Sennheiser Die Audio-Legende mit Techniker-Image

Legendäre Studiomikrofone und exklusive Kopfhörer: In den vergangenen 70 Jahren ist Sennheiser zum Audiospezialisten aufgestiegen. Das Unternehmen ist aus vielen Wohnzimmern und von den Bühnen dieser Welt nicht wegzudenken.

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Die Enkel des Firmengründers, Daniel und Andreas Sennheiser Quelle: Mehmet Toprak

Wedemark, ein Provinzstädtchen in Niedersachsen, eine halbe Autostunde vom Hauptbahnhof entfernt: Viel los ist nicht in der 30.000-Einwohner-Gemeinde. Die Landwirtschaft und ein Naherholungsgebiet prägen das Bild von der Region. Ausgerechnet hier hat ein deutsches Vorzeige-Unternehmen in Sachen Hightech seinen Firmensitz: die Sennheiser electronic GmbH.

Berühmt geworden ist Sennheiser mit Mikrofonen und Kopfhörern. Aber am Anfang stand ein Röhrenvoltmeter. Das Spannungsmessgeräte war das erste Produkt, das der Ingenieur Fritz Sennheiser in seinem 1945 gegründeten Unternehmen "Laboratorium Wennebostel" - kurz: "Labor W" - produzierte. Schon die Entwicklung zeigt, wo Sennheiser seinen Ursprung und seine Stärken hat: Ingenieursgeist und Messtechnik.

Wie Sennheiser zum Weltmarktführer wurde
Elektroingenieur Prof. Dr. Fritz Sennheiser Quelle: Presse
Labor W in einem Bauernhaus Quelle: Presse
Mikrofon DM 2 (MD 2) Quelle: Presse
Labor W expandiert Quelle: Presse
Der erste offene Kopfhörer Quelle: Presse
Prof. Dr. Jörg Sennheiser, Sohn von Fritz Sennheiser Quelle: Presse
Sennheiser Quelle: dpa/dpaweb

Wer das Sennheiser-Werk heute besucht, sieht freilich nichts mehr von Voltmeter und Spannungsmesstechnik. In den vergangen 70 Jahren hat sich viel verändert. Besucher betreten einen polierten Flagship Store, in dem Produkte wie schicke Mobilkopfhörer für Freizeitsportler ausgestellt sind. Im Foyer steht ein Kickertisch. Start-up-Geist herrscht auch beim Mittagessen: Daniel und Andreas Sennheiser, die millionenschweren Enkel des Firmengründers, sind täglich in der Firmenkantine anzutreffen.

Trotz der familiären Atmosphäre ist klar, dass aus dem einstigen Labor W längst eine weltweit agierende Hightech-Company geworden ist. Allein 2014 lag der Jahresumsatz bei 590 Millionen Euro.

Stammwerk in der Wedemark. Quelle: PR

Einer der erklären kann, wie das Unternehmen Sennheiser tickt, ist Peter Arasin. Regelmäßig führt der einstige Produktmanager für Mikrofone  Besucher durch die Werkshallen in Wedemark. Kaum ein Produkt, zu dem Arasin nicht eine Anekdote bereithielte. Etwa die zu Sennheisers erster Eigenentwicklung, dem Mikrofon MD 2. Das kam 1947 unter dem Namen DM 2  in den Handel - und sorgte für Missverständnisse. Weil viele Kunden aus der Produktbezeichnung schlossen, das Mikrofon koste nur zwei Mark, wurde es bald umbenannt – die Buchstaben wurden getauscht. Trotz Namens-Wirrwarr hatte Sennheiser sein Steckenpferd gefunden: Mikrofone sollten für Jahrzehnte das Kerngeschäft des Unternehmens bilden. Arasin erzählt auch gerne launige Anekdoten wie die von der Popsängerin, deren Gesangsmikrofon nach einigen Auftritten so mit Lippenstift verschmiert war, dass es vom Sennheiser-Service komplett auseinandergenommen und gereinigt werden musste.

Mikrofone haben das Unternehmen von Fritz Sennheiser groß gemacht. Etwa zwei Jahrzehnte lang bildeten sie das Kerngeschäft. 1968 kam ein Produkt hinzu, das in der Welt der Unterhaltungselektronik für Aufsehen sorgte. Der erste offene Kopfhörer, der HD 414, war nicht nur bequemer und leichter als die bis dahin üblichen ledergepolsterten Hörer. Er klang auch deutlich besser.

