Neuer SieMatic-Investor Der Staubsauger-Kaiser aus China

Nison-Chef Zugen Ni hat sich beim ostwestfälischen Küchenbauer SieMatic eingekauft.Quelle: SieMatic Quelle: Presse

Wer ist der chinesische Selfmade-Milliardär, der den deutschen Luxus-Küchenhersteller SieMatic gekauft hat?

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Daheim in China kann Zugen Ni sich aussuchen, ob ihn sein Mercedes oder BMW zum Meeting bringen soll. In eine der Limousinen steigt der 61-jährige Firmenchef aber nur mit einem Chauffeur am Steuer. Fährt er selbst, bevorzugt er ein SUV, etwa der Marke Land Rover – wegen der besseren Übersicht vom höheren Cockpit aus.

Auf Geschäftsreise in Deutschland dagegen nimmt Ni ganz bescheiden das Taxi und trägt dunkle Jeans zum dunklen Sakko. Von seinem Milliardenvermögen, das er unter anderem mit der Produktion von Staubsaugern und Rasenmähern gemacht hat, ahnt man angesichts seines unauffälligen Auftritts nichts.

Seine Nison-Gruppe ist der weltgrößte Hersteller von Staubsaugern, obwohl diese für viele Chinesen immer noch ein recht exotisches Produkt darstellen. Für Normalverbraucher sind sie erst seit dem Wirtschaftsboom der Neunzigerjahre erschwinglich.

Die neuen starken Männer in China

Zudem betreibt der Staubsauger-Kaiser ein umfangreiches Exportgeschäft mit chinesischen Elektrobauteilen. Zu den Abnehmern gehören internationale Hausgerätehersteller wie Bosch, Philips oder Gardena. Bereits vor Jahrzehnten belieferte Ni deutsche Traditionsunternehmen wie AEG, Quelle und Otto. Trotzdem waren er und sein 10.000 Mitarbeiter zählendes Unternehmen hierzulande bisher so gut wie unbekannt.

Komplimente brechen das Eis

Seit dem Einstieg des Giganten beim viel kleineren deutschen Küchenhersteller SieMatic ist das anders. Denn Übernahmen durch chinesische Investoren sorgen in Deutschland für misstrauische Aufmerksamkeit. Sie sind umstritten, weil Arbeitnehmer Entlassungen fürchten und Know-how ins Ausland abfließen könnte. Die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft EY zählte für 2017 54 Unternehmensverkäufe von Deutschland nach China. Das sind ganze 14 Deals weniger als im Vorjahr. Doch die Chinesen investierten dabei mit 13,7 Milliarden Dollar so viel wie nie zuvor.


Um die Ängste vor einem Ausverkauf der deutschen Wirtschaft zu nehmen, beteuern die Chinesen regelmäßig, dass sie keine Entkernung und Verlagerung ihrer deutschen Erwerbungen im Sinn hätten. Komplimente an die deutsche Ingenieurskunst sollen das Eis brechen. „Bei SieMatic wird das Management im Amt bleiben, es sind keine Entlassungen von Mitarbeitern oder Verlagerungen der Produktion geplant“, sagt auch Ni. Eine Verlagerung würde laut dem Unternehmer keinen Sinn ergeben, denn er will die Küchenmöbel in China mit dem Argument verkaufen, dass sie in Deutschland produziert wurden. Die SieMatic-Küchen passen zur Zielgruppe der wohlhabenden chinesischen Großstadtbewohner und zu den auf Privathaushalte spezialisierten Vertriebswegen seines Unternehmens.

Nis Besuch in Frankfurt fällt ausgerechnet auf seinen Geburtstag, trotzdem ist es für ihn ein mit Terminen ausgebuchter Arbeitstag. In China werden Geburtstage anders als im Westen kaum zelebriert. Höflich lobt Ni die tapfer vorgetragenen Mandarinkenntnisse seines deutschen Gegenübers, die asiatische Etikette gebietet solche Komplimente. Trotzdem zieht er lieber noch eine Übersetzung hinzu. Doppelt hält besser.

