Dass die Gläubiger, die von Middelhoff rund 104 Millionen fordern, vom Versteckspiel ihres Schuldners nicht sonderlich angetan waren, liegt auf der Hand. Noch mehr reizte sie aber sein Auftreten. Während sie nach Kräften vollstreckten, ließ es sich Middelhoff nicht nehmen, mal im Bentley Cabrio, mal im Audi A8 bei Gerichtsterminen vorzufahren.
Middelhoffs Mätzchen könnten sich rächen. „Wenn Sie zu Verhandlungen in der Luxuskarosse vorfahren oder die goldene Uhr am Handgelenk blitzt, hebt das kaum die Stimmung der Gläubiger“, sagt der Berliner Insolvenzspezialist Rolf Rattunde. Denn spätestens in der Pleite entscheiden die Gläubiger mit. So muss sich Middelhoff-Verwalter Fuest mit dem vorläufigen Gläubigerausschuss abstimmen, einer Art Aufsichtsrat in Insolvenzverfahren. In dem Gremium, das über Middelhoffs Schicksal mitbestimmt, sitzen seine sieben wichtigsten Gläubiger.
Der Middelhoff-Prozess von A bis Z
Für Schlagzeilen sorgte Middelhoff, als er im Juli nach einem Besuch beim Gerichtsvollzieher über ein Garagendach vor den wartenden Journalisten flüchtete. Middelhoff selbst schien stolz auf die Aktion: „Ich bin wie die Katze übers Dach. Ich musste drei Meter tief auf eine Garage springen und dann noch einmal drei Meter auf die Straße“, berichtete der 61-Jährige danach. Der Manager hatte beim Gerichtsvollzieher seine Vermögensverhältnisse offenlegen müssen.
Trotz des Ärgers mit diversen Gläubigern fuhr Middelhoff an den Verhandlungstagen standesgemäß mit einer Limousine und eigenem Fahrer vor. Allerdings musste er sich nach dem Aussteigen mit allen anderen Anwesenden in die Warteschlange an der Sicherheitsschleuse einreihen.
Beim Mittagessen zeigte sich Middelhoff an den Prozesstagen bodenständig: Er nahm es in der Regel in der Gerichtskantine ein.
Der Untreue-Prozess gegen Thomas Middelhoff begann gleich mit einer Panne. Wegen eines Formfehlers des Gerichts am ersten Tag musste das Verfahren am zweiten Tag noch einmal von vorn beginnen. Sowohl die mehr als einstündige Verlesung der Anklage als auch die weit umfangreichere persönliche Erklärung Middelhoffs mussten wiederholt werden. Middelhoff zeigte sich verärgert über die Zeitvergeudung.
Die Empfehlung, nach der Bombendrohung gegen einen Linienflieger aus Sicherheitsgründen nur noch Charterjets zu nutzen, soll nach den Worten Middelhoffs von der Arcandor-Großaktionärin Madeleine Schickedanz gekommen sein. Sie habe sogar zugesagt, bei Privatflügen die Mehrkosten zu übernehmen, berichtete der Manager. Schickedanz selbst bestritt allerdings als Zeugin eine derartige Zusage vehement.
Die Verteidigung Middelhoffs hat einen Freispruch für den Angeklagten gefordert. Dagegen verlangte die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten wegen schwerer Untreue - Middelhoff habe den früheren Karstadt-Quelle-Konzern „nach Gutdünken“ mit Kosten seiner zahlreichen externen Nebentätigkeiten belastet.
Eine bei Middelhoff bei einer Taschenpfändung im Essener Landgericht gepfändete Armbanduhr der Nobelmarke Piaget wurde von der Gerichtsvollzieherin nach Zwangsvollstreckungsrecht im Internet versteigert. Der prominente Vorbesitzer ließ die Uhr für die Bieter offensichtlich attraktiv erscheinen: Obwohl ihr Wert in einem Gutachten lediglich auf 2800 Euro geschätzt wurde, erzielte sie bei der Online-Auktion am Ende einen Preis von 10 350,99 Euro.
Die Methode-Windhorst
Darunter sind nach Informationen der WirtschaftsWoche Vertreter der Sparkasse KölnBonn und des Bankhauses Sal. Oppenheim sowie der Berliner Immobilienfirma Gewobag und der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen. Mit von der Partie sind auch Anwälte von Middelhoffs Geschäftspartner Josef Esch und von Beraterlegende Roland Berger sowie Arcandor-Insolvenzverwalter Hans-Gerd Jauch. Die Atmosphäre zwischen Gläubigern und Schuldner ist angespannt. Am Ende dürfte im Casus Middelhoff dennoch die Ratio entscheiden, sprich: das Geld. Das Ausprozessieren sämtlicher Forderungen könnte Jahre dauern. Eine Möglichkeit gebe es daher für Middelhoff noch, sagt ein beteiligter Anwalt: „die Methode Windhorst“.
Gemeint ist jener Wirtschaftswunderknabe, der mit 14 Jahren schon elektronische Bauteile aus China importiert, im Schlepp des damaligen Kanzlers Helmut Kohl Asien besuchte, in Vietnam einen 224 Meter hohen Windhorst-Tower plante – und dessen Reich 2004 implodierte. Auch privat meldete Windhorst Konkurs an. Heute fädelt er als Investor Milliardendeals ein, zuletzt mit der BASF-Tochter Wintershall.
Die Basis für das erstaunliche Comeback bildete ein Ablasshandel. Dem Jungpleitier war es nach der Insolvenz gelungen, in seinem Umfeld 1,6 Millionen Euro aufzutreiben. Die Summe bot er seinen Gläubigern als Abfindung auf deren Ansprüche von rund 72 Millionen Euro an. Sie stimmten zu, und Windhorst war innerhalb weniger Monate raus aus der Insolvenz. „Krass“, fand das selbst der Insolvenzverwalter.
Inzwischen sind solche Deals nichts Ungewöhnliches mehr. Sogenannte Insolvenzpläne, eigentlich Instrumente, um Unternehmen zu sanieren, ermöglichen den privaten Schuldenschnitt. Der Deal: Zeit gegen Geld. „Normalerweise wird den Gläubigern angeboten, nicht nur das Vermögen des Schuldners zu verwerten“, sagt Insolvenzspezialist Muschalle, sondern „aus dem Familien- oder Freundeskreis einen zusätzlichen Betrag beizusteuern“. Stimmen die Gläubiger zu, muss ein Schuldner damit nur einen Bruchteil der üblichen sechs Jahre auf seine Restschuldbefreiung warten. „Mit einem optimal vorbereiteten Plan kann das Thema Insolvenz nach zwei bis drei Monaten durch sein“, sagt Experte Rattunde.
Auch Middelhoff könnte davon profitieren. „Ein Insolvenzplan wäre sinnvoll“, sagt sein Anwalt. Auch Verwalter Fuest dürfte sich kaum sperren, das „sehr kleinteilige“ Verfahren abzukürzen. Bleibt die Frage, ob die Gläubiger mitziehen. Immerhin, der Grundstock für ein Angebot an sie wäre wohl schon da: Verwandte und Bekannte des Managers hatten Ende April 895 000 Euro Kaution für seine Entlassung aus der Untersuchungshaft gegeben. „Der Betrag wäre ein Anfang“, sagt ein Mitglied des Gläubigerausschusses.