Der Fall taugt zum Lehrstück: Fast immer muss bei Insolvenzen die Familie aushelfen. Entsprechend sinnvoll sind Vermögenstransfers – zumindest, solange sie nicht wie bei Flowtex-Pleitier Manfred Schmider ablaufen. Der organisierte noch aus dem Gefängnis heraus, wo er wegen des Milliardenschwindels um seine luftigen Geschäfte saß, den Abtransport von vier Chagall-Gemälden und eines Geländewagens in die Schweiz zu seiner Ehefrau. Er wollte ihr damit „eine Freude machen“, rechtfertigte Schmider den Beutezug später vor dem Landgericht Mannheim. Das verurteilte ihn wegen Bankrott-Vergehen zu einer Bewährungsstrafe.
Ungefährlicher sind Schenkungen an Angehörige, möglichst lange bevor die ersten Probleme auftauchen. „Das unternehmerische Risiko minimiert man am besten, solange es finanziell gut läuft“, rät der Kölner Insolvenzexperte Andreas Ringstmeier, zu dessen Mandanten unter anderem Quelle-Erbin Schickedanz gehört. „Dann lassen sich Vermögenswerte auf Familienmitglieder übertragen.“
Der Haken: Solche Transaktionen sind nach vier, in manchen Fällen sogar erst nach zehn Jahren vor dem Zugriff von Insolvenzverwaltern sicher. Ein Problem, das nun auch den derzeit prominentesten Pleitier einholt.
Auf der Spur des Geldes
Die Villa liegt inmitten eines parkähnlichen Areals in einem Vorort von Bielefeld. Ein hoher Zaun schirmt das Middelhoff-Anwesen ab. Sein juristischer Schutzwall um die Immobilie jedoch weist Lücken auf. „Wir haben einige Zahlungen und Vermögensübertragungen identifiziert, die anfechtbar sind und die wir für die Gläubiger zurückfordern werden“, sagt Middelhoffs Insolvenzverwalter Thorsten Fuest. Dazu gehörten Zahlungen an Banken, aber „auch die Übertragung einer Immobilie in Bielefeld in eine Familiengesellschaft“. Middelhoff muss um seine Villa bangen.
Mit zwölf Mitarbeitern versucht Fuest derzeit zu rekonstruieren, wohin Middelhoffs Millionen in den vergangenen Jahren geflossen sind. Der Verwalter gilt in der Branche als geradliniger, verbindlicher Typ, der seine Fälle gleichermaßen unaufgeregt wie sorgfältig erledigt. Fuest hat Erfahrung beim Aufspüren von Vermögenswerten. So war er 2006 bei der Insolvenz des Geldtransportunternehmens Heros im Einsatz.
Der Middelhoff-Prozess von A bis Z
Die Pleite des Arcandor-Konzerns (Karstadt, Quelle, Thomas Cook) im Jahr 2009 war einer der spektakulärsten Firmenzusammenbrüche der Nachkriegszeit. Thomas Middelhoff leitete das Unternehmen bis wenige Monate vor dessen Ende. Im Essener Prozess ging es aber nicht um die Pleite selbst, sondern „nur“ um den Verdacht, dass der Manager Arcandor Kosten in Höhe von 1,1 Millionen Euro zu Unrecht in Rechnung gestellt haben soll - vor allem für teure Flüge in Privatjets. Middelhoff weist diese Vorwürfe entschieden zurück.
Auslöser für die umfangreiche Nutzung von Privatjets war Middelhoff zufolge eine Bombendrohung gegen ein Linienflugzeug, in dem er gesessen hatte. Danach sei er aus Sicherheitsgründen auf Charterjets umgestiegen. Insgesamt nutzte Middelhoff in seiner Zeit bei Arcandor nach eigenen Angaben 610 Mal Privatjets. Er selbst habe 210 Flüge bezahlt, die übrigen 400 seien Arcandor in Rechnung gestellt worden. Im Prozess geht es allerdings nur um 48 dieser Flüge, bei denen die Staatsanwaltschaft die dienstliche Veranlassung bezweifelt. Deren Gesamtkosten beziffert die Anklage auf 945 000 Euro.
Thomas Middelhoffs sonst eher öffentlichkeitsscheue Ehefrau Cornelie erinnerte sich als Zeugin im Essener Prozess vor allem an die hohe Arbeitsbelastung ihres Mannes in der Arcandor-Zeit: „Er hat eigentlich immer gearbeitet, immer, immer.“
Dauerstau auf dem Weg zur Arbeit ist für viele Pendler ein Ärgernis - nicht aber für Middelhoff. Als eine Baustelle am Kamener Kreuz die Fahrt zwischen seinem Wohnsitz in Bielefeld und der Konzernzentrale in Essen zur stundenlangen Quälerei machte, stieg er auf Hubschrauber um. Die Rechnung ging an Arcandor. Zu Recht, findet Middelhoff: Er habe so nämlich effizienter arbeiten können. Zu Unrecht, findet die Anklage: Die Kosten für den Arbeitsweg seien Sache des Arbeitnehmers.
Ein weiterer Vorwurf der Anklage: 180 000 Euro habe Arcandor auf Veranlassung Middelhoffs für eine Festschrift zu Ehren des ehemaligen Bertelsmann-Chefs Mark Wössner spendiert. Für die Staatsanwaltschaft ist das Buch ein „persönliches Geschenk“ Middelhoffs an seinen früheren Mentor. Der Manager hätte demnach für das teure Präsent selbst zahlen müssen. Nach Middelhoffs Worten diente die Festschrift dagegen der Verbesserung des Arcandor-Images und der Netzwerkpflege.
Für Middelhoff wurden nach eigener Aussage vor allem die Besuche der Gerichtsvollzieher im Gerichtssaal zur Belastung. Sie nutzten die Gelegenheit, um den im südfranzösischen Saint-Tropez lebenden Manager mit Millionenforderungen seiner Gläubiger zu konfrontieren. In einem Fall pfändete ein Gerichtsvollzieher sogar eine wertvolle Armbanduhr. Die Pfändungsversuche seien demütigend, sagte Middelhoff selbst am Rande des Verfahrens: „Das ist wie ein apokalyptischer Traum.“
Zeitweise wurde das Verfahren in Essen von einem drohenden Haftbefehl gegen Middelhoff überschattet. Eine Gerichtsvollzieherin hatte diesen laut einem „Spiegel“-Bericht beantragt, um den Manager im Zusammenhang mit Zahlungsforderungen des Arcandor-Insolvenzverwalters zur Offenlegung seiner Vermögensverhältnisse zu zwingen. Das Thema erledigte sich nach Angaben der Middelhoff-Anwälte aber von selbst, als dessen Managerversicherung eine Haftungsgarantie für 3,4 Millionen Euro übernahm.
Middelhoff stand zu diesem Zeitpunkt im Zenit seiner Karriere: Aktionäre feierten Big T. als Retter des KarstadtQuelle-Konzerns – und er feierte mit. Der Manager düste vorzugsweise im Charterjet durch die Welt und nannte neben dem Bielefelder Quartier eine Prachtvilla in Saint-Tropez samt Pinien, Palmen und Pools sein Eigen. Unten im türkisblauen Meer ankerte die 33-Meter-Yacht Medici. Und wenn die Vorstandskollegen aus Essen einflogen, wurde flugs eine Doppel-Magnumflasche Château Cheval Blanc für 2000 Euro entkorkt.
Als strapaziöser für die Middelhoff’sche Kasse erwiesen sich allerdings Beteiligungen der Eheleute an etlichen steueroptimierten Immobilienfonds, denen Karstadt-Häuser gehörten. Die Middelhoffs investierten auf Pump – und in großem Stil. Das wurde 2009 zum Problem, als Karstadt Insolvenz anmeldete, in der Folge auch die Immobilienfonds in Schieflage gerieten und der Absturz vom Superreichen zum Superschuldner begann.
Middelhoff hat versucht, sein Vermögen zu retten
Spätestens zu diesem Zeitpunkt, davon ist Insolvenzverwalter Fuest überzeugt, habe Middelhoff geahnt, dass es für ihn finanziell eng werden würde. „In der Folge ist in Sachen ‚asset protection‘ viel passiert“, konstatiert Fuest. „Da wurde sehr gründlich und mit Bedacht gearbeitet.“ Im Klartext: Vor seinem Insolvenzantrag im März soll Middelhoff versucht haben, seinen Besitz systematisch abzuschirmen. Sein Anwalt, der Berliner Jurist Hartmut Fromm, weist das zwar als „falsch“ zurück. Doch Unterlagen aus Grundbüchern zeigen ein anderes Bild.
So hat Middelhoff seinen Bielefelder Immobilienbesitz ab 2011 auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts übertragen, die größtenteils seiner Frau und den fünf Söhnen gehört. Vorteil der Konstruktion: Vor der Insolvenz kamen seine Gläubiger an das Anwesen nicht heran. Die Besitzverhältnisse der Mittelmeer-Villa sind ähnlich diffizil.