Plagiarius 2017 Die dreisten Tricks der Produktpiraten

Ob Hundeleine, Bürostuhl oder Messgerät – wer erfolgreiche Markenprodukte nachahmt, verdient auf Kosten anderer. Die Aktion Plagiarius hat die frechsten Fälschungen des Jahres gekürt. Und die kommen nicht nur aus Asien.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der EU-Zoll beschlagnahmte an den Außengrenzen der EU 2015 gefälschte Markenprodukte im Wert von 650 Millionen Euro. Die Dunkelziffer liegt weit höher. Quelle: dpa

Düsseldorf Fälscher von Markenprodukten werden immer unverfrorener. Schon 2015 hatten vietnamesische Wirtschaftsfahnder in Ho-Chi-Minh-Stadt bei einer Razzia Fälschungen eines Druckmessgeräts des deutschen Herstellers Wika aus Klingenberg beschlagnahmt. Das hielt die Täter nicht davon ab, es erneut zu versuchen. Bei einer erneuten Durchsuchung ein Jahr später wurden wieder Nachahmerprodukte sichergestellt, diesmal mit dem Emblem „Vika“. Entweder war der vordere Teil des „W“ einfach weggekratzt oder das „W“ durch ein „V“ ersetzt worden. „Die Nachahmer haben sogar in Vietnam versucht, die Marke ‚Vika‘ auf sich anzumelden“, berichtet Christine Lacroix von der Aktion Plagiarius. Ein Löschantrag läuft.

Das gefälschte vietnamesische Druckmessgerät landet auf Platz drei von zehn Gewinnern des Schmähpreises „Plagiarius 2017“, der am Freitag auf der Konsumgütermesse Ambiente in Frankfurt verliehen wurde. Der erste Preis ging an ein Imitat der Roll-Hundeleine „Flexi Explore L“. Vertrieben wird es über diverse anonyme Online-Anbieter mit Scheinidentitäten über Amazon in den USA und täglich wechselnden Accounts, so die Aktion Plagiarius. Die minderwertige Qualität habe in den USA schon zu Kundenbeschwerden geführt. Ein klarer Reputationsschaden für den deutschen Hersteller Flexi-Bogdahn aus Bargteheide.

Platz zwei des Negativpreises ging an ein chinesisches Imitat des weltweit erfolgreichen Bürostuhls „Silver“. Das Original stammt von Interstuhl Büromöbel aus Meßstetten-Tieringen. „Das Design wurde nahezu eins zu eins übernommen, aber mit deutlich billigeren Materialien umgesetzt“, kritisiert die Jury.

Seit 41 Jahren vergibt die Aktion Plagiarius e.V., die von Designerprofessor Rido Busse ins Leben gerufen wurde, für besonders dreiste Plagiate oder Fälschungen einen schwarzen Gartenzwerg. Dessen goldene Nase soll Symbol sein für die lukrativen Gewinne, die Nachahmer auf Kosten von innovativen Herstellern erzielen. Die Auszeichnung mit dem Plagiarius sage nichts darüber aus, ob das jeweilige nachgemachte Produkt im juristischen Sinne erlaubt oder aber rechtswidrig sei. Das hänge von vielen Faktoren ab wie den eingetragenen gewerblichen Schutzrechten. Die gesetzlich garantierte „Nachahmungsfreiheit“, die den technischen Fortschritt fördern soll, legitimiere aber keine nahezu identischen Produkte, bei denen Verwechslungs- oder Täuschungsgefahr bestehe, betont die Aktion Plagiarius. Sie will Produktpiraten und ihre unseriösen Geschäftspraktiken an den Pranger stellen.

Oft stecken international organisierte Banden hinter den Fälschungen. Die meisten der vom EU-Zoll beschlagnahmten Waren kommen aus China und Hongkong. Zu den Herkunftsländern gehören aber auch Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei und Indien. Allein an den EU-Außengrenzen haben die Zollbehörden 2015 mehr als 40 Millionen rechtsverletzende Produkte im Wert von mehr als 650 Millionen Euro beschlagnahmt. Das ist ein Plus von 15 Prozent im Vergleich zu 2014 – und trotzdem nur die Spitze des Eisbergs.

Plagiate fügen allein Unternehmen in Deutschland einen Schaden von geschätzt etwa 56 Milliarden Euro jährlich zu. Das hat die Beratung EY hochgerechnet. Tatsache ist: Wenn billige Imitate den Markt überschwemmen, leidet nicht nur der Ruf der Originalmarke, der Umsatz schrumpft. Das kann Arbeitsplätze kosten und im Extremfall sogar die Existenz bedrohen.

Rund 70 Prozent der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer sind von Produktfälschungen betroffen, so eine Umfrage des Verbands VDMA. Drei Viertel der Kopien kamen aus China. Der Verband schätzt den Schaden durch Piraterie für die Branche auf 7,3 Milliarden Euro 2015. Dennoch ergreifen 44 Prozent der befragten Maschinen- und Anlagenbauer keine Maßnahmen, um sich gegen Plagiate zu schützen. 41 Prozent wählen außergerichtliche Schritte, 32 Prozent gehen vor Gericht. Sechs Prozent lassen an der Grenze beschlagnahmen und fünf Prozent vereinbaren mit den Plagiatoren Zwangslizenzen oder Kooperationen.


Internet ist Umschlagplatz von Fälschungen

Der Armaturenhersteller Hansgrohe aus Schiltach ist beliebtes Opfer von Produktpiraten. Und obwohl der Mittelständler gezielt gegen diese vorgeht, tauchen immer wieder Fälschungen auf. Dieses Jahr wurden gleich zwei chinesische Imitate der Hansgrohe-Waschtischmischer „Axor Starck V“ und „Metris Classic“ mit dem schwarzen Zwerg ausgezeichnet. Der Plagiator der Metris-Armatur, Heshan Khone aus Zhejiang, beschäftigt laut Plagiarius mehr als 120 Mitarbeiter in fünf großen Fabrikgebäuden. Die gefälschte Metris-Armatur bewirbt er in seinem Showroom sowie im Katalog.

Bereits 2011 plagiierte der Chinese Produkte von Hansgrohe und wurde erfolgreich verklagt. Auch jetzt geht Hansgrohe wieder gerichtlich gegen Khone vor – zumal die Qualität der Piratenarmaturen minderwertig ist.

Meist sind die Fälschungen deutlich günstiger als das Markenprodukt – allein das sollte Käufer hellhörig machen. Doch leichtgläubige Schnäppchenjäger fallen im Internet verstärkt auf vermeintliche Sonderangebote herein. Oder sie kaufen gar bewusst minderwertige, aber günstige Fälschungen vor allem von Luxusartikeln wie Uhren, Schmuck, Parfum, Taschen oder Mode. „Das Internet hat den Vertrieb von Fälschungen zum Kinderspiel gemacht“, sagt Volker Bartels vom Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM). Im Netz werden sowohl gefälschte Konsumgüter wie auch Industriegüter gehandelt. Die Spuren der Täter lassen sich im anonymen weltweiten Netz leicht verwischen.

Immer mehr Auftraggeber beziehungsweise Importeure von Plagiaten kommen aus Industrieländern, beobachtet die Aktion Plagiarius. Allein im Maschinenbau ist mehr als jede fünfte Fälschung heute „made in Germany“. Bei den Nachahmern handelt es sich laut Aktion Plagiarius zunehmend um ehemalige Produktions- oder Vertriebspartner. Sehr gezielt prüfen die Täter heutzutage bei erfolgreichen Produkten von Mitbewerbern, inwieweit gewerbliche Schutzrechten bestehen. „Sind keine Schutzrechte eingetragen, werden ohne Skrupel Eins-zu-eins-Plagiate hergestellt“, beobachtet Christine Lacroix. Die Fälscher kopierten am Markt erfolgreiche Produkte und minimierten ihr eigenes unternehmerisches Risiko.

Manch dreister Fälscher verlangt für sein Plagiat sogar mehr als für das Original. Die orange Pilotjacke „Mascot Safe Image“ vom gleichnamigen dänischen Hersteller für Arbeitsschutzkleidung verkaufte Wettbewerber Rukka aus der Schweiz in leicht abgewandelter Form auf dem heimischen Markt, berichtet die Akion Plagiarius. Der Preis des Originals betrug 158 Euro, die Fälschung kostete umgerechnet etwa 184 Euro.

Auf Anfrage von Plagiarius erläuterte Rukka, man habe auf speziellen Wunsch eines langjährigen Kunden in kleiner Stückzahl Jacken „im Stil von Mascot“ hergestellt. Wenn auch nicht bei den Produktkopien, so zeigen sich Plagiatoren wenigstens bei den Ausreden erfinderisch.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%