Männer-Shampoo Alpecin - Von der Altherrenmarke zum Doping für die Haare

Männer mögen, wenn einer sagt, was Sache ist: "Haarausfall ist unschön, also tu was dagegen". So wurde Alpecin-Mann Dr. Klenk zum Werbestar und das Coffein-Shampoo zum Marktführer. Jetzt geht Alpecin nach Asien.

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Diese Herren wissen um die wunden Punkte der Männer: Manager Carsten Heins, Eduard R. Dörrenberg und Christoph Harras-Wolff leiten die Geschäfte der Dr. Wolff-Grupp, Hersteller der Herren-Shampoo-Linie Alpecin. Sie soll Haarausfall vorbeugen. Quelle: Presse

Eduard R. Dörrenberg hat, was sich so viele Männer jenseits der vierzig wünschen: dichtes volles Haar. Sein Geheimnis: "Ich tune mein Haar jeden Morgen mit Alpecin Tuning Shampoo, da ich leider die ersten grauen Haare bekomme und dagegen arbeite", gibt Dörrenberg ohne Umschweife zu - er kann auch kaum anders.

Dörrenberg ist geschäftsführender Gesellschafter von Dr. Kurt Wolff, dem Unternehmen das mit der Marke Alpecin mehr als die Hälfte seines Umsatz bestreitet. 2012 setzte die Gruppe 198 Millionen Euro um - zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Dieses Jahr soll es so weiter gehen oder noch ein bisschen besser. Im Inland, aber vor allem auch im Ausland sollen die Umsätze der Bielefelder wachsen.

Gerade hat Dörrenberg einige Tage in Seoul und Hongkong verbracht, um dort speziell sein Koffein-Shampoo zu bewerben. Asien steht ganz oben auf der Expansionsliste des Familienunternehmens. "Wir haben eben 500 Männer in Hongkong befragt. Die Zahlen belegen: Haare sind in dieser Region ein wichtiger sozialer Faktor - wichtiger noch als in Europa." In allen asiatischen Ländern - bis auf Japan - werde massiv gefärbt. "Schauen sie sich nur einmal das chinesische Politbüro an. Die Herren sind alle über 65, haben aber pechschwarze Haare."

Wer graue oder wenig Haare hat, gilt als alt, schwach - und unsexy. Keine gute Ausgangsposition bei der Brautwerbung und es gibt viel weniger Frauen als Männer, eine Folge der staatlichen Geburtenkontrolle. Die Konkurrenz ist also groß und "Mann" will sich so gut wie möglich beim anderen Geschlecht präsentieren. "Daher sind den asiatischen Männern Haare extrem wichtig. In Indien werden sogar die Bärte gefärbt", weiß Haar-Spezialist Dörrenberg.

Der Alpecin-Produzent im Überblick

Konsumgüter-Giganten ahmten den Mittelständler nach


Chinesen und Koreaner wünschen sich also noch mehr als ihre europäische Geschlechtsgenossen volles, gesundes Haar. Kein Wunder, dass sich Dörrenberg von der gerade in Asien eingeleiteten Expansion große Erfolge verspricht. "Langfristig wollen wir hier Marktführer werden", lautet sein Ziel. Die Chancen stehen nicht schlecht. In Deutschland hat sich Alpecin trotz des übermächtig wirkenden Konkurrenz von Konsumgüter-Giganten wie Procter&Gamble, Henkel, Beiersdorf oder L'Oreal in seiner Nische durchgesetzt. Das Koffein-Shampoo des Mittelständlers ist Marktführer - die Produkte der Big Player sind Nachahmer, die aufgrund des großen Erfolgs von Alpecin platziert wurden.

Es ist die zweite Glanzzeit der Bielefelder. Die erste Hochzeit erlebte Alpecin in den 50er und 60er Jahren. In den 90ern erlangte die Marke durch Werbespots mit Boxer Henry Maske nochmals einige Aufmerksamkeit, dann wurde es still. "Einige erinnern sich wahrscheinlich noch an das Alpecin-Haarwasser, das ihre Großväter benutzt haben", sagt Andreas Pogoda, Gesellschafter bei der Brandmeyer Markenberatung in Hamburg.

