Wenn ein Unternehmer seine Nachfolge innerhalb der Familie regeln will, kommt es oft zu Konflikten. Ein neutraler Mediator kann helfen, wenn Abstand und Feinfühligkeit gefragt sind. Wolfgang Galonska ist Anwalt und Mediator. Im Gespräch mit der WirtschaftsWoche erklärt er, worauf Unternehmer bei der Nachfolge achten sollten.
WirtschaftsWoche: Welches sind die drei größten menschlichen Probleme im Nachfolgefall?
Wolfgang Galonska: Laientestamente ohne fachliche Beratung sind der größte Horror für einen Nachfolgeanwalt. Es ist der Irrglaube, ohne Beratung eine letztwillige Verfügung verfassen zu können. Falsche Termini, unklare und häufig kaum auslegbare Regelungen, unwirksamen Vorgaben für den Einzelfall können bis zur völligen Untauglichkeit eines solchen Testamentes führen.
Neulich wurde mir das Testament eines Patentanwalts vorgelegt. Man konnte nur ungefähr erahnen, was er sich vorgestellt haben könnte. Dazu muss man wissen, dass jede Unklarheit in einem Testament ein hervorragender Ansatzpunkt für langjährigen Streit in der Nachfolgegeneration sein kann. Höchste Priorität hat ein terminologisch klares und unmissverständliches Testament. Warum ist das so wichtig? Man kann den Autor ja nicht mehr fragen.
Und was ist, wenn es keine Erben gibt?
Das sind sehr traurige Fälle. Ein großes Vermögen, das häufig unter großen Mühen aufgebaut und zusammengehalten wurde, kann dann nicht zielgerichtet als Zukunftsvermögensmasse an geliebte Menschen weitergegeben werden. Das macht Menschen richtig unglücklich. Häufig kommen dann Stiftungsüberlegungen hoch, die aber im Sande verlaufen, weil ein Stiftungsvermögen eben weggeben und dessen Verwaltung auf fremde Organe übertragen wird.
Zur Person
Der promovierte Jurist Galonska, 58, startete als Rechtsanwalt und ist heute Partner bei der Großkanzlei Taylor Wessing in Düsseldorf. Er ist Mitglied in der Deutsche Vereinigung für Erbrecht sowie der Arbeitsgemeinschaft Mediation im Deutschen Anwaltsverein.
Und auf Seiten der Erben?
Die holen gerne bei der Gelegenheit alte Rechnungen heraus. Da reicht es schon, wenn ein Geschwisterteil von den Eltern vorgezogen oder benachteiligt wurde. Erblasser vererben gerne an ihre Kinder in Erbengemeinschaft. Eine Erbengemeinschaft ist aber ein sehr unflexibles Gefüge, in dem in allen wichtigen Fragen ein Einstimmigkeitserfordernis herrscht. Wer hier noch alte Rechnungen begleichen möchte, dem ist es ein Leichtes, diese Einstimmigkeit zu verhindern. Wenn immer ich kann, vermeide ich Erbengemeinschaften. Warum soll ich Kinder erst in Erbengemeinschaft erben lassen, damit sie sich anschließend selbst auseinandersetzen? Viel sinnvoller ist es, wenn der Erblasser das vorher komplett erledigt.
Gibt es objektive Kriterien für eine Eignung als Nachfolger?
Sicherlich und in erster Linie im unternehmerischen Bereich. Liquides Vermögen kann man notfalls durch einen externen Vermögensverwalter professionell betreuen lassen. In Unternehmerfamilien schaffen wir regelmäßig eine sogenannte Family Governance, also eine juristisch verbindliche Familiensatzung, in der sich sämtliche Mitglieder zu bestimmten Regeln innerhalb der Familie und dem Unternehmen verpflichten. Sehr wichtig dabei sind die festgelegten Qualifikationen eines Familienmitgliedes für Aufgaben im Unternehmen.
Was klärt das?
Darin steht ganz klar definiert, welchen Ausbildungsstand und welche berufliche Expertise für verschiedene Stufen in der Hierarchie im Unternehmen zwingend vorhanden sein müssen. Ergänzend dazu werden Gremien bestellt, die die Erfüllung dieser Anforderungen überprüfen und bestätigen sollen. Im Grunde handhaben wir das wie bei einem Anforderungsprofil in Stellenausschreibungen.
In einer solchen Satzungsregelung finden sich natürlich auch noch ergänzende Bestimmungen zu den weichen Faktoren. Nachgewiesene Verschwendungssucht wäre zum Beispiel in gleicher Weise ein Hinderungsgrund, Führungspositionen zu übernehmen. Je nach persönlicher Erfahrung fließen häufig auch noch andere Zulassungsbeschränkungen in eine solche Regelung ein.
"Menschen lieben es zu vererben"
Angenommen, die Eltern wollen unbedingt Steuern sparen, aber die Kinder halten das nicht für das entscheidende Ziel einer Nachfolgeplanung – wie kann dann eine Lösung aussehen?
Eines ist ganz klar: Je größer das Vermögen ist, umso höher ist in der Regel auch die Steuerlast. Folgerichtig spielt die Steueroptimierung in der Nachfolgeplanung eine bedeutende Rolle. Aber für die älteren, oft aufwändigen Konstruktionen musste man die physische und psychische Konstitution mitbringen. Diese fehlt häufig der Nachfolgegeneration oder jedenfalls einzelnen Kindern.
