Sennheiser Was das Familienunternehmen besser macht

Familienunternehmen liefern sich immer wieder Schlammschlachten um Macht und Geld. Jörg Sennheiser schafft, was anderen misslingt: die Übergabe an seine Söhne und der Rückzug aus seinem Lebenswerk. Wie macht er das?

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Der Unternehmer Jörg Sennheiser in einem Ton-Labor Quelle: Bärbel Schmidt

Manchmal offenbart eine kurze Antwort das Dilemma einer ganzen Generation. Fragt man den 71-jährigen Jörg Sennheiser: „Hat Ihr Vater Sie gelobt?“, stutzt er, bevor er antwortet: „Hmmm, er hat sich für seine Verhältnisse Mühe gegeben.“

Vater Fritz, Jahrgang 1912, ist ein Wirtschaftswunder-Unternehmer, ein aufrechten Respekt einflößender Patriarch. Hannover liegt noch in Trümmern, als er sich drei Wochen nach Kriegsende sieben Überlebende seines Instituts für Hochfrequenztechnik der Hochschule Hannover zusammensucht und fortan Röhrenvoltmeter, Mikrofone, Verstärker, Wechselsprechanlagen entwickelt. Die Firma Sennheiser wird unter ihm vier Jahrzehnte lang schneller, innovativer und erfolgreicher sein als die Konkurrenz. Frau und Sohn müssen dafür zurückstehen. So ist das eben. Trotzdem studiert auch Sohn Jörg Elektrotechnik und steigt ins Unternehmen ein. So ist das eben.

Der Senior hatte damals einen groben Plan: Der Jungspund bewährt sich einige Jahre als Chef einer wichtigen Abteilung, und wenn der Sohn reüssiert, zieht sich der Vater aus dem Tagesgeschäft zurück. Irgendwann. Doch der Patriarch kann nicht loslassen. Er wird 98 Jahre.

Wie Sennheiser zum Weltmarktführer wurde
Elektroingenieur Prof. Dr. Fritz Sennheiser Quelle: Presse
Labor W in einem Bauernhaus Quelle: Presse
Mikrofon DM 2 (MD 2) Quelle: Presse
Labor W expandiert Quelle: Presse
Der erste offene Kopfhörer Quelle: Presse
Prof. Dr. Jörg Sennheiser, Sohn von Fritz Sennheiser Quelle: Presse
Sennheiser Quelle: dpa/dpaweb

Der Betrieb frisst alles auf

Jörg Sennheiser sagt es leise, aber entschieden: „Von da an wusste ich, dass ich einiges anders machen würde, wenn ich die Firma später übergeben werde.“

Spross eines wohlhabenden Unternehmers zu sein, welch schöner Zug des Schicksals! Wer das denkt, unterschätzt den Preis dafür. So müssen schon Kindergartenstöpsel respektieren, dass es beim Frühstück immer auch um die Probleme in Papas Firma geht. Grundschüler wissen längst, dass Steuerberater wichtige Leute sind und sie den Vater telefonisch nur über die Durchwahl der Sekretärin erreichen. Der Betrieb ist die omnipräsente Lebensgrundlage der Familie, und manchmal frisst er alle auf.

Wohl auch deshalb verweigert sich fast die Hälfte der gut ausgebildeten Kinder der Nachfolge im elterlichen Betrieb. In 32.660 von jährlich rund 71.000 zu übergebenden Familienunternehmen blicken die Eltern hinter sich und finden niemand. So die Zahlen des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung.

Aber selbst da, wo die Kinder ins Geschäft eintreten, knirscht es anschließend oft gewaltig. Beides, die Verweigerungshaltung wie die missglückte Übernahme, ist in Deutschlands Unternehmerschaft allgegenwärtig. Bekannt werden nur die großen Namen wie aktuell Peek&Cloppenburg, Knorr-Bremse oder Gerry Weber. Sennheiser sagt: „Bei uns hat es funktioniert, weil ich mich geändert habe.“

Patriarchen diskutieren nicht

Der erste Blick auf Jörg Sennheiser irritiert. Der Mann mit dem großen Namen wirkt klein. Sein Büro ist groß. Es liegt unter dem Dach eines alten Bauernhauses in Wedemark, 20 Kilometer nördlich von Hannover. Erprobt in 1000 Gesprächen, antwortet Sennheiser zunächst freundlich-distanziert, wohlüberlegt und in vorbildlich geradem Sitz vom Chefsessel aus. Erst viel später, ganz vorsichtig, offenbart er große menschliche Wärme und eine unter Unternehmern seltene Lebenshaltung. Er pflegt die Offenheit zur Selbstreflexion und touchiert dabei die eigene Schmerzgrenze. In die Wiege gelegt war ihm das nicht, als er 1976 ins väterliche Unternehmen eintrat. „Mein Vater hat mit anderen über seine Absichten gesprochen, aber nicht mit mir“, erzählt Sennheiser. Patriarchen teilen mit, sie diskutieren nicht.

Der Junior musste für den Eintritt ins väterliche Unternehmen einiges aufgeben. Mit seiner Frau Maria Luise Sennheiser-Blumer, einer wuschellockigen Schweizerin, und den Kindern Daniel, geboren 1973, Andreas, geboren 1974, und Alannah, geboren 1977, lebte er damals in Zürich. Das machte ihn freier, unabhängiger und klüger „Ich wollte aus dem heimischen Dunstkreis heraus und arbeitete in der Schweiz als Projekt-Ingenieur bei der Siemens-Albis AG“, sagt Sennheiser, „dort habe ich erkannt: Ja, ich will Karriere machen, aber nicht in so einem Großkonzern.“

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