Dr. Klenk und der Glatzenrechner


Zehn Mythen über Haarausfall
Männer mit Glatze sind besonders potentFalsch – auch wenn das die betroffenen Männer gerne behaupten. Richtig ist: Erblich bedingt gibt es Männer, deren Haarwurzeln empfindlicher auf das Sexualhormon Testosteron reagieren und deren Haare deshalb kürzere Wachstumsphasen haben – die Folge: Haarausfall. Das Hormon wird aber direkt im Haarfollikel gebildet. Männer mit Glatze haben keinen höheren Testosteronspiegel im Blut als andere. Quelle: rtr
Baseballkappen fördern den HaarausfallFalsch. Haare brauchen kein Licht, um zu wachsen. Baseballkappen oder Hüte zerstören höchsten die Frisur – das sieht doof aus, mehr aber auch nicht. Quelle: dpa
Männer mit Glatze strahlen Macht ausAn dieser Frage scheiden sich die Geister. Albert Mannes führte 2012 an der Wharton Business School eine Studie durch und kam zu dem Ergebnis:  die Glatze steht für Größe, Achtung und Macht. Kahlköpfige wirkten dominanter und kräftiger. Die Probanden schätzen sie durchschnittlich 2,5 cm größer ein als sie waren. Andere Studien belegen allerdings das Gegenteil. Quelle: dpa
Haarausfall ist harmlosDas stimmt so nicht. Richtig ist, dass jeder Mensch täglich zwischen 80 und 120 Haare verliert. Das gehört zum normalen Wachstumszyklus. Wem die Haare aber büschelweise ausgehen oder wer kreisrunde, haarlose Stellen auf seinem Kopf entdeckt, sollte das ernst nehmen. Haarausfall kann ein Hinweis auf einseitige Ernährung sein, aber auch auf ernsthafte Erkrankungen wie Diabetes, Schilddrüsenüberfunktion oder eine Störung des Immunsystems. Quelle: dpa
Gegen Haarausfall kann man nichts machenFalsch. Sogar dem erblich bedingten Haarausfall, der Hautarzt spricht von  androgenetischer Alopezie, kann man vorbeugen. Mit den Wirkstoffen  Minoxidil und Finasterid lässt sich der Haarausfall verlangsamen oder stoppen. Statt dünnen Flaums können wieder kräftigere Haar nachwachsen. Wie gut das funktioniert, hängt vom Einzelfall ab. Sind die Haare weg, hilft wie Jürgen Klopp beweist eine Haarwurzeltransplantation. Quelle: dpa
Haarausfall ist ein reines MännerproblemNein. Auch Frauen leiden unter Haarausfall – der erblich bedingte Haarausfall ist zwar etwas seltener als bei Männern, dafür kommt es bei Frauen in der Pubertät oder nach der Geburt eines Kindes öfter zu Haarausfall. Damen sind wohl einfach geschickter im Kaschieren des Problems. Quelle: dpa
Häufiges Haare schneiden macht die Haare kräftigerLeider nein. Wer Haare verliert, wird den Prozess nicht dadurch stoppen können, die verbliebenen Haare möglichst häufig zu stutzen. Der Haarwuchs wird in den Haarwurzeln bestimmt, daher muss, wer etwas gegen den Haarverlust tun will, das Übel auch an eben dieser Wurzel packen. Quelle: dpa

Die Agentur betreut Dörrenberg und seine Geschäftsführerkollegen Christoph Harras-Wolf und Carsten Heins seit gut zehn Jahren. Gemeinsam haben sie den Wandel - weg von der Altherrenmarke hin zum frechen "Dopingmittel für die Haare" geschafft. Alpecin Liquid, der neue Hoffnungsträger, war bereits auf dem Markt, als Dörrenberg Brandmeyer an Bord holte.

"Der Durchbruch kam, als wir offen gesagt haben, wofür das Produkt da ist: Haarausfall". Das "böse Wort" habe man bis dato in der Branche immer vermieden und lieber Euphemismen wie "belebt und erfrischt" oder "weckt neue Kraft" verwendet. Analog wie bei der Potenzpille Viagra, das sich erst verkaufte, nachdem Hersteller Pfizer offen von einem Mittel gegen Erektionsstörung sprach, belohnte auch die männliche Shampoo-Kundschaft den Tabubruch.


Markenzeichen "In der Tat"

Brandmeyer und die Bielefelder entschieden sich für einen Mix aus plakativem Boulevardstil und wissenschaftlichen Informationen, mit der die Marke künftig für sich warb. Das Gesicht dieses neuen Stils wurde Dr. Adolf Klenk. Klenk ist kein Schauspieler, sondern tatsächlich seit 2007 Laborchef bei der Dr.-Kurt-Wolff-Gruppe. Im TV-Spot und auf dem Onlineauftritt des Unternehmens erklärt er, wie Koffein in den Haarwurzeln wirkt und die Wachstumszyklen verlängert. Sein inbrünstiges "In der Tat" ist zum Markenzeichen geworden und hat ihm viele Fans, aber auch einige Spötter eingebracht, die den Laborleiter auf Youtube aufs Korn nehmen.

