Maschmeyer-Investment Mifa Angst vor dem Totalausfall

Einst war der größte deutsche Fahrradhersteller Mifa der Stolz einer ganzen Region. Inzwischen kämpft das Unternehmen ums Überleben. Eine zermürbende Zeit – für alle Beteiligten.

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Quelle: dpa

Leipzig/Sangershausen Es ist das Bild der Krise. Kopfüber hängt ein Fahrrad auf dem Foto. Wie eine tote Trophäe. Das Foto mit dem Fahrrad aus der Produktionsanlage des Unternehmens Mifa erscheint seit April immer öfter in Zeitungen und auf Online-Seiten. Dabei ist Deutschlands umsatzstärkste Fahrradschmiede noch nicht gestorben. Doch seit Monaten geht es ihr schlecht.

Die Mifa, der Stolz einer ganzen Region im südlichen Sachsen-Anhalt, hat mit dem Überleben zu kämpfen und produziert negative Schlagzeilen. In der vorigen Woche musste der Fahrrad-Produzent Insolvenz anmelden.

Dabei hatte bei der Mifa alles so gut ausgesehen. Vor 18 Jahren erwarben zwei Unternehmer die 1907 gegründete Firma von der Treuhand und führten es acht Jahre später an die Börse. Der Umsatz überstieg die 100-Millionen-Euro-Marke, mehr als 600.000 Fahrräder wurden jährlich verkauft. Kein Zweiradproduzent in Deutschland schaffte ähnliche Werte.

Bis zu 750 Mitarbeiter fanden im Vorzeigebetrieb Arbeit. 2011 hat sich gar einer der bekanntesten Investoren Deutschlands, Carsten Maschmeyer, am Unternehmen beteiligt. Es sah gut aus für die Mifa.

Die Produktionsstätte steht heute mächtig an der Durchfahrtsstraße von Sangerhausen. 600 Menschen finden derzeit in den weiß-blauen Hallen an der Kyselhäuser Straße Arbeit.

Doch die Fahrradbauer gehen seit Monaten durch emotionale Berge und Täler. Bereits seit April, als Millionenverluste in der Bilanz entdeckt wurden, kommt der Mittelständler nicht mehr zur Ruhe. Mifa machte im vergangenen Jahr einen Verlust von 13,2 Millionen Euro. Die Geschäftsführung wurde ausgetauscht, für Vorstand Peter Wicht kamen die Sanierer Hans-Peter Barth und Stefan Weniger.

Genutzt hat das bislang nicht viel: Auch für dieses Jahr wird mit einem negativen Ergebnis gerechnet. Darüber, wie hoch die Deckungslücke in der Bilanz wirklich ist, schweigen sich die Beteiligten aus.


Landkreis will Sitz im Gläubigerausschuss

Vor wenigen Tagen musste auch Barth seinen Stuhl räumen. Seit dem 1. Oktober soll sich der Handels- und Industrieexperte Thomas Mayer für drei Jahre um die Geschäfte kümmern. Sein Einstieg verlief mehr als unglücklich. Kurz vor Mayers erstem Arbeitstag zerbrach die eingefädelte Zusammenarbeit mit dem indischen Fahrradhersteller Hero Cycles. Der Weltmarktführer wollte Mehrheitseigentümer werden und mit seinem Geld Mifa aus der Krise führen. Nun will ein Gutachten belegen, dass es den Indern bei ihrem Einstieg offensichtlich nur um Industrie-Spionage ging.

Auch der Landkreis organisierte im Frühsommer eine millionenschwere Rettungsaktion. Mit dem Ankauf von Unternehmensgrundstücken im Wert von 5,7 Millionen Euro unterstütze der Kreis sein Vorzeigeunternehmen.

Das alles ließ die Belegschaft Hoffen und Bangen. Seit der Insolvenz in Eigenverwaltung in der vorigen Woche ist die Stimmung unter den Beschäftigten allerdings am Boden. Die Mifa-Mitarbeiter seien aufgrund der monatelangen Hängepartie mittlerweile zermürbt, sagt ein Gewerkschafter von der IG-Metall, der den Kontakt zum Betriebsrat pflegt, zu Handelsblatt Online. Nun gehe es erst einmal darum, alle Fragen zu klären, die den Angestellten bei einer Insolvenz auf den Nägeln brennen. Dazu gehöre das Insolvenzgeld, das bis Dezember gezahlt werden soll.

