Nach Listerienfund Großmetzgerei Sieber meldet Insolvenz an

Nach dem Fund von gesundheitsgefährdenden Listerien musste die Metzgerei Sieber sämtliche Waren zurückrufen. Zu viel für das Unternehmen: Sieber muss nun Insolvenz anmelden.

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Die Großmetzgerei muss Insolvenz anmelden. Quelle: dpa

Geretsried Die Großmetzgerei Sieber, über die wegen bakterienbelasteter Wurst ein Produktionsstopp verhängt wurde, hat Insolvenz angemeldet. „Ich habe heute Vormittag beim Amtsgericht Bad Tölz-Wolfratshausen einen Insolvenzantrag gestellt“, teilte Firmeninhaber Dietmar Schach am Dienstag in Geretsried (Bayern) mit. Das Landratsamt Bad Tölz hatte am 27. Mai ein Vertriebsverbot für sämtliche Produkte der Metzgerei erlassen und den deutschlandweiten Rückruf aller Ware angeordnet. In mehreren Wursterzeugnissen der Firma waren zuvor gesundheitsgefährdende Listerien nachgewiesen worden.

Die Fleischwarenfirma Sieber hatte in der letzten Woche angekündigt, gerichtlich gegen das behördlich angeordnete Produktionsverbot vorzugehen. Es sei Klage gegen den Freistaat Bayern eingereicht worden, sagte der Inhaber Dietmar Schach am Firmenstandort im oberbayerischen Geretsried. Zuvor waren in Proben gesundheitsgefährdende Listerien gefunden worden.

Der Rückruf sämtlicher Waren und die Werksschließung seien politisch motiviert. Es werde der Versuch unternommen, „an einem Betrieb ein Exempel zu statuieren“, um von behördlichen Versäumnissen abzulenken, kritisierte der 51-Jährige. Er bezifferte den täglichen Schaden für sein Unternehmen auf 100.000 Euro. Insgesamt mehrere Hundert Tonnen Ware müssten vernichtet werden. Die Staatsanwaltschaft München II leitete unterdessen Vorermittlungen gegen die Firma ein. „Wir prüfen den Sachverhalt“, sagte Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich.

Das Landratsamt in Bad Tölz hatte zuvor angeordnet, dass sämtliche Sieber-Produkte in Deutschland und dem benachbarten Ausland aus den Ladentheken sowie in Flughäfen und Großkantinen zurückgerufen und vernichtet werden müssen. Das Unternehmen beliefert nach seinen Angaben die Ketten Lidl, Norma, Rewe und Penny, nicht jedoch Aldi. Außerdem verhängte die Behörde ein Betriebs- und Vertriebsverbot für die Großmetzgerei mit 120 Beschäftigten.

Eine Ansteckung mit Listerien kann bei Kleinkindern und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem zu starkem Durchfall und Fieber führen. Bei Gesunden verläuft die Listeriose genannte Krankheit meist harmlos.

Firmeninhaber Schach äußerte den Verdacht, dass sein Unternehmen durch die staatlich angeordneten Sanktionen dafür missbraucht werde, politisch vorzeigbare Erfolge im Kampf gegen Lebensmittelskandale zu erzielen. Er nannte auf Nachfrage die Versäumnisse bei Bayern-Ei.


Verbraucherschutzministerium wies Vorwürfe zurück

Das bayerische Verbraucherschutzministerium wies die Vorwürfe zurück: „Die zuständigen Behörden handeln konsequent zum Schutz der Verbraucher“, erklärte ein Sprecher. „Auch für Betriebe einschneidende Maßnahmen werden zum Schutz der Verbraucher ergriffen, wenn sie rechtlich zulässig und erforderlich sind.“ Die Behörden hätten die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, betonte der Sprecher und ergänzte: „Der Rückruf wird amtlich überwacht. Außerdem wurden weitere Proben genommen, die noch ausgewertet werden. Die weitere Aufklärung der Lieferwege läuft.“

Schach verwies darauf, dass rund 45 im Unternehmen genommene Proben frei von gesundheitsgefährdenden Listerien seien. „Es gibt bis jetzt keine gesicherten Erkenntnisse, wann und wo Keime in unser Unternehmen hineingetragen wurden“, sagte Schach. Allerdings wurden vor Ostern in einem Schweinefleisch-Produkt von Sieber im Nürnberger Land Listerien nachgewiesen. Der Grenzwert wurde dabei um das Zehnfache überschritten.

Bei daraufhin veranlassten verstärkten Proben in Kaufhausregalen waren fünf Produkte mit Listerien belastet. Nach Schachs Worten wurden dabei die behördlich vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten. „Dass auf dieser Tatsachenbasis das gesamte Produktsortiment zurückgerufen werden muss, ist einmalig“, kritisierte der Firmenchef. Zur Zukunft seines Unternehmens sagte er: „Ich weiß es nicht.“ Er arbeite an einem Konzept zur Rettung der Firma.

Nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Erlangen wurden seit 2012 in Deutschland Listeriosen mit einem bestimmten Muster beobachtet. Diesem Ausbruch könnten möglicherweise bis zu 80 Erkrankungsfälle mit dem Schwerpunkt Baden-Württemberg und 22 Fälle in Bayern zugeordnet werden. Acht der erkrankten Personen starben, bei vier von ihnen wird die Listeriose als hauptsächliche Todesursache angesehen. Ob die Todesfälle auf Sieber-Produkte zurückgehen, ist unklar.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) vermutet, dass das Sieber-Produkt „Original Bayerisches Wammerl“ in Zusammenhang mit dem Listeriose-Ausbruch in Süddeutschland von 2012 an bis heute steht. So kam es erst zur Verzehrwarnung durch das bayerische Verbraucherschutzministerium und schließlich zum Rückruf der Ware.

Die vier Toten aus Bayern waren alle deutlich über 50 Jahre alt. Der jüngste war mit 59 Jahren ein Mann aus Schwaben, die älteste eine 88-Jährige aus Schwaben. Sie ist nach den LGL-Angaben auch die einzige, die tatsächlich an den Folgen Listeriose-Erkrankung starb. Die weiteren Opfer sind eine 83 Jahre alte Frau aus Niederbayern und ein 69 Jahre alter Mann aus Oberbayern. Sie und der 59-Jährige starben aufgrund anderer Ursachen. Im Fall der 83-Jährigen sei die Todesursache „nicht ermittelbar“, so das LGL.

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