Die Produktelinien von Dr. Kurt Wolff

Damit kann Dörrenberg gut leben. Alpecin ist die erfolgreichste Produktlinie von Dr. Kurt Wolff. Die Marken Alcina, Plantur, Biorepair, Linola und Produkte für den Intimbereich wie Vagisan gehen im Haarwuchsreich etwas unter. Das möchte Dörrenberg ändern. Das Mittel des Tabubruchs hat schon einmal zum Erfolg geführt, warum sollte es nicht ein zweites Mal klappen? Für die Intim-Serie wirbt der Mittelständler daher frisch und frei mit dem Slogan "Für den gepflegten Sex". Die Offenheit kommt an. Die Sparte legte allein im letzten Jahr um sieben Prozent beim Umsatz zu.

Die Wolff-Manager und ihre rund 500 Mitarbeiter gehen an die schambehaftesten Themen denkbar unverkrampft heran. "Eines Tages kam Dr. Klenk in ein Meeting und sagte, ich mach euch einen Glatzenrechner", erinnert sich Marken-Experte Pogoda. Gesagt getan. Seither haben mehr als 1,5 Millionen Männer mit Hilfe des Klenk'schen Rechners herausgefunden, wann sie mit einer "Platte" rechnen müssen.

Der unternehmerische Mut zahlt sich aus, meint Pogoda: "Wenn sie einem Mann ein Kosmetikum für fünf Euro verkaufen wollen, müssen sie alles dafür tun, um ihn davon zu überzeugen, dass das auch was bringt." Deshalb tritt nicht nur der Laborchef persönlich im weißen Kittel auf. Auf der Website der Marke führte der Hersteller gleich neun Studien auf, die die Wirksamkeit seiner Shampoos belegen sollen.

Von Bielefeld bis Dubai


Dr. Adolf Klenk wurde zur Werbeikone für seinen Arbeitgeber. Klenk ist Laborleiter bei der Wolff-Gruppe. Quelle: Screenshot

Die Nachweise wie auch die Websites selbst hat Dörrenberg bereits für den koreanischen und chinesischen Markt übersetzen lassen. Auch Dr. Klenk könnte bald - mit asiatischen Untertiteln - "In der Tat" über das chinesische Fernsehen schmettern. Bei einer vor wenigen Tagen abgehaltenen Pressekonferenz hat Klenk Pressevertretern das Haarwurzel-Modell und Alpecin nahegebracht. Ob er auch dort zur Werbeikone wird, steht noch nicht fest, er solle aber mit Sicherheit eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der Marke in Asien spielen, verrät Dörrenberg.

Die Expansion nach Asien lässt sich der Mittelständler einiges kosten. Einen siebenstelligen Betrag stecken die Ostwestfalen in den Vertrieb- und Markenaufbau in Fernost. Im Juli haben sie ihre erste Dependance in Shanghai eröffnet. Von hier aus soll das deutsche Haarwuchs-Reich weiter wachsen. Innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre will der Wolff-Manager mit Alpecin dort eine "bedeutende Rolle" spielen. Im vorigen Jahr machte das Exportgeschäft immerhin schon 16 Prozent aus, Dörrenberg rechnet mittelfristig mit einem steigenden Anteil.

In den Niederlanden, der Schweiz und Italien gibt es bereits Tochtergesellschaften, in Dubai eine Repräsentanz-Büro, in Dänemark soll das Engagement ausgeweitet werden. Im mittleren Osten, in Großbritannien und Österreich verkauft die Kosmetik- und Arzneimittel-Gruppe bereits zwischen 400.000 und 1,3 Millionen Flaschen Alpecin. Weitere Marken sind vorerst nicht geplant. Dörrenberg wünscht sich vielmehr, dass sich die deutschen Männern ein Beispiel an den asiatischen nehmen. "Die deutschen Männer geben zu früh auf. Wenn alle Haare weg sind, geben sie Tausende von Euro für eine Haartransplantation aus. Ich glaube, es wäre sinnvoller, sich vorher besser um seine Haare zu kümmern, wie man das um andere Teile des Körpers ja auch tut." Dr. Klenk würde darauf wohl entgegnen: "In der Tat!"

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