Unternehmensnachfolge "Laientestamente sind der größte Horror"

Ein unzureichendes Testament ist oft ein Stolperstein bei einer geregelten