TV-Kritik „Die Story“ zu IHKs „Wir bezahlen für Nichts und wieder Nichts“

Mauschelei, fehlende Kontrolle, offene Korruption: Der WDR serviert eine schnörkellose Reportage, die die Probleme des Kammern-Systems in der deutschen Wirtschaft angreift. Eine Schwäche hat die Doku allerdings.

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Gebäude einer Industrie- und Handelskammer (IHK): „Die Story“ im WDR brachte gut recherchierte Fakten, dramaturgisch aufgearbeitet. Quelle: dpa

Vor einigen Wochen sorgte RTL mit seinem Investigativ-Format „Team Wallraff“ für Schlagzeilen. „Eine unwahrscheinliche TV-Erfolgsgeschichte“ hieß es, oder sogar „das kann einem fast den Glauben ans Fernsehen wiedergeben“. Der WDR präsentierte am Montagabend mit „Die Story“ das unprätentiöse Gegenstück zu Wallraffs Krawall-Programm: Gute Recherche, schnörkellos auf den Punkt gebracht. Denn, ob man es glaubt oder nicht: Die Öffentlich-Rechtlichen müssen nicht erst ein Investigativ-Format erfinden, um Journalismus machen zu können.

Es ging um das System der Kammern – Industrie-, Handels- und Handwerkskammern, die in Deutschland die Hoheit über zahlreiche Berufsstände innehaben. Handwerker und Unternehmer müssen ihnen zwangsweise angehören, wollen sie in ihrem Beruf arbeiten. Mit der Mitgliedschaft kommt der Gebührenbescheid.

Wie klar wurde, kostet dieses System nicht nur gerade Kleinunternehmern viel Geld, sondern produziert auch Korruption. Angesichts der immensen wirtschaftlichen Macht der Kammern - jeder Gewerbetreibende in Deutschland ist etwa verpflichtet, Mitglied einer IHK zu sein -, ein nicht zu unterschätzender Missstand.

Natürlich hinkt der Vergleich mit Wallraff etwas. Denn streng genommen war das, was der WDR servierte, keine wirkliche Investigativ-Sendung. Es waren gut recherchierte Fakten, zusammengetragen und dramaturgisch aufgearbeitet. Dafür stand aber natürlich das Thema im Mittelpunkt, nicht die Journalisten. Statt bedeutungsschwerer Team-Besprechung im Vorfeld der Recherche bringt „Die Story“ den Zuschauer ohne Umwege in eine Motorradwerkstatt. Dreißig Sekunden später folgt das erste Interview mit einem Betroffenen – ganz ohne verpixeltes Gesicht und verzerrte Stimme.

Es folgten 45 Minuten klassischer Fernsehjournalismus, Schnitt an Schnitt. Mehr Information, weniger Entertainment. Das Maximum, was sich der WDR in dieser Hinsicht erlaubte, war es, sich den Reporter entnervt an der Nase kratzen zu lassen, als die nächste E-Mail kam, in der ihm eine Stellungnahme verweigert wurde.

Investigativ, werden deshalb Kritiker sagen, war das doch gar nicht. Für investigativen Journalismus muss der Reporter sich schon in einer Fast Food-Kette einschleusen und mit versteckter Kamera drehen. Nur, worauf kommt es an? Der Kern des investigativen Journalismus liegt doch darin, auf ein in der Öffentlichkeit unbekanntes Problem aufmerksam zu machen. Das geht etwas weniger aufgeregt genauso gut, wie mit einer Wackelkamera. Damit kommen wir zum Inhalt. Denn problematisch ist die aufgedeckte Situation ohne Zweifel. Der Film beginnt mit Mechaniker Johann Georg Leblang, der in seiner Frankfurter Motorradwerkstatt Lehrlinge ausbildet. Eine honorige Tätigkeit, gerade angesichts des Fachkräftemangels. Doch Leblang will nicht mehr.

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