Wie äußert sich das?
Neulich hatte ich jetzt mit einem Fall zu tun, in dem die Tochter, eine Beschäftigte im öffentlichen Dienst, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge eine Schenkung ihres Vaters in Millionenhöhe erhalten sollte. Zwecks Steueroptimierung musste sie aber gleichzeitig in einer aufwendigen Konstruktion Schulden in gleicher Höhe aufnehmen. Damit konnte die Tochter überhaupt nicht leben und alle ihre Sorgen kamen hoch, als sie gemeinsam mit ihrem Ehemann nach der Geburt des ersten Kindes plante, ein Eigenheim zu bauen. Dieses Haus sollte nicht gefährdet werden, falls die von ihrem Vater erdachte Konstruktion nicht standhalten sollte. Die Tochter war trotz allen plötzlichen Reichtums unglücklich.
Wie können Eltern mit der Kränkung klar kommen, wenn die Kinder signalisieren: Euer Lebenswerk interessiert uns weniger als ihr euch wünscht?
Erzbischof Reinhard Kardinal Marx hat einmal gesagt: „Menschen lieben es zu vererben.“ Genauso wie Menschen darunter leiden, wenn sie keinen geeigneten Nachfolger haben, auf den sie ihr Vermögen übertragen können, leiden sie darunter, wenn es die Kinder nicht interessiert.
In einem Fall war mein Mandant Unternehmer. Sein Sohn interessierte sich ausschließlich für brotlose Tätigkeiten in der Entwicklungshilfe. Ausdrücklich wollte der Sohn nicht mehr als 5000 Euro im Monat zur Verfügung haben. Dem Vater fiel es außerordentlich schwer, eine Familienstiftung aufzusetzen, die allen Erwartungen des Sohnes Rechnung trug, das beträchtliche Vermögen in der Stiftung hielt und auch noch gemeinnützige Zwecke verfolgte. Der Vater war nicht gekränkt, aber man spürte das Gefühl, dass der hohe berufliche Einsatz im Leben am Ende dann doch nicht belohnt wurde. Dann fehlt plötzlich und unerwartet der erfolgreiche Abschluss des eigenen Berufslebens.
Konflikte beenden – vier Tipps des Mediators Wolfgang Galonska
Die wichtigste Regel ist, den Beteiligten zu vermitteln, dass Respekt und Empathie in den Gesprächen zu wahren sind, auch wenn es manchmal schwer fällt. In der Mediation wird nicht geschrien, auch nicht mit den Fäusten auf dem Tisch herumgetrommelt.
Vermeintlich Schwache und Stille gilt es zu schützen und ihnen ausreichend Raum zu bieten, auch eigene Wünsche und Ängste vollständig vortragen zu können. Da kann es schon ausreichen, wenn einem Beteiligten die sprachlichen Fähigkeiten fehlen, während andere in der Runde druckreif zu sprechen in der Lage sind, zu paraphrasieren. Ich greife eine Antwort eines der Beteiligten auf, wiederhole sie, aber versuche gleichzeitig eine bestimmte subjektive Vorstellung, die ich meine herausgehört zu haben, einfließen zu lassen. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder habe ich den Betreffenden richtig verstanden oder eben gerade nicht. Habe ich ihn falsch verstanden, hat er durch meine Wiederholung die Gelegenheit, das richtigzustellen. Das ist mühselig und zeitaufwendig, führt aber zum Ergebnis. Und der Betreffende ist glücklich, dass am Ende offen das ausgesprochen wurde, was ihm wichtig war.
Schließlich ist es wichtig, sich mit den Wünschen und Ängsten eines jeden Beteiligten zu befassen und dieser Diskussion Raum einzuräumen, auch wenn dem einen oder anderen persönlich das Thema völlig irrelevant ist. Wenn ich zum Beispiel eine konkrete Angst schlichtweg ignoriere, kann eine Mediation nicht zum Erfolg führen.
Die Aufgabe eines Mediators ist, zu fragen, warum eine bestimmte Vorstellung eines der Beteiligten diesem so wichtig ist. Häufig kommt heraus, dass eigentlich nur deshalb etwas Bestimmtes erreicht werden sollte, weil derjenige gar nicht wusste, dass es auch andere Lösungsmöglichkeiten gibt. Eine faire Lösung für alle ist dann erreicht, wenn jeder am Ende offen und klar und ohne Rückhalt bescheinigt, dass er mit dem Ergebnis zufrieden ist. Solange geheime Vorbehalte vorhanden sein könnten, wird nachgefragt.
Welche Lösungen gibt es, wenn sich die Eltern sorgen, dass der Nachfolger spätestens nach ihrem Tod das Unternehmen verscherbelt um ein schönes Leben zu führen?
Das ist nicht schwer. Das Erbrecht verfügt über ein ausreichendes Instrumentarium, den Bestand des Unternehmens auch gegen den Willen des Abkömmlings zu sichern, zum Beispiel über Stiftungen. Oder Kinder werden schon zu Lebzeiten am Unternehmen beteiligt und den dortigen Regelungen in der Satzung unterworfen, die genau solche Veräußerungen an Familienfremde untersagen. Auch per Testament und Testamentsvollstrecker kann dieses Ziel erreicht werden. Aber auch dann können die Kinder die Erbschaft ausschlagen und ihren Pflichtteil geltend machen, der immerhin noch die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ausmacht.