mehr Managementebenen müssen eingezogen werden. Das wollen wir nicht. Wir wollen den familiären Charakter zu unseren Mitarbeitern und unseren Kunden nicht verlieren.

Kann man in Ihrer Branche denn wirklich mit Made in Germany werben? Bei Autos und im Maschinenbau klingt das logisch, aber bei Luxus?

Stotz: Ja, für uns ist das ganz entscheidend. 1961 waren wir in über 100 Ländern vertreten, heute sind es knapp 30. Gerade jetzt, wo wir kleiner sind, ist die Herkunft und das damit einhergehende Qualitätsversprechen ein entscheidendes Verkaufsargument. Anders als die Schweizer Produkte stehen die deutschen Uhren dabei nicht nur für technische Qualität, sondern auch für ein besonders klares Design. Die reduzierte, funktionale Formensprache, die deutsche Architekten im Bau und Interieur groß gemacht haben, für die stehen auch unsere klassischen, schlichten Uhren.

„Die Uhr ist das einzige Schmuckstück des Mannes!“

Okay, deutsches Tüftlertum. Aber bei Schmuck?

Wellendorff: Das passt wunderbar. Deutsche Produkte stehen für Zuverlässigkeit und Perfektion. Mein Mann arbeitet jeden Tag mit Goldschmieden, Werkzeugmachern und Fassern daran, den perfekten Schmuck herzustellen. Wenn wir etwas auf den Markt bringen, haben wir es lange getestet, so wie etwa unsere Armbandschließe, die 40.000-mal geöffnet und geschlossen wurde. Da haben unsere Kunden ein Leben lang Freude dran.

Und solch praktische Erwägungen treiben auch außerhalb des Schwarzwaldes Schmuckkäufer an?

Wellendorff: Absolut. Unsere Schmuckstücke werden in den USA genauso gut gekauft wie in China und Japan. Die Kunden dort mögen es leise und zurückhaltender.

Für was entscheidet sich denn der deutsche Mann heute?

Stotz: Unsere Kunden mögen die klassischen Meister- und die reduzierten Max-Bill-Modelle. Am meisten verkaufen wir Uhren aus Edelstahl. Aber es hängt auch stark von der Berufsgruppe ab. Fotografen, Architekten und Werber bevorzugen die Max Bill. Diese Uhr lebt von dem Motto: Schlichter geht nicht. Das ist auch deutsches Design, mag aber nicht jeder.

Kaufen auch Männer Ihren Schmuck?

Wellendorff: Was mich überrascht: In den USA und China fragen vermehrt Männer unsere Schmuckstücke nach. Und zwar vor allem extravagante Designs. Farbige Ringe, in denen Brillanten eingefasst sind. Aber auch in Deutschland spüren wir eine Nachfrage. Deshalb haben wir jetzt mit einer kleinen Männerlinie angefangen. Der Mann schmückt sich generell mehr als früher.

Stotz: Da arbeiten Sie ja gegen uns … (lacht)

Wellendorff: Diese Schmuckstücke passen wunderbar zur Uhr.

Stotz: Aber wir behaupten immer: Die Uhr ist das einzige Schmuckstück des Mannes!

Wellendorff: Auch der Mann entwickelt sich weiter ...

Stotz: Das merken wir auch, die Geschlechtertrennung hebt sich immer mehr auf. Vor ein paar Jahren noch waren unsere Damenuhren immer sehr klein und unsere Herrenuhren immer sehr groß. Das ist nicht mehr so. Manche Herrenuhr wird genauso häufig von Frauen gekauft.

Macht es das leichter oder schwerer? Auf der einen Seite öffnet es einen Markt, aber für die Designer ist es schwerer.

Stotz: Absolut. Deshalb kaufen so viele Frauen eben Männeruhren. Viele Uhrenhersteller rechnen das Männermodell einfach kleiner und meinen: Das ist jetzt die Variante für Frauen. Nur ist das meistens nicht so richtig hübsch. Das führt dazu, dass Frauen einfach die schönere Uhr kaufen – auch wenn diese eigentlich für Männer ist.

Wellendorff: Klar, Männer haben oft einen anderen Fokus, das merke ich auch bei unseren männlichen Designern. Nehmen wir zum Beispiel das Gewicht eines Ohrringes, der kann noch so schön sein, wenn er zu schwer ist , wird er nicht gekauft. Daher trage ich die meisten unserer Schmuckstücke Probe.

Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Birgt Ihre Konzentration auf eine spitze Zielgruppe eigentlich ein Risiko? Wenn in einem kleinen Sortiment ein Flop dabei ist, hat das doch böse Folgen.

Wellendorff: Wir umgehen dieses Risiko, indem wir unsere Kollektionen eher evolutionär, in kleinen Schritten, weiterentwickeln. Zum Beispiel verändern wir nur einzelne Farben oder Motive. Es gibt viele Wellendorff-Klassiker, die wir seit Jahrzehnten in unserer Kollektion haben und immer nur minimal verändern. Wir nehmen uns Zeit! Luxus hat immer etwas mit Zeit zu tun.

Und das machen die Kunden mit?

Wellendorff: Unsere Kunden haben sich auf diesen Rhythmus eingestellt. Sie wissen, dass nur einmal im Jahr eine kleine Kollektion rauskommt. Aber sie wissen eben auch, dass sie ein zeitloses Schmuckstück bekommen.

Aber wie entstehen Innovationen, wenn Sie zum einen das Risiko scheuen und zum anderen noch in der Provinz sitzen, weit weg von der Avantgarde?

