Wenn Michael Otto über sein Unternehmen spricht, klingen die Sätze wie die eines Vaters. Was muss man ihm mitgeben für die Zukunft? Welche Werte sind wichtig? Und mit welcher Haltung sollte man der Weltlage begegnen? Es sind Fragen, die alle im Publikum beschäftigen, als Unternehmer aus ganz Deutschland Mitte vergangener Woche zum Gipfeltreffen der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall zusammenkommen – und auch das Auftaktgespräch von WirtschaftsWoche-Chefredakteurin Miriam Meckel mit Michael Otto prägen.
WirtschaftsWoche: Herr Otto, Sie haben in Ihrem Unternehmen kürzlich eine Fuck-Up-Night veranstaltet; ein Abend, bei dem man sein Scheitern feiert. Haben Sie auch mitgemacht?
Michael Otto: Nein, doch in anderen Runden spreche ich auch häufig über meine Misserfolge. Ich finde das wichtig. Man muss bestimmte Fehler nicht zweimal machen.
Verraten Sie uns einen Ihrer Fehler?
Wir haben mal ein mobiles Zahlsystem gegründet. Doch es gab nicht genug Verbraucher, die es nutzen wollten. Letztlich mussten wir es wieder einstellen, mit entsprechendem Verlust. Das war ein Flop. Doch nur wer solche Fehler zulässt, kann überhaupt Neues entwickeln.
Zur Person
Otto, 73, leitete den Versandhändler von 1981 bis 2007, heute ist er Aufsichtsratschef. Der Konzern setzte bereits ab 1995 aufs Internet und wurde zu einem der größten Onlinehändler. Die Otto Group hat heute etwa 50.000 Mitarbeiter.
Wenn ich bei Ihnen arbeiten würde, dürfte ich zweimal den gleichen Fehler machen?
Das sollte möglichst nicht der Fall sein.
Dürfte ich zwei unterschiedliche Fehler machen?
Durchaus.
"Wirtschaft ist für Menschen da, nicht umgekehrt"
Wir reden viel über die Scheiter-Kultur, doch es bleibt meist theoretisch. Wie bekommen wir unser Denksystem verändert?
Es beginnt ja schon in der Art der Teamzusammenarbeit. Mir gefällt beispielsweise die Scrum-Methode. Da sagt nicht der Vorgesetzte, was zu machen ist. Sondern sie oder er gibt ein Ziel vor, und die Mitarbeiter überlegen und entscheiden selbst, wie sie das Ziel am besten erreichen. Schließlich haben sie oft bessere Kenntnisse als die Führungskräfte. Sie erarbeiten dann eigenständig Baustein für Baustein, und wenn Fehler gemacht werden, werden sie sofort korrigiert.
Wie etabliert man so etwas in traditionsreichen Unternehmen?
Am schwierigsten ist es für die mittlere Führungsebene. Denn der Vorstand will Kulturwandel, und die Mitarbeiter wollen mehr Verantwortung. Doch für Führungskräfte ist es nicht einfach, Verantwortung abzugeben. Wir machen dafür Workshops und Schulungen. Manchmal muss man dann auch Menschen austauschen, wenn sie nicht bereit sind, Veränderungen mitzugehen.
Wie häufig erleben Sie Konflikte mit Ihrem Sohn, der auch Gesellschafter ist?
Natürlich haben wir zu einigen Themen auch unterschiedliche Auffassungen, doch wir finden immer einen Konsens. Ich weiß, dass er beim Thema Digitalisierung viel mehr Know-how hat, er kann zum Beispiel selbst programmieren. Umgekehrt hat er festgestellt, dass die Erfahrung sinnvoll ist, die ich mitbringe.