Die 15 innovativsten deutschen Mittelständler
Platz 15: BenderStandort: Grünberg Unternehmensfokus: Elektrotechnik Umsatz 2014: 100 Mio. Euro Innovationsscore: 163Um Deutschlands innovativste Mittelständler zu ermitteln, wertete die Unternehmensberatung Munich Strategy Group (MSG) zunächst die Daten von 3300 deutschen Unternehmen aus, die zwischen zehn Millionen und einer Milliarde Euro umsetzen. Die Berater analysierten Jahresabschlüsse und Präsentationen, sprachen mit Kunden und Branchenexperten sowie Geschäftsführern, Inhabern und Beiräten der Unternehmen.Nach den Experteninterviews und Erfolgsanalysen nahm MSG 400 Unternehmen in die engere Wahl. Für jedes errechnete die Beratung einen eigenen Innovations-Score. Dabei achteten die Berater darauf, dass sich das Unternehmen durch ständige Neuheiten auszeichnet, von Wettbewerbern als innovativ angesehen wird und eine ideenfördernde Kultur etabliert hat. Zudem flossen zu einem Drittel auch wirtschaftliche Indikatoren wie Umsatz- und Gewinnwachstum in die Bewertung ein. „Ein innovatives Unternehmen zeichnet sich dadurch aus, dass es mehr als 25 Prozent seines Umsatzes mit Produkten macht, die erst in den vergangenen vier Jahren entstanden sind“, sagt MSG-Gründer und Studienleiter Sebastian Theopold. Das erste Ranking dieser Art hatte MSG im vergangenen Jahr für die WirtschaftsWoche erstellt (Heft 15/2014). Anders als im Vorjahr haben es diesmal auch viele Hersteller von Konsumprodukten unter die Top 50 geschafft, so etwa Ravensburger (Spiele), Rügenwalder (Wurst) oder Soldan (Bonbons).Der Großteil der Innovations-Champions entstammt allerdings nach wie vor der traditionellen Paradedisziplin des deutschen Mittelstands: dem Maschinenbau. Quelle: PR
Platz 14: BiotestStandort: Dreieich Unternehmensfokus: Bioheilmittel Umsatz 2014: 582 Mio. Euro Innovationsscore: 164 Quelle: PR
Rapunzel Quelle: PR
Platz 12: MetaboStandort: Nürtingen Unternehmensfokus: Elektrowerkzeuge Umsatz 2014: 374 Mio. Euro Innovationsscore: 167 Quelle: PR
Platz 11: BrücknerStandort: Siegsdorf Unternehmensfokus: Folienmaschinen Umsatz 2013: 754 Mio. Euro Innovationsscore: 171 Quelle: PR
Platz 10: SennheiserStandort: Wedemark Unternehmensfokus: Mikrofone Umsatz 2014: 635 Mio. Euro Innovationsscore: 172 Quelle: dpa
Platz 9: Rügenwalder MühleStandort: Bad Zwischenahn Unternehmensfokus: Wurst Umsatz 2014: 175 Mio. Euro Innovationsscore: 173 Quelle: PR

Mit insgesamt zehn Millionen Stück gilt der HD 414 heute als der meistverkaufte Kopfhörer der Welt. Vor allem die Tonbandfreunde der siebziger und achtziger Jahre liebten den Hörer mit den charakteristischen gelben Schaumstoffpolstern. Letztere gibt es übrigens bis heute als Ersatzteil zu kaufen.

Innovation in der Funktechnik

Eine technische Neuentwicklung gelang Sennheiser auch bei den Mikrofonen. 1957 brachte er das erste Funkmikrofon für den Einsatz im Fernsehstudio auf den Markt. Dass die Funkmikrofone heute bei Veranstaltungen, Konzerten und TV-Sendungen zum Standard geworden sind, daran hat Sennheiser maßgeblichen Anteil. Neben Sennheiser mischen aber auch Unternehmen wie AKG oder Beyerdynamic mit professionellen Produkten mit.

Mikrofone für Rundfunk, TV, Musikstudios und Konzerte; Kopfhörer für Radiosprecher und Musikliebhaber; Headsets für Flugpiloten und Konferenzsysteme - über die Jahrzehnte hat Sennheiser sein Portfolio und seine Marktpräsenz in kleinen Schritten ausgebaut. Selbst die kleinen Kopfhörer, die man sich heute bei der Führung durchs Museum ausleiht, stammen oftmals von Sennheiser.

Fertigung von Kopfhörern Quelle: PR

Um die Vermarktung des Produkt-Portfolios besser zu organisieren, wurden drei Divisions eingerichtet. Consumer Electronics kümmert sich um für den Endverbraucher, Professional Systems baut Produkte für die Profis in Funk und Fernsehen, die zuletzt entstandene Integrated Systems produziert die oben erwähnten Anlagen für Konferenzsysteme.

Wie groß Sennheiser mittlerweile ist, lässt sich bei einer Führung durch die Produktion nur erahnen. Lange Gänge zwischen den verschiedenen Werkshallen zeigen, dass in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach angebaut wurde. Mehr als 2600 Menschen arbeiten für Sennheiser. Rund die Hälfte ist in Deutschland tätig. Die Mitarbeiter sind vielfach Frauen. Wegen der geschickteren Hände, wie es heißt.

Sennheiser-Flops und 50.000-Euro-Kopfhörer

Nicht alles, was Sennheiser anfasste, war von Erfolg gekrönt. Das muss auch Werks-Original Peter Arasin einräumen. Der Vocoder VSM 201 aus dem Jahr 1978 etwa ging als Flop in die Firmengeschichte ein.

