Maschinenbau Der König der Pillenpresser

Wie der westfälische Tüftler Lorenz Bohle sein Unternehmen zu einem Weltmarktführer in der Pharmatechnik gemacht hat.

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Die Erfolgsstory des westfälischen Tüftlers Lorenz Bohle. Quelle: Presse

Dröhnende Stimme, kräftiger Händedruck, breite Schultern: Bei einem Casting für die Rolle eines westfälischen Firmenpatriarchen würde Lorenz Bohle wahrscheinlich alle Mitbewerber ausstechen. Der Hüne entspricht ganz dem Bild eines konservativen Familienunternehmers aus dem Münsterland. Doch Bohle spielt keine Filmrolle, er ist mit seinem Unternehmen L.B. Bohle einer der erfolgreichsten Mittelständler Deutschlands.

Bohle hat es geschafft, seinen Ein-Mann-Betrieb zu einem der weltweit führenden Hersteller von Maschinen für die Tablettenproduktion zu machen, der heute mit 230 Mitarbeitern jährlich 46 Millionen Euro umsetzt. Das Erfolgsgeheimnis des Unternehmers liegt in der Mischung aus Tüftlergeist, Qualitätsbesessenheit und Marktgespür.

Deutschlands größte Werkzeug-Maschinenbauer
Platz 10: Niles-Simmons Quelle: dpa.
9. IndexDie Index-Gruppe gehört gemeinsam mit dem Tochterunternehmen Traub zu den führenden Herstellern von CNC-Drehmaschinen. Firmensitz ist Esslingen in Baden-Württemberg. Das Unternehmen blickt wie viele schwäbische Maschinenbauer auf eine lange Tradition zurück. Hermann Hahn legte 1914 den Grundstein und begann mit der Produktion von Revolverdrehautomaten. Heute zählen zu den Hauptabnehmern von Index-Drehmaschinen die Automobil- und Automobilzulieferindustrie, der Maschinenbau, die Elektrotechnik und Elektronikindustrie sowie Hersteller in der Fluidtechnik und dem Armaturenbau. Die Index-Gruppe setzte im Jahr 2012 432 Millionen Euro um (Vorjahr: 450 Millionen) und beschäftigte 2.100 Mitarbeiter. Quelle: Pressebild
Platz 9: Emag Quelle: pr
Platz 7: Körber - Schleifring-GruppeSchleifring gehört zum weltweit tätigen Körber-Konzern, der 30 internationale Technologieunternehmen unter seinem Dach vereint. Die Abnehmer der Schleifmaschinen stammen aus den Branchen Automobilindustrie und Zulieferer, Werkzeugindustrie, Kraftwerkturbinenbau, Werkzeug- und Formenbau, Medizintechnik, Maschinenbau, Uhrenhersteller sowie der Turbinenindustrie. Zu den größten Abnehmermärkten gehören, nebst Westeuropa, Asien (inklusive China) sowie Amerika. 2012 setzte die Schleifring-Gruppe 530 Millionen Euro (Vorjahr: 470 Millionen Euro) und beschäftigte 2200 Mitarbeiter. Quelle: Presse
Platz 5: Heller Quelle: Pressebild
Platz 5: GrobDas Unternehmen Grob mit Stammwerk in bayerischen Mindelheim produziert in Sao Paulo, Brasilien, im amerikanischen Bluffton/Ohio und im neugebauten Werk in Dalian in China. Eigene Service- und Vertriebsniederlassungen unterhalten die Mindelheimer unter anderem in Beijing, Shanghai und Mexiko. Seit Firmengründung im Jahr 1926 ist Grob im Familienbesitz und wird heute in dritter Generation geführt. Weltweit beschäftigt der Maschinenbauer rund 4.000 Mitarbeiter. 2012/2013 erwirtschaftete das Unternehmen 650 Millionen Euro (Vorjahr: 600 Millionen Euro). Quelle: Pressebild
Platz 6: MAG Europe Quelle: pr

Zu teure Patente

Dabei denkt der Bauernsohn während des Studiums und zu Anfang seiner Laufbahn als Ingenieur noch nicht ans Unternehmertum. Doch früh schon kommt es zu Spannungen mit seinen Arbeitgebern wegen der Verwertung von Patenten für von Bohle entwickelte Verfahren. Sein erster Arbeitgeber, ein Akku-Hersteller, verweigert nach sechsjähriger Entwicklung die Anmeldung eines Patentes, weil er nach dem Arbeitnehmererfindergesetz viel Geld hätte zahlen müssen.

Beim zweiten, einem mittelständischen Lohnfertiger für die Pharmaindustrie, meldet Bohle nach und nach mehrere Patente an. Als er Ende Dezember 1981 mit einer weiteren Neuentwicklung zu seinem Chef kommt, stellt der ihm frei, das Patent – ein Verfahren zur Kontrolle der Dicke von Tabletten – selbst zu nutzen. Man sei ja Pharmazeut und kein Maschinenbauer. Nach dem Gespräch geht Bohle nach Hause und sagt zu seiner Frau: „Mädchen, jetzt müssen wir entweder den Kopf einziehen oder etwas riskieren.“

Die beiden entscheiden sich für das Risiko. Sein Chef kann nicht glauben, dass er kündigen will. Über neun Jahre hatten die beiden gemeinsam die anfangs völlig veraltete Produktion auf Vordermann gebracht. Jetzt sei es doch an der Zeit, die Früchte der durchgearbeiteten Nächte zu genießen. „Sie verwechseln da etwas“, antwortet Bohle, „ich bin 41, nicht 61 Jahre alt.“

Damit ist die Entscheidung unumkehrbar. Bohle mietet ein Konstruktionsbüro und eine Versuchswerkstatt. Zunächst lässt der frischgebackene Gründer seine Maschinen für die Tablettenherstellung fremdproduzieren. Die Hälfte der Zeit arbeitet er am Zeichentisch und in der Testwerkstatt; den Rest der Zeit ist er unterwegs, um seine Anlagen zu verkaufen. Das Geschäft läuft von Anfang an besser als erwartet. Einer seiner frühen Kunden ist trotz der Trennung sein ehemaliger Arbeitgeber.

