Trotz internationaler Krisen Wo der Mittelstand 2017 wachsen will

Gefragt nach dem Vertrauen in die Entwicklung der Wirtschaft, sind die deutschen Mittelständler deutlich optimistischer als Firmen im Ausland. Es gibt aber auch Hemmnisse, die dem Mittelstand weltweit Sorgen bereiten.

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Die deutschen Mittelständler sind im internationalen Vergleich deutlich optimistischer als Unternehmer in anderen Märkten. Quelle: Getty Images

Auch wenn die Politik und nicht zuletzt auch die Medien sich häufig an den Dax-Schwergewichten orientieren: Der größte Arbeitgeber und Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft ist der Mittelstand. Geprägt von Firmen, die über Crashs und Krisen hinweg stabil wachsen. Geprägt von Unternehmern, die sich an Werten wie Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit orientieren.

„Der Mittelstand ist Spezialist für langfristige und nachhaltige Entwicklungen“, sagen die beiden Autoren Heiner Kübler und Carl Siebel , deren Buch „Mittelstand ist eine Haltung – Die stillen Treiber der deutschen Wirtschaft“ gerade bei Econ erschienen ist. „Kurzfristiges Profitdenken und häufige Wechsel im Management kennt er nicht“, so Kübler und Siebel in ihrem Vorwort. „Kurz: Die deutsche Wettbewerbsfähigkeit hängt – wie unsere Zukunft als Industrienation – von diesen stillen Treibern an.“

Stille Treiber, die sich oft im Schatten der weithin sichtbaren Großindustrie bewegen – was beschäftigt sie? Wovor haben diese Unternehmer Angst, die über 50 Prozent der Arbeitnehmer weltweit beschäftigen, wo gibt es besonders viel Vertrauen für die Zukunft? Mit diesen Fragen haben sich die Macher der Studie „Global Business Monitor“ beschäftigt, der heute veröffentlicht wurde. Dafür hat Bibby Financial Services, nach eigenen Angaben einer der größten bankenunabhängigen Anbieter von internationalen Factoringlösungen, rund 1200 kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in Deutschland, den USA, Großbritannien, Irland, Polen und Hong Kong zu ihren wirtschaftlichen und finanziellen Erwartungen befragt (Der Begriff KMU wird weltweit unterschiedlich definiert. Für die Studienautoren sind dies Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von bis zu 30 Millionen Euro).

Die 15 innovativsten deutschen Mittelständler
Platz 15: BenderStandort: Grünberg Unternehmensfokus: Elektrotechnik Umsatz 2014: 100 Mio. Euro Innovationsscore: 163Um Deutschlands innovativste Mittelständler zu ermitteln, wertete die Unternehmensberatung Munich Strategy Group (MSG) zunächst die Daten von 3300 deutschen Unternehmen aus, die zwischen zehn Millionen und einer Milliarde Euro umsetzen. Die Berater analysierten Jahresabschlüsse und Präsentationen, sprachen mit Kunden und Branchenexperten sowie Geschäftsführern, Inhabern und Beiräten der Unternehmen.Nach den Experteninterviews und Erfolgsanalysen nahm MSG 400 Unternehmen in die engere Wahl. Für jedes errechnete die Beratung einen eigenen Innovations-Score. Dabei achteten die Berater darauf, dass sich das Unternehmen durch ständige Neuheiten auszeichnet, von Wettbewerbern als innovativ angesehen wird und eine ideenfördernde Kultur etabliert hat. Zudem flossen zu einem Drittel auch wirtschaftliche Indikatoren wie Umsatz- und Gewinnwachstum in die Bewertung ein. „Ein innovatives Unternehmen zeichnet sich dadurch aus, dass es mehr als 25 Prozent seines Umsatzes mit Produkten macht, die erst in den vergangenen vier Jahren entstanden sind“, sagt MSG-Gründer und Studienleiter Sebastian Theopold. Das erste Ranking dieser Art hatte MSG im vergangenen Jahr für die WirtschaftsWoche erstellt (Heft 15/2014). Anders als im Vorjahr haben es diesmal auch viele Hersteller von Konsumprodukten unter die Top 50 geschafft, so etwa Ravensburger (Spiele), Rügenwalder (Wurst) oder Soldan (Bonbons).Der Großteil der Innovations-Champions entstammt allerdings nach wie vor der traditionellen Paradedisziplin des deutschen Mittelstands: dem Maschinenbau. Quelle: PR
Platz 14: BiotestStandort: Dreieich Unternehmensfokus: Bioheilmittel Umsatz 2014: 582 Mio. Euro Innovationsscore: 164 Quelle: PR
Rapunzel Quelle: PR
Platz 12: MetaboStandort: Nürtingen Unternehmensfokus: Elektrowerkzeuge Umsatz 2014: 374 Mio. Euro Innovationsscore: 167 Quelle: PR
Platz 11: BrücknerStandort: Siegsdorf Unternehmensfokus: Folienmaschinen Umsatz 2013: 754 Mio. Euro Innovationsscore: 171 Quelle: PR
Platz 10: SennheiserStandort: Wedemark Unternehmensfokus: Mikrofone Umsatz 2014: 635 Mio. Euro Innovationsscore: 172 Quelle: dpa
Platz 9: Rügenwalder MühleStandort: Bad Zwischenahn Unternehmensfokus: Wurst Umsatz 2014: 175 Mio. Euro Innovationsscore: 173 Quelle: PR