Die Sprachverschlüssler wurden ursprünglich beim Militär zur Verschlüsselung und Verfremdung von Sprache eingesetzt. In den 60ern wurde das Gerät von der Popmusik entdeckt und gehört seitdem zu den angesagten Elektronik-Gadgets im Studio.

Bands wie Kraftwerk haben den Vocoder bei Alben wie "Menschmaschine" und "Computerwelt" benutzt. Trotzdem war dem Gerät für Sennheiser kommerziell kein Erfolg beschieden, die Produktion wurde eingestellt. Heute fristet der VSM 201 sein Dasein als Legende in Sammlungen historischer Synthesizer.

Sennheisers Top-Kopfhörer Orpheus Quelle: Mehmet Toprak

Trends der Pop-Kultur will Sennheiser nicht mehr verpassen. Eine eigens installierte Innovation AG mit Sitz und Zürich versucht sie aufzuspüren und passende Produktkonzepte zu entwickeln. So kommen beispielsweise schon seit 2006 schicke Mobilkopfhörer in den Handel. Gedacht sind sie für Menschen, die unterwegs oder beim Sport gerne Musik über MP3-Player oder Smartphones hören. Bei Produkten wie den Mobilhörern aus der Momentum-Serie verbinden sich lifestyliges Design mit der soliden Technik, die man von Sennheiser gewohnt war.

Paukenschlag zum Firmenjubiläum

Zum 70. Firmenjubiläum wollte es das Unternehmen nochmal wissen – und stellte mit dem Orpheus einen absoluten Highend-Kopfhörer vor. Dessen Vorgänger, der Orpheus aus dem Jahr 1991, galt lange als bester Kopfhörer der Welt. Schon damals war der Preis von 30.000 Mark happig.

Der neue Orpheus kostet allerdings gleich 50.000 Euro und beansprucht schon jetzt, kurz vor der Markteinführung, den Thron der Kopfhörer-Welt. Er soll wieder ein "Ingenieursmeisterstück" sein, wie Sennheiser vollmundig verspricht.

Der elektrostatische Kopfhörer verbindet Röhren- mit Transistortechnik. Das Gehäuse des Röhrenverstärkers ist aus Carrara-Marmor und auf Federn gelagert. Die Röhren sind zusätzlich von einer Hülle aus Quarzglas umgeben. Solche Maßnahmen sollen jeglichen Einfluss von Trittschall oder Vibrationen unterbinden.

Kopfhörer für anspruchsvolle Hörer
Spitzenklasse: Stax SR-009 Quelle: Presse
Stax SRS-4170 Quelle: Presse
AKG Q701 Quelle: Presse
Pioneer SE-Master 1 Quelle: Presse
Audeze LCD-X Quelle: Presse
Audeze LCD-3 Quelle: Presse
Astell&Kern AK T8iE Quelle: Presse

Schon ein 15-minütiger Hörtest in den Sennheiser-Hallen zeigt: Die klanglichen Qualitäten des Orpheus sind beeindruckend. Ein Hörer, der die Musik so direkt, so realitätsnah und mit einer perfekt nachgebildeten Räumlichkeit wiedergibt, ist derzeit nicht zu finden.

Der Edel-Kopfhörer ist sicher kein Gerät für den Massenmarkt. Dafür sind allein schon die Fertigungskapazitäten der Produktionsstätten in Wedemark begrenzt. Pro Tag soll maximal ein Orpheus gebaut werden. Mit dem Orpheus setzt Sennheiser aber ein Signal an all jene Highend-Fans, die der Marke Sennheiser nie so ganz gewogen waren. Zwar galten die Modelle aus Hannover als hochwertige Hörer mit neutraler und präziser Musikwiedergabe, doch genussorientierten Musikliebhabern fehlte gelegentlich das Quäntchen Abrundung und Musikalität, das wirklich große Anlagen auszeichnet. Hohe Auflösung und glatter Frequenzgang sind eben nicht alles.

Geändert hat sich dieses Image erst mit dem HD 800, der 2009 auf den Markt kam und auch anspruchsvollen Musikhörern Respekt abverlangte. Doch selbst der provozierte an der ein oder anderen Stelle noch leise Kritik, klang er doch manchen eine Spur zu analytisch. Auch der HD 800 ist eben ein Produkt einer Ingenieurskultur, deren Anfänge in der Messtechnik liegen. Das Röhrenvoltmeter lässt grüßen.

Allerdings hat Sennheiser bei seinem Kopfhörer-Flaggschiff nachgebessert. Seit Mitte Dezember gibt es eine überarbeitete Version, den HD 800 S. Der Test zeigt: Der äußerlich nahezu baugleiche Hörer ist im Bereich der oberen Bässe und Mitten einen Tick kräftiger und klingt so gleich deutlich voller, harmonischer und "musikalischer" als der HD 800. Ein richtiger Top-Kopfhörer, der nicht nur Technik-Fans, sondern auch die Genießer des feinen Klangs begeistern könnte.

Das von Ingenieuren getriebene Unternehmen Sennheiser hat also eine Lektion gelernt. Und Lernfähigkeit ist genau das, was Unternehmen auch auf lange Sicht erfolgreich macht.

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