Der Durchbruch kommt nach vier Jahren, als es Bohle gelingt, als Zulieferer eine Anlage zur Penicillinherstellung beim Pharmariesen Bayer so zu modernisieren, dass sie staubfrei wird. „Damit hatten wir eine erstklassige Referenz“, sagt Bohle.

Er entschließt sich, die Fertigung selbst in die Hand zu nehmen und eine Fabrik zu bauen. Zwischen 1987 und 1994 steigt die Zahl der Mitarbeiter von 20 auf 100. Jahre mit einem Wachstum von 50 Prozent sind nicht ungewöhnlich.

Einer der wichtigsten Umsatztreiber ist der Bohle Film Coater. Diese Maschinen beschichten Tabletten von außen mit einem Wirkstoff, statt diesen wie sonst im Inneren der Pille zu platzieren.

Zuverlässigkeit, Qualität und Effizienz

Ein amerikanischer Interessent kam vor neun Jahren zu Bohle mit der Vorgabe der dortigen Arzneimittel-Zulassungsbehörde FDA, wonach die Streuung beim Gewicht des Wirkstoffes von Pille zu Pille nur drei Prozent betragen dürfe. Bohle blieb unter dem Grenzwert und bekam den Auftrag. Selbst der beste Wettbewerber konnte nur Abweichungen von sechs Prozent garantieren.

Heute macht Bohle ein Drittel des Umsatzes in den USA. „Ich wusste von anderen Unternehmern, wie schwer der Markteintritt dort ist“, sagt Bohle, „aber ich bohre gern dicke Bretter.“ Nach der Gründung 1990 braucht seine amerikanische Niederlassung drei Jahre, bis sie ihr erstes Geld verdient. Für Bohle kein Problem: „Wir sind ein Familienunternehmen und denken nicht in Vierteljahreszyklen.“

In den vergangenen drei Jahren hat Bohle seinen Betrieb gleich mehrfach erweitert. Während andere Maschinenbauer nach dem Katastrophenjahr 2009 zwei oder drei Jahre brauchen, bis die Umsätze wieder auf Vorkrisenniveau sind, fährt Bohle schon im Jahr nach der Krise wieder am Limit. Im April 2011 beginnt Bohle mit der drei Millionen Euro teuren Erweiterung des Zweitstandortes in Sassenberg, wenige Kilometer vom Stammwerk in Ennigerloh entfernt. Sechs Monate später sind Konstruktionsbüros und Fertigungsstätten in Betrieb.

High-Tech von 1981: Bohle (links) und der von ihm entwickelte Kontrollautomat für Tabletten. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Presse

Kapazitäten verdoppelt

Wenige Wochen nach der Einweihung kauft Bohle 20.000 Quadratmeter Bauland in der Nähe des Stammsitzes, um die dortigen Kapazitäten zu verdoppeln. Die Produktion soll in Kürze anlaufen. Im Frühjahr hat der Unternehmer zudem mit dem Bau eines neuen Test- und Technologiezentrums in Ennigerloh begonnen. Insgesamt investiert Bohle in die drei Objekte mehr als elf Millionen Euro.

Ist der Patron größenwahnsinnig geworden? Endet der Höhenflug mit einer Bruchlandung? „Wir brauchen diese Erweiterungen dringend“, antwortet Bohle auf kritische Fragen zu seinem Investitionstempo. „Wir platzten zuvor aus allen Nähten.“ Bohle verweist auf das Auftragspolster, das für zehn Monate reicht, und auf die Eigenkapitalquote von über 50 Prozent.

In den kommenden vier Jahren erwartet der gelernte Maschinenschlosser und studierte Maschinenbau-Ingenieur ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 20 Prozent. Rund 80 Prozent des Bohle-Geschäfts kommen heute aus dem Ausland.

„Begriffe wie Zuverlässigkeit, Qualität und Effizienz stehen nicht nur für die Maschinen, sondern auch für die Dienstleistungen“, fasst Hans-Georg Feldmeier, Geschäftsführer des Pharmaherstellers Mibe aus Brehna in Sachsen-Anhalt, seine Erfahrungen mit Unternehmen und Gründer Bohle zusammen.

Der inzwischen 74-Jährige bereitet seinen Wechsel in den Beirat vor. Sohn Armin ist 40 Jahre alt und seit zehn Jahren im Unternehmen, derzeit als technischer Leiter. 2014 soll eine Lösung für die Nachfolge und die künftige Geschäftsführung gefunden werden. Den Beirat hat Bohle schon 2011 gegründet, damit die Mitglieder beim Übergang eingearbeitet sind. Bohle, der als Mittsechziger durchgehen würde, will sich nicht mit einem Leben im Ohrensessel begnügen, sondern seine Rolle im Beirat aktiv gestalten: „Ich werde mit vollem Herzen dabei sein, aber ich will nicht mehr die alleinige Verantwortung tragen.“

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