Fachkräfte finden und binden Zuckerbrot für die Belegschaft

Boni, Zusatzversicherungen, Führungskräftetraining - Deutschlands Mittelstand legt sich bei der Mitarbeitersuche ins Zeug. Welche Branchen die schlimmsten Engpässe verkraften müssen und wie das Recruiting gelingt.

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Der Wettbewerb um Fachkräfte ist in der Fahrzeug- und Elektrotechnik besonders hart. Mittelständler müssen sich viel einfallen lassen, um ähnlich attraktiv wie namhafte Unternehmen zu sein. Quelle: dpa

Die ganz Großen sind seine Kunden - VW, Mercedes, BMW. Hartmann-exact ist der Prototyp eines mittelständischen Automobilzulieferers. Mit 200 Mann stellt der Betrieb im schwäbischen Schorndorf Fahrzeugsensorik und Mechatronik her, beliefert nahezu allen großen Automobilhersteller in Europa. Die Geschäfte laufen gut, gleich zwei Jahre in Folge ist der Umsatz um 30 Prozent gestiegen. In diesem Jahr nimmt Geschäftsführer Jürgen Hofele Kurs auf die 70 Millionen Euro-Marke.

Wenn der Chef einen Grund zu Klage hat, dann nur in Sachen Personalsuche. Rund 30 Stellen im technischen Bereich musste Harmann-exact in den vergangenen 18 Monaten neu besetzen – viel Arbeit für die Personalabteilung und ein Kampf von David gegen Goliath. „Wir tun uns schwer gegenüber den großen Unternehmen, in der Region Stuttgart, attraktiv zu sein“, bedauert Hofele. In unmittelbarer Nähe sitzen Porsche und Daimler, dazu kommt die Konkurrenz durch die international tätigen Automobilzulieferern wie Hella oder Continental. Alle wollen Maschinen- und Fahrzeugingenieure – die Berufe, die laut der aktuellen Engpassanalyse des Bundeswirtschaftsministeriums das knappste Gut auf dem Bewerbermarkt sind. In den vergangenen Jahren sind Hofele immer wieder Mitarbeiter abgeworben worden. Das wollte er nicht länger hinnehmen.

So nutzen Mittelständler ihre Stärken im Wettbewerb um Fachkräfte

Um gegen die übermächtige Konkurrenz zu bestehen, lässt sich der Betrieb einiges einfallen. Gerade hat er die Kernarbeitszeit im Betrieb abgeschafft, für die Führungskräfte gilt reine Vertrauensarbeitszeit. Und wenn die Geschäfte gut laufen, bekommen alle Mitarbeiter - auch die gewerblichen -  eine Erfolgsprämie. Die Belegschaft honoriert das mit guten Ergebnissen bei der Mitarbeiterumfrage. „Auch wenn noch nicht alle die Flexibilität der neuen Arbeitszeitregelung nutzen, allein die Möglichkeit sich Zeit für etwas anderes zu nehmen, wenn ich sie brauche und eigenverantwortlich bestimmen zu können, kommt sehr gut an“, beobachtet Hofele. 

Der Chef hat ein ganzes Paket an Maßnahmen geschnürt, um seine Mitarbeiter langfristig zu binden. Für Kollegen, die gerne eine leitende Position übernehmen möchten, organsiert der Betrieb Führungstrainings. Weiterbildung heißt bei Hartmann-exact auch, dass der Chef den Geldbeutel für Einzelfälle öffnet. Sowie im Fall des jungen Technikers, der seine Fachhochschulreife nachholen wollte. Der Betrieb unterstützte ihn finanziell und räumte ihm Zeit zum Lernen ein.

Zahnzusatzpolicen sind der Renner

Jetzt studiert der junge Mann Mechatronik und bleibt dem Mittelständler als hochqualifizierte Kraft erhalten. Wäre ihm das Unternehmen nicht so weit entgegengekommen, hätte er den Betrieb wahrscheinlich verlassen. Mehr Eigenverantwortung, Boni, Investitionen ins Personal – Hofele nutzt die ganze Palette. Seit sechs Jahren schon – zu einem Zeitpunkt, zu dem BAV für viele Mittelständler noch ein Fremdwort war  – bietet der Automobilzulieferer betriebliche Altersvorsorge an und schießt freiwillig noch 20 Prozent zu. Seit kurzem können die Mitarbeiter über den Arbeitgeber zudem eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen.

Zusatzversicherungen sind der neueste Trend im Recruiting der mittelständischen Arbeitgeber. Einer, der davon profitiert, ist Markus Sobau, Geschäftsführer der Confina Finanzplanung in Mannheim, die in erster Linie mittelständische Betriebe mit bis zu 500 Mitarbeitern betreut. „Mittelständler müssen versuchen mit dem Einsatz von Geld eine emotionale Bindung zum Unternehmen erzeugen – und der Benzingutschein reicht da nicht mehr“, sagt der Versicherungsmakler. Sobau rennen die Chefs derzeit die Bude ein.

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