Zwischen Venedig des Ostens und Weltstadt der Küchen


Die von Ni im Jahr 1994 gegründete Nison-Gruppe macht 900 Millionen Euro Umsatz und sitzt in der Millionenstadt Suzhou, nahe der noch größeren Millionenstadt Shanghai. Chinesen preisen Suzhou wegen seiner Wirtschaftskraft und seiner Kanäle gern als asiatisches Venedig.

Dort sieht die Welt ganz anders aus als in der beschaulichen 40.000-Einwohner-Kommune Löhne, dem Stammsitz von SieMatic. Löhne gilt als wichtiger Standort der Möbelindustrie und bezeichnet sich stolz als „Weltstadt der Küchen“. Sogar der deutschstämmige Papst Benedikt XVI. ließ sich eine SieMatic-Küche in seinem Privathaushalt einbauen. Verglichen mit dem Venedig des Ostens ist Löhne aber ein Provinznest.

Ni gehört zur neuen Klasse von chinesischen Unternehmern, die es innerhalb einer Generation zu großem Reichtum gebracht haben. Nach dem Börsengang seiner Staubsauger- und Elektrogeräteproduktion namens Kingclean mit der bei chinesischen Verbrauchern bekannten Marke Lexy kürte ihn das Wirtschaftsmagazin "Forbes" zum Milliardär. Der Marktwert des seit 2015 an der Börse Shanghai notierten Unternehmens liegt bei umgerechnet 2,8 Milliarden Euro.


Für Nis Aufstieg war jahrzehntelange harte Arbeit nötig. Seine technischen Kenntnisse hat sich der Ingenieur Ni autodidaktisch angeeignet, weil in den Wirren der chinesischen Kulturrevolution kein geregeltes Studium möglich war. Als das Staatsunternehmen, in dem er arbeitete, schließen musste, machte Ni sich als Fabrikant selbständig. Seine Startfinanzierung bestand in einer Vorauszahlung eines Kunden in Höhe von 30.000 Dollar.

Von dem historisch erzwungenen Training on the Job hat Ni offenbar profitiert. Praxisnähe und Pragmatismus gehören wohl nach wie vor zu seinen prägenden Eigenschaften. Ein Firmenfoto jedenfalls zeigt ihn am Schreibtisch mit einer Kalligraphie im Hintergrund, die den gesunden Dreiklang aus klarem Willen, akademischem Wissen und praktischer Anwendung zum Wahlspruch erhebt. Chinesen lieben solche Kredos in traditioneller Handschrift.

Börsennotiertes Familienunternehmen

Für ihre internationalen Ambitionen brauchen selbst gestandene Unternehmer wie Ni Berater mit Transaktionserfahrung in westlichen Ländern. „Herr Ni ist ein sehr westlich orientierter chinesischer Familienunternehmer“, sagt Monika Nickl von der M&A-Beratungsfirma Raymond James. Nickl und ihre Kollegin Xinyin Zhang haben die Nison-Gruppe bei ihrer Mehrheitsbeteiligung an SieMatic beraten. Ni hatte bereits vor seinem SieMatic-Einstieg mit zahlreichen Marktteilnehmern in der deutschen Küchenindustrie über mögliche strategische Partnerschaften gesprochen. Da die Transaktion durch eine Auslandsgesellschaft von Nison vollzogen wurde, bedurfte es laut Beraterin Nickl nur punktuell der Zustimmung chinesischer Behörden.


Wie geht es jetzt bei Nison weiter? In China bereitet sich erst mal alles auf die großen Feierlichkeiten zum Jahreswechsel nach dem traditionellen Mondkalender vor. Das neue Jahr des Hundes beginnt dort erst, wenn in Deutschland die Karnevalszeit vorbei ist. „Unsere Pläne für 2018 sind noch nicht konkret, wir wollen den Wert unseres Unternehmens vor allem im Heimatland China steigern“, sagt Ni.

Neue Unternehmenskäufe im Ausland könnte es trotzdem wieder geben. „Sofern es entsprechende Opportunitäten am Markt gibt, sind auch weitere Akquisitionen in Deutschland und Übersee nicht auszuschließen“, lässt der Unternehmer durchblicken.

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