Plötzlich Chefin In den Schuhen des Vaters

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Sarah Maier: Tradition bewahren

Sarah Maiers Möbel sind selbst in New York begehrt. Heute einen Handwerksbetrieb zu führen ist trotzdem eine Herkulesaufgabe. Quelle: Deniz Saylan für WirtschaftsWoche

Der Schriftsteller Ernest Hemingway hat Courage einmal mit „Anmut unter Druck“ beschrieben. Auf kaum jemanden passt die Definition „Grace under Pressure“ so gut wie auf Sarah Maier.

Die Innenarchitektin sitzt gespannt wie eine Feder am Schreibtisch und zeichnet Entwürfe für den Umbau einer Villa in Baden-Baden. Die russischen Besitzer möchten es neobarock, und Maier wird diesem Auftrag auf die ihr eigene Art nachkommen. Sie wird das gewünschte Ambiente mit viel Gold durch knallige Farben und dem Einsatz von ungewöhnlichen Materialkombinationen wie Holz, Kunststoff, Lederfliesen und Filz konterkarieren.

In ihrer Jugend war sie vielfache deutsche Meisterin im Synchronschwimmen und hat sich schon oft im Leben mutig ins Ungewisse gestürzt. Bestens vorbereitet für die Aufgaben im Familienunternehmen war sie zudem mit ihren beiden Diplomen als Architektin und Kauffrau.

Trotzdem sagt die 37-Jährige heute, sie sei „damals heillos überfordert gewesen“, als sie 2006 als Geschäftsführerin in den Familienbetrieb Ursula Maier im schwäbischen Markgröningen einstieg. Ehrliche Worte.

Maier stand vor großen Aufgaben. Die Firma, die Möbel designt und Inneneinrichtungen fertigt, bedurfte der dringenden Modernisierung, bei gleichzeitiger „Bewahrung der handwerklichen Traditionen, die uns berühmt gemacht haben“, sagt Maier. Angemerkt habe ihr die Nervosität aber höchstens ihre Mutter.

Die, Ursula Maier, ist Schreinermeisterin und hat den über 100 Jahre alten Betrieb mit heute 25 Mitarbeitern vergangenes Jahr an ihre Tochter übergeben. Sie folgte einem Gründer, der 1910 Akademieprofessor für Möbelentwurf war, und dessen Nachfolger, der neue Schreinerei-Maschinen entwarf, die er weltweit verkaufte und die das Handwerk revolutionierten. Die Messlatte liegt hoch in diesem Betrieb.

Dann übernahmen die Frauen: Sarahs Mutter wandelte die Schreinerei in einen Komplettanbieter für Inneneinrichtungen um. Sarah ist die Experimentierfreudige mit nüchternem Geschäftssinn. Sie hat diverse Designpreise gewonnen, vor allem für die Kreation ihrer Küchenkollektion: „Da stand ein 45 Jahre gelagerter französischer Nussbaum im Keller, genau passend für einen Küchenblock“, sagt sie. Dem verpasste sie eine magentafarbene Oberfläche. Der pinkfarbene Küchenknaller ziert inzwischen alte Bauernhäuser im hohen Norden, ultramoderne Unternehmervillen in Schwaben und ein Loft in New York.

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Fehler erlaubt

Die Designerin meint, mit ihr sei eine völlig neue Unternehmer-Generation am Werk: „Ich stehe zu meiner Lernkurve. Anders als meine Vorfahren kann ich Fehler zugeben.“ Um auch ihre Mitarbeiter darin zu schulen, aus ihren Missgeschicken zu lernen und über Innovationen nachzudenken, gab es lange Zeit zwei Ordner. Einen mit der Aufschrift „Geldvernichtung“ und einen mit dem Titel „Zukunft“. „Da haben wir dokumentiert, was schiefgelaufen ist und was wir noch erfinden müssen“, lacht Maier.

Heute, gibt sie zu, ist sie längst nicht mehr so fordernd wie am Anfang ihrer Unternehmerlaufbahn. Frisch am Start, mit 29 Jahren, schaffte sie kurzerhand das 13. Gehalt ab und ersetzte es durch eine gewinnorientierte Provisionierung – „rein leistungsbezogen“. Den anschließenden Aufschrei der Mitarbeiter wetterte sie ab. „Ich hab das Ding einfach durchgezogen“, sagt Maier, „heute bin ich milder.“ Und schickt gleich hinterher, dass sich das „dringend“ wieder ändern müsse.

Aber Firmen- und Familienaufbau fordern ihren Tribut. Um alles parallel mit gleicher Energie voranzutreiben, fehle ihr manchmal schlicht die Kraft, gibt die dreifache Mutter zu. „Aber die Kinder sind wichtig. Nachwuchs erdet. Und ein geerdeter Chef ist ein anderer Chef.“

Um Luftschlösser zu bauen, ist die Geschäftslage auch zu volatil. Leider, sagt Maier, verdiene sich das Geld heutzutage nicht mehr so leicht im Hochlohnland Deutschland. Dann seufzt sie. Kaum hörbar. Und nur kurz. Drückt das Kreuz durch und zeichnet einfach weiter.

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