Stotz: Wir ziehen viel Inspiration aus unserer Geschichte. Unser erfolgreichstes Design heute stammt aus dem Jahr 1961, die Max-Bill-Uhr. Unsere Historie ist ein echter Schatz, aber wir müssen das Design immer auch auf die heutige Zeit übertragen.

Dass Junghans noch einmal technische Innovationen hervorbringen kann, scheinen Sie nicht zu glauben.

Stotz: Es gibt ja Innovationen, wie man an der Smartwatch sieht. Aber die gehen meist nicht mehr von den Uhrenherstellern aus, sondern werden allenfalls von ihnen umgesetzt. Worauf wir jetzt stärker setzen, ist die Gestaltung der Uhr. Mit einer Junghans können sich viele identifizieren. Sie ist schön, aber eben auch bodenständig.

„Die Gesamtkomposition ist ein Genuss“

Wo kommen denn bei Ihnen die Ideen her, Frau Wellendorff?

Wellendorff: Unsere Ideen entstehen vor allem bei der Begegnung mit unseren Kunden und Mitarbeitern. Nehmen Sie etwa unsere Jahresringe-Linie, das fing 1997 an. Damals kam aus Hongkong der Wunsch nach einem besonderen Schmuckstück anlässlich der Übergabe der Kronkolonie an China. Wir entwarfen den Hongkong-Ring, den unsere Kunden auch nur dort kaufen konnten. Außerdem gab es nur 97 Exemplare. Das darauffolgende Jahr war das Jahr des Tigers, und passend dazu brachten wir den Tigerring auf den Markt, dieses Mal weltweit zu kaufen, aber ebenfalls limitiert, auf 98 Stück. Heute sind die Jahresringe die begehrtesten Sammlerstücke.

Bei der Digitalisierung hingegen verweigern Sie sich beide – weder Junghans noch Wellendorff haben einen Onlineshop.

Wellendorff: Wir haben eine zeitgemäße Website und nutzen soziale Medien. Es ist für uns eine Möglichkeit, mit den Kunden zu kommunizieren. Wir handeln mit einem sehr emotionalen Gut, das man anfassen will, das steht im Gegensatz zur digitalen Welt.

Stotz: Der beste Ort, um eine Uhr zu kaufen, ist immer noch der Händler. Die digitale Welt gehört dazu, man kann sich davon nicht fernhalten und muss diese weiter ausbauen. Wir nutzen diese Kanäle ebenfalls fürs Marketing.

Heißt das, dass auch digitale Produkte keine Rolle spielen werden?

Wellendorff: Wir haben in unserem kleinen Firmenmuseum ein altes Etruskerschwert, über 2600 Jahre alt. Ein Smartphone hält dagegen höchstens zwei Jahre. Das ist nicht die Dimension, in der wir über Produkte nachdenken. Wir wollen Langlebiges schaffen.

Teilen Sie diese Fortschrittsskepsis?

Stotz: Junghans steht da in einer anderen Tradition. Ich trage immer zwei Uhren, einen Designklassiker und eine Retro-Smartwatch. Diese Uhr haben wir Ende der Neunzigerjahre entwickelt. Sie hat Funkuhrwerk, ein Solarziffernblatt und einen Transponderchip, mit dem ich bei Junghans Türen öffne und mein Mittagessen zahle. Wir waren Innovationsführer, als keiner diese Produkte wollte. Die Tradition für technische Innovationen gibt es also durchaus. Heute fehlt uns der direkte Marktzugang — den haben die großen Digitalkonzerne.

Im besten Falle bauen Sie also noch die Teile ein, die andere erfinden?

Stotz: Mit der Rolle werden wir uns nicht zufriedengeben. Aber wir sind offen für Partnerschaften. Wenn wir eine Uhr gestalten können, die aussieht wie eine Junghans, aber so viel kann wie eine Apple Watch — das wäre schon grandios. Derzeit geht der Trend aber in eine andere Richtung: Die Smartwatch wird immer günstiger und daher perspektivisch eher in Niedriglohnländern gefertigt.

Apropos Trends — reagieren Sie darauf?

Wellendorff: Was heute in ist, kann auch morgen wieder out sein. Dieses Spiel wollen wir nicht spielen. Wir wollen Klassiker kreieren.

Wie erkennt man denn einen solchen?

Stotz: Da müssen Sie nur in unseren Katalog gucken (lacht). Nein, das ist natürlich schwer. Als Max Bill seine Uhr entworfen hat, war die nicht halb so erfolgreich wie heute. Er war seiner Zeit einfach voraus.

Zu den Interviewpartnern

Wie häufig mit Klassikern in der Literatur ...

Stotz: Wenn ich mit unseren Designern über neue Uhren spreche, frage ich mich immer: Was sagt mir diese Uhr? Möchte ich sie selbst gerne tragen? Für was steht die? Ich glaube, das ist ganz wichtig. Das schafft man aber nur, wenn man über jedes Detail, jeden Strich, jede Zeigerstärke diskutiert. Es ist wie bei einem guten Essen im Lokal: Da lassen sich die einzelnen Komponenten oft nicht erkennen, aber die Gesamtkomposition ist ein Genuss.

Aber es gilt doch den eigenen Geschmack zu überlisten. Vieles von dem, was ich vor fünf Jahren mochte, würde ich mir heute nicht mehr kaufen.

Wellendorff: Sie bewerten nur das Design, ein Schmuckstück ist aber mehr. Am Ende zählt doch das Gefühl. Ihren Ehering etwa, der wird Sie immer an diesen besonderen Moment mit Ihrer Frau erinnern.

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