Presswerke feiern den Retro-Boom Das Comeback der Schallplatte

Vinylplatten erlebten in den vergangenen Jahren ein unerwartetes Comeback. Mit der boomenden Nachfrage können die verbliebenen Presswerke kaum Schritt halten. Eine Branche der Vergangenheit erlebt die Auferstehung.

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Eine totgeglaubte Branche erlebt einen Boom. Quelle: dpa

Lodenice Langspielplatten auf Vinyl sind bei vielen Musikliebhabern wieder in, seit Jahren erfreut sich die Branche zweistelliger Zuwachsraten. Einer der Großen im boomenden Vinyl-Markt ist die Firma GZ Media in Lodenice südwestlich von Prag. Nun will das Traditionsunternehmen nach Nordamerika und Asien expandieren und sich als größter Plattenhersteller weltweit etablieren.

GZ Media produziert Tag und Nacht an 365 Tagen im Jahr ¬ sogar an Weihnachten. „Niemand hat erwartet, dass die Produktion von Vinylschallplatten ein so starkes Comeback erlebt“, sagt Unternehmenschef Michal Sterba. In diesem Sommer will das Unternehmen ein neues Werk in Kanada eröffnen, nach Investitionen von umgerechnet 8,8 Millionen Euro soll in Burlington nahe Toronto ein Joint Venture mit einem kanadischen Partner an den Start gehen.

2017 soll Precision Record Pressing bereits drei Millionen Tonträger produzieren, in drei Jahren fünf bis sechs Millionen. Auch an einem bereits bestehenden Presswerk in den USA mit einer Kapazität von drei Millionen Platten will sich das Unternehmen einen Mehrheitsanteil sichern. „Unser Hauptziel ist es, in ein paar Jahren auf dem US-Markt die Nummer Eins oder Zwei zu werden“, betont Sterba.

Das tschechische Unternehmen hat bewegte Zeiten hinter sich. Schallplatten produziert es seit 1951, zunächst unter dem Namen Gramofonove zavody Lodenice. Als nach Ende des Kalten Krieges CDs den Markt eroberten, sank die Produktion Mitte der 1990er auf ein Rekordtief von rund 300 000 Platten jährlich - die Tage analoger Tonträger schienen gezählt. Doch im Jahr 2010 erholte sich der Markt; 2015 schnellte die Produktion auf 18 Millionen Scheiben, in diesem Jahr sollen es rund 25 Millionen werden. Das ist ein großer Anteil am Weltmarkt: Insgesamt wurden im vergangenen Jahr wohl zwischen 90 und 100 Millionen Scheiben produziert, offizielle Zahlen existieren keine.

Größte Wettbewerber sind das deutsche Unternehmen Optimal Media, das im vergangenen Geschäftsjahr rund 16 Millionen Platten produzierte, und United Record Pressing in Nashville in den USA mit rund elf Millionen Schallplatten 2015. „Im Moment exportieren wir den Großteil unserer Produktion, und etwa ein Drittel landet in Nordamerika“, sagt Sterba. „Es ist ein logischer Schritt für uns, eine neue Fabrik in Nordamerika zu öffnen, weil wir dort einen ziemlich starken Kundenstamm haben.“

Der Gesamtumsatz von Vinylalben schnellte nach Angaben des Verbandes der amerikanischen Musikindustrie RIAA von 2014 auf 2015 um 32,2 Prozent auf 365 Millionen Euro. Mit lediglich rund drei Prozent haben sie jedoch nach Angaben des Internationalen Verbandes der Phonoindustrie IFPI weltweit nur einen winzigen Anteil am gesamten Musikmarkt. In den USA liegt die Zahl mit sechs Prozent etwas höher. Doch der Trend ist klar: In den USA wurden 2015 fast 17 Millionen Platten verkauft, der Umsatz kletterte auf den höchsten Stand seit 1988. Laut RIAA wird mit den altmodischen Scheiben sogar mehr umgesetzt als mit werbefinanzierten On-Demand-Diensten wie YouTube oder Spotify Free.

Mit der Nachfrage Schritt zu halten, ist eine Herausforderung - das tschechische Werk hat hier einen Wettbewerbsvorteil: Weil in den vergangenen 30 Jahren keine neuen Produktionsanlagen für den Markt entwickelt wurden, investierte GZ Media in eigene Pressmaschinen. Nun haben alle großen Musiklabels Verträge mit dem Unternehmen - heute ist es wieder Standard, neue Alben auch in Vinyl anzubieten. In Lodwnice werden Platten von Rock bis Klassik gepresst - und auch die Albumcover gedruckt.

Besonders stolz ist das Unternehmen auf den Auftrag für 40 000 Boxsets der Rollings Stones-Alben, auch der Star-Wars-Soundtrack samt 3-D-Hologramm eines Raumschiffes wird in Tschechien produziert. Sterba erwartet im laufenden Jahr eine Umsatzsteigerung von zehn bis 15 Prozent auf umgerechnet rund 89 Millionen Euro.

Wie lange das Comeback von Vinyl dauert, kann keiner so recht vorhersagen. Der Prager DJ und Plattenladenbesitzer Robert Maly kann den Trend jedenfalls nachvollziehen. „Die Leute haben die virtuelle Musik satt“, erklärt er. „Sie wollen das Gleiche erleben wie ihre Eltern, die Platte aus der Hülle nehmen und auf einen Plattenteller setzen. Der Sound ist anders.“

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