Mittelstand Warum in Ostwestfalen die meisten Weltmarktführer sitzen

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Der Firmenlenker, oder wie junge Menschen in die Provinz kommen

Aachen, Karlsruhe, Darmstadt, München – angesichts solcher Alternativen sehen karriereorientierte Ingenieur- und Informatikstudenten Verl oder Gütersloh eher nicht so weit vorne. Genau das ist eines der größten Probleme der Region: Nicht nur, dass sie vermeintlich fern von Top-Unis und Partyzonen liegt, erschwert den Kampf um kundige Köpfe. Zugleich rangeln in der dünn besiedelten Region besonders viele Unternehmen um wissensdurstigen Nachwuchs. Sie setzen deshalb auf die naheliegende Lösung: Die Betriebe verzahnen Theorie und Praxis, indem sie mit den Hochschulen vor Ort eng kooperieren. Für eher anwendungsorientierte als grundlagenforschende Ingenieure ist das ein wirkungsvoller Köder.

Das weiß der Unternehmer und Physiker Hans Beckhoff nur zu gut. Er nutzt die Vernetzung nicht nur fürs eigene Unternehmen mit 2800 Mitarbeitern weltweit und rund 510 Millionen Euro Umsatz. Er investiert auch seine freie Zeit, um das Thema gemeinsam mit Miele-Chef Eduard Sailer als stellvertretende Vorsitzende des Clusterboards voranzutreiben. Dass auch der Vorsitzende des Verbandes der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer, Reinhold Festge, samt Firma in Oelde nahezu um die Ecke residiert, schadet dabei nicht.

So gewinnen Unternehmen junge Talente
Mitarbeiter fertigen in einer Polsterei in Weidhausen (Bayern) Sitzmöbel. Quelle: dpa
ÜbernahmegarantieEine ähnliche geringe Attraktivität für junge Menschen dürften auf den ersten Blick auch scheinbar altmodische Branchen haben, die einen heftigen Strukturwandel hinter sich haben - beispielsweise die Porzellanbranche. Die Übernahmequote dort sei sehr hoch, wirbt Christoph René Holler, Geschäftsführer des Bundesverbandes Keramische Industrie, um Nachwuchs. „Die Fachkräfte werden gebraucht. Es hat sich herumgesprochen, dass man in der Regel übernommen wird.“ Bislang gelinge es noch, die meisten Ausbildungsplätze zu besetzen, „aber es wird immer schwieriger“, räumt er ein. Deshalb habe man bei den Tarifabschlüssen den Nachwuchs besonders berücksichtigt. Eine Sprecherin des traditionsreichen Porzellanherstellers Rosenthal in Selb sagt: „Durch eine gute Zusammenarbeit mit Schulen und der Agentur für Arbeit gelingt es uns trotz des demografischen Wandels und seiner Auswirkungen in den meisten Fällen, gut geeignete Kandidaten zu finden.“ Alle zum 1. September angebotenen Lehrstellen habe man besetzen können. Quelle: AP
Model Clelia zeigt "Putzpantoffeln" des Herstellers Present Time Quelle: dpa/dpaweb
Segeltörn
Hochseilgarten Quelle: dpa
Innovation Challenge Quelle: Fotolia
Krimi Quelle: Fotolia

Beckhoffs Verler Unternehmen Beckhoff Automation, Spezialist für Industrie 4.0, forciert und finanziert duale Studiengänge. 90 sogenannte Beckhoff-Studierende bekommen eine Ingenieurausbildung in Mechatronik/Automatisierung und Wirtschaftsingenieurwesen an der Fachhochschule Bielefeld. Während der 3,5 Jahre Studienzeit zahlt Beckhoff den Lohn für Azubis der Metall- und Elektroindustrie. Eine kommode Lage für die jungen Leute: Ihr Studium ist finanziert, der Anschlussjob so gut wie sicher. Das bieten Aachen, Karlsruhe oder Darmstadt nicht.

Die attraktivsten Regionen für Fachkräfte

Der Physiker Beckhoff, der Tochter und Sohn schon ins Unternehmen holt, sagt: „Die Absolventen sind stärker als andere Studenten auf unsere Fachgebiete orientiert. Ihre Identifikation mit dem Unternehmen ist höher, sie bleiben länger.“ Weiterer Vorteil: „Unsere Kunden haben damit auf viele Jahre denselben Ansprechpartner.“ Rund ein Drittel seines Personalbedarfs deckt Beckhoff so.

Alles gut also? Beckhoff sieht noch Arbeit für sich: „Für die Weiterbildung unserer Mitarbeiter haben wir kein so ausgefeiltes System. Bisher reagieren wir auf individuellen Bedarf. Eigentlich könnten wir das besser machen.“

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