Am Montag hatte der Betriebsrat zu einer nichtöffentlichen einstündigen Mitarbeiterversammlung geladen. Dabei stellte sich der neue Chef, Thomas Meyer, den Angestellten vor. Diese sind nach Angaben der IG Metall noch motiviert, der neuen Führung zu folgen und bei der Rettung der Firma zu helfen.

Der Landkreis Mannsfeld-Südharz drängt unterdessen bereits darauf, einen Sitz im Gläubigerausschuss zu erhalten. Es gehe ihm um die Sicherung der Eigentumsrechte und der Begleitung des Insolvenzverfahrens, sagte ein Sprecher der Landrätin Angelika Klein Handelsblatt Online.

Der Kreistag hatte im April beschlossen, die Mifa durch den Ankauf der Unternehmensgrundstücke zu unterstützen. Das Unternehmen mietete die Grundstücke im Gegenzug an und zahlt seitdem für die Nutzung eine monatliche Miete. Innerhalb von 15 Jahren sollte der Kaufpreis durch die Mitzahlungen zurückgeflossen sein. Allerdings: „Durch die Insolvenz ist derzeit ungeklärt, ob und in welcher Höhe dieser Mietzins zukünftig gezahlt wird“, sagte der Kreis-Sprecher.


Maschmeyer installiert Utz Claassen

Der damalige Deal könnte den Kreis noch teuer zu stehen kommen. Sogar ein Totalausfall der Millionenhilfe ist möglich. „Ein finanzieller Verlust für den Landkreis könnte eintreten“, bestätigte auch der Sprecher. Wenn die Mifa die Produktion einstellen würde und die vom Landkreis erworbenen Grundstücke nicht veräußert werden können, ist das Geld futsch.

Die Angst um den Totalausfall ihrer Investition treibt auch die Eigentümer um. Die größten Aktienpakete halten derzeit der ehemalige Geschäftsführer Peter Wicht mit 24 Prozent und Carsten Maschmeyer mit 20,2 Prozent. Neben 42,1 Prozent Streubesitz sind noch die Paladin Asset Management Investmentaktiengesellschaft (8 Prozent), Peter Unger mit der AFM Holding (3,8 Prozent) sowie die UBS Global Asset Management GmbH (1,9 Prozent) am Fahrradhersteller beteiligt. Bislang hat Maschmeyer beteuert, zu seiner Investition zu stehen.

Seit vergangener Woche kümmert sich nun der Sachwalter Lucas Flöther von der Kanzlei Flöther & Wissing aus Halle um das Unternehmen. Er ist Sanierungsexperte und Jurist. Vorstandsvorsitzender ist seit 1. Oktober Thomas Meyer.

Neben Meyer soll nach Handelsblatt-Informationen aber auch weiterhin Stefan Weniger die Mifa durch die Insolvenz führen. Er soll an Bord bleiben, solange die Insolvenz dauert. Meyer verantwortet dabei als Vorstandsvorsitzender unter anderem die Bereiche Strategie, Vertrieb, Marketing, Finanzen sowie Controlling. Weniger soll die finanzielle Sanierung vorantreiben und mindestens im Unternehmen bleiben, bis die finanzielle Restrukturierung der Mifa abgeschlossen ist.

Anteilseigner Maschmeyer hat den bekannten Manager Utz Claassen im Aufsichtsrat installiert. Neben ihm sitzen noch Sangerhausens Oberbürgermeister Ralf Poschmann sowie der Chef des Gremiums, Uwe Lichtenhahn.

Auch wenn sich weder Geschäftsführung noch Sachwalter genau zu ihren Plänen äußern, sehen sie die Zukunft positiv. Vorstand und Wirtschaftsministerium sprechen von einem Verkauf des Unternehmens. Es soll sogar bereits zwei Interessenten geben.

Die Produktion geht unterdessen weiter. Die Auftragsbücher seien gut gefüllt. Die Beschäftigten allerdings haben in den vergangenen Monaten sehr viel Zuversicht verloren. Dennoch kommen sie pünktlich zum Beginn jeder Schicht ins Werk und montieren die Fahrräder. Diese hängen von der Decke. Kopfüber.

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