Die zentralen Ergebnisse, die dem Handelsblatt vorliegen, machen trotz der Brexit-Turbulenzen und teilweise verheerenden internationalen Krisen wie in Syrien dennoch Mut: So setzt der deutsche Mittelstand großes Vertrauen in die Entwicklung der hiesigen Volkswirtschaft. 73 Prozent beschreiben die Entwicklung der deutschen Wirtschaft als positiv. Dies gilt besonders für die Baubranche (94 Prozent) sowie die verarbeitende Industrie und den Dienstleistungssektor (je 74 Prozent).

Wachstumseinbußen durch Zahlungsausfälle


Im internationalen Vergleich sind die deutschen Mittelständler damit teils deutlich optimistischer als Unternehmer in anderen Märkten und erwarten mehrheitlich ein Umsatzwachstum in den kommenden zwölf Monaten. Gleichzeitig ist der Mittelstand im internationalen Vergleich häufiger von Zahlungsausfällen betroffen. Zwölf Prozent, so heißt es in der Studie, büßten hierdurch Wachstum ein.

„Trotz des positiven Ausblicks gibt es eine Reihe von kurz- und langfristigen Risiken“, kommentiert Andreas Dehlzeit, Geschäftsführer von Bibby Financial, die Analyse für Deutschland. „Der Fachkräftemangel, steigende Lohnkosten, Bestimmungen zu Zeitarbeitskräften und die Reform der Erbschaftssteuer stellen unmittelbare Herausforderungen dar.“ Investitionen werden zukünftig vor allem in die Mitarbeiterschulung und- entwicklung (62 Prozent) getätigt sowie für die Rekrutierung neuer Mitarbeiter eingeplant.

Schaut man über den deutschen Tellerrand hinaus, blicken die befragten Unternehmen in Deutschland und den anderen fünf betrachteten Märkten erheblich skeptischer auf die Entwicklung der globalen Wirtschaft. Nur zwölf bis 36 Prozent der Befragten gaben hier eine positive Einschätzung ab.

Was Sie noch nicht über Deutschlands Familienunternehmen wussten
BMW Quelle: dpa
DM-Tüte Quelle: dpa
Pizza Quelle: dpa
Aldi-Markt-Schild Quelle: dpa
Otto-Schild Quelle: dpa
VW-Logo Quelle: AP
Automobil-Herstellung Quelle: dpa

Dies ist vor allem auf internationale Krisenherde wie den Bürgerkrieg in Syrien zurückzuführen. Der Brexit spielte bei den Einschätzungen der Unternehmen hingegen nur eine untergeordnete Rolle.

Andreas Dehlzeit: „Die traditionell stark exportorientierte deutsche Wirtschaft hängt natürlich stark von den internationalen Absatzmärkten ab. Die weltweiten politischen und kriegerischen Konflikte sind daher eine potenzielle Belastung. Vor allem größere Mittelständler haben unserer Studie zufolge einen negativen Blick auf die Entwicklung der globalen Wirtschaft, was in ihrer tendenziell höheren Exportquote begründet liegt.“

Guter Zugang zu Finanzierungen nicht immer sicher


Trotz der internationalen Herausforderungen und Krisen erwarten 57 Prozent der befragten Unternehmer aus allen Ländern einen Anstieg ihrer Umsätze in den kommenden zwölf Monaten. Interessanterweise sind hierbei die größeren Mittelständler optimistischer als kleinere Unternehmen. Herausforderungen werden vor allem im Fachkräftemangel und im Binden bestehender Mitarbeiter gesehen, gefolgt von steigenden Kosten und staatlicher Regulierung.

Herausforderungen für Unternehmen

USAIrlandGB
1.51%: Steigende Fixkosten/Kosten65%: Steigende Fixkosten/Kosten48%: Steigende Fixkosten/Kosten
2.46%: Staatl. Regulierung/Gesetze57%: Staatl. Regulierung/Gesetze38%: Staatl. Regulierung/Gesetze
3.39%: Cashflow42%: Fehlende Zeit zum Führen des Unternehmens35%: Cashflow
DeutschlandPolenHongkong
1.56%: Fachkräftemangel47%: Steigende Fixkosten/Kosten40%: Steigende Fixkosten/Kosten
2.52%: Staatl. Regulierung/Gesetze40%: Staatl. Regulierung/Gesetze39%: Fehlende Nachfrage
3.50%: Steigende Fixkosten/Kosten34%: Fehlende Nachfrage12%: Cashflow

Ein großer Teil der Mittelständler (47 Prozent) in Deutschland beurteilt die Verfügbarkeit von finanziellen Mitteln derzeit positiv, wenngleich die Angaben je nach Sektor und Unternehmensgröße schwanken. Größere Unternehmen bewerten ihren Zugang zu Finanzierungen im Vergleich zu kleineren Unternehmen als besser.

Besonders gut ist die Stimmung im Bausektor: Hier gaben 65 Prozent der Befragten eine positive Einschätzung ab. Dies dürfte auf die derzeit günstigen Finanzierungskonditionen sowie die Nachfrage im Immobilien- und Baugeschäft zurückgehen. Dennoch schätzt über alle Branchen hinweg ein Anteil von zehn Prozent der befragten Unternehmen den Zugang zu externen Finanzierungen als schlecht ein. In den anderen betrachteten Märkten liegt der Wert bei 20 Prozent.

Das Reinvestieren von Gewinnen ist das präferierte Finanzierungsinstrument für 37 Prozent der deutschen Mittelständler. 25 Prozent der befragten KMU nehmen einen Kredit auf – dies unterstreicht die nach wie vor hohe Bedeutung der klassischen Bankfinanzierung für den Mittelstand. An dritter Stelle folgen mit 16 Prozent liquide Mittel wie Bankguthaben. Finanzinvestoren wie Private Equity-Unternehmen spielen demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle für die deutschen KMU.


Die wichtigsten Wachstumsmöglichkeiten


Über alle sechs betrachteten Märkten waren in den letzten zwölf Monaten rund ein Drittel der Unternehmen von Zahlungsausfällen betroffen. Daraus resultierten im Durchschnitt Abschreibungen in Höhe von 210.000 EUR je Unternehmen.

In Deutschland waren mit 43 Prozent zwar deutlich mehr Unternehmen betroffen, jedoch lagen die Abschreibungen auf Zahlungsausfälle mit durchschnittlich knapp 36.000 EUR im befragten Panel deutlich niedriger. Allerdings wussten weitere 24 Prozent der Unternehmen nicht, wie hoch der entstandene Schaden tatsächlich war. Sieben Prozent der Zahlungsausfälle betrafen Forderungen von 100.000 EUR und mehr.

Die wichtigsten Wachstumsmöglichkeiten

USAIrlandGB
1.23%: Soziale Medien

25%: Entwicklung neuer


Produkte und


Dienstleistungen

20%: Entwicklung neuer


Produkte und


Dienstleistungen

2.14%: Akquisition anderer Unternehmen13%: Soziale Medien11%: Soziale Medien
3.

12%: Entwicklung neuer Produkte


und Dienstleistungen./


digit.Technologie


(ohne soziale Medien)

12%: Digitale Technologie


(ohne soziale Medien)

10%: Digitale Technologie


(ohne soziale Medien)

DeutschlandPolenHongkong
1.

30%: Entwicklung neuer


Produkte und


Dienstleistungen

60%: Akquisition anderer


Unternehmen

35%: Entwicklung neuer


Produkte und


Dienstleistungen

2.

18%: Digitale Technologie


(ohne soziale Medien)

20%: Entwicklung neuer


Produkte und


Dienstleistungen

23%: Internationaler Handel
3.11%: Internationaler Handel8%: Internationaler Handel10%: Soziale Medien

Andreas Dehlzeit ordnet ein: „Zahlungsausfälle sind für alle Unternehmen ärgerlich, in manchen Fällen aber sogar existenzbedrohend. Zwölf der von uns befragten Unternehmen gaben an, dass Zahlungsausfälle ihr Wachstum sogar negativ beeinflusst hatten. Gerade kleine und mittlere Unternehmen oder Start-ups können durch den Ausfall vermeidlich kleiner Forderungen in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Die Zahlen des Global Business Monitor verdeutlichen das Ausmaß des Risikos, als Unternehmen davon betroffen zu sein.“

Über die Studie Global Business Monitor

Für den Global Business Monitor wurden weltweit über 1200 kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) aus den Sektoren Handel, Bau, produzierendes Gewerbe, Logistik und Dienstleistungen befragt. Die Studie wurde in Deutschland, den USA, Großbritannien, Irland, Polen und Hong Kong im Auftrag von Bibby Financial Services in Form von telefonischen Interviews erhoben. Pro Land nahmen etwa 200 Unternehmen an der Studie teil. Der Zeitraum der Befragung erstreckte sich vom 13. Juni bis 21. Juli 2016 – ausgewählte Inhalte wurden einmal vor und einmal nach dem Referendum über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union („Brexit“) abgefragt. Weitere Informationen und Details zur Studie Sie unter: https://www.bibbyfinancialservices.de

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