Medizintechnikfirma Merkel weiht neue Brainlab-Zentrale in München ein

Rund um den Kontrollturm des alten Münchener Flughafens hat die Medizintechnikfirma Brainlab ihr neues Hauptquartier gebaut. Zur Eröffnung am Dienstagnachmittag schaute die Kanzlerin bei dem Mittelständler vorbei.

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Die Bundeskanzlerin bei ihrem Besuch der neuen Brainlab-Zentrale in München. Quelle: dpa

München/Frankfurt Ein Vierteljahrhundert stand der Tower des ehemaligen Münchener Flughafens in Riem leer. Rund herum entstanden derweil erst die neue Münchener Messe, dann ein Einkaufszentrum, Tausende Wohnungen, Dutzende Bürogebäude und ein riesiger Park mit Badesee. Für das Areal mit dem 35 Meter hohen Turm und seiner markanten Glaskanzel aber konnte sich kein Investor begeistern.

Dann kam Stefan Vilsmeier und alles ging ganz schnell. Der Chef und Gründer des Medizintechnik-Unternehmens Brainlab baute seine neue Zentrale einfach rund herum um den rotbraunen Solitär. Mehr noch, Vilsmeier integrierte den Turm in das neue Büroensemble. Wo einstmals die Fluglotsen saßen, hat der Unternehmer nun Operationssäle aufgebaut, in denen er seine Geräte und die dazugehörige Software präsentiert.

Unternehmer wie Vilsmeier, die zupacken, Arbeitsplätze schaffen und dann noch städtebauliche Probleme lösen, die haben gute Karten in der Politik – vor allem im Wahlkampf. Und so kam es, dass an diesem Dienstag die Kanzlerin höchstpersönlich das neue Hauptquartier einweihte.

Andererseits ist es ja auch wirklich eine Erfolgsgeschichte, die der Unternehmer, Jahrgang 1967, da präsentieren konnte. Der Studienabbrecher hat in den vergangenen fast 30 Jahren eine Firma aufgebaut, die heute weltweit knapp 1400 Mitarbeiter beschäftigt und zuletzt 260 Millionen Euro Umsatz erzielte. Der Exportanteil liegt bei über 90 Prozent.

Brainlab versteht sich vor allem als Softwareanbieter und konzentriert sich auf zwei große Wachstumsbereiche im Gesundheitsbereich: die Chirurgie und die Onkologie. Beide Bereiche wachsen mit der stetig alternden Bevölkerung vor allem in den Industriestaaten. Mit dem Angebot von Plattformen und Software für weniger invasive und kostengünstigere Behandlungen für Patienten, die sich etwa einen neurochirurgischen oder orthopädischen Eingriff unterziehen müssen, trifft Brainlab einen wichtigen Bedarf in den Kliniken. Die Krankenhäuser stehen unter Druck und müssen immer effizienter werden. Zudem bietet Brainlab Lösungen zur automatisierten Steuerung von Operationssälen, ein weiterer großer Trend in der Kliniklandschaft.

Krebs wiederum ist maßgeblich eine Alterserkrankung. Nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts ist durchschnittlich jeder zweite 70-Jährige in Deutschland schon einmal an Krebs erkrankt. Brainlab bietet eine Vielzahl an erstklassigen Radiotherapie-Lösungen.

Den Schwerpunkt setzt das Unternehmen auf Angebote zur Unterstützung der bestehenden Linearbeschleuniger-Technologien. Die Strahlentherapie, auch als Radiotherapie bekannt, ist neben der Operation und Chemotherapie eine der zentralen Säulen der Krebsbehandlung. Bei jedem zweiten Krebspatienten kommt im Laufe seiner Erkrankung eine Strahlentherapie zum Einsatz. Brainlab ist zwar auf die Entwicklung der Software für die Radiotherapie spezialisiert. Jedes Mal, wenn eine Hardware-Komponente zum Erreichen einer Behandlungslösung fehlte, entwickelte Brainlab aber auch das erforderliche Gerät – zum Teil in Kooperation mit strategischen Partnern.


Kliniken sind von Brainlab-Lösungen begeistert

Die Kunden jedenfalls sind schon lange begeistert von den Brainlab-Lösungen. „Für uns sind ihre Produkte essentiell“, betonte am Dienstag Professor Johannes Schramm, ehemaliger Direktor der neurochirurgischen Klinik am Universitätsklinikum Bonn.

Operationen seien heute für Patienten wesentlich sicherer als früher, unterstrich der Mediziner. So wichtig seien die Software und die Geräte von Brainlab, dass Operationen mitunter abgebrochen würden, wenn diese ausfielen oder das Personal sie nicht bedienen könne.

Neben und im ehemaligen Tower hat Vilsmeier Büros für 700 Mitarbeiter auf 50 Ländern geschaffen. Für ihn sei das ein ganz besonderer Standort, erklärte der Unternehmer. „Von hier aus bin ich vor 28 Jahren zu den ersten Geschäftsreisen aufgebrochen.“ Seine ersten Kunden fand der junge Mann damals in Fernost und den USA.

Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich beeindruckt von dem neuen Gebäude und versprach, Unternehmer wie Vilsmeier nach Kräften zu unterstützen. So werde sie sich für die Echtzeit-Datenübertragung einsetzen, eine wichtige Voraussetzung für die Telemedizin. Gleichzeitig beteuerte sie, dass exportorientierte Firmen wie Brainlab der beste Beweis seien, wie bedeutend Handelsabkommen seien. Und noch etwas war ihr wichtig. Damit die Betriebe genügend Nachwuchs bekämen, müssten die „Segnungen der Digitalisierung auch in den Schulen“ ankommen.

Vilsmeier selbst hat sein Informatikstudium nach ein paar Tagen schon hingeschmissen, um seine eigene Firma groß zu ziehen. Deshalb sei er stets bereit, Querdenker einzustellen. Doch auch die fordern heute allerhand Annehmlichkeiten. Und so sind im Tower nicht nur zwei Operationssäle untergebracht, sondern auch ein Yoga-Raum, ein Café und Clubräume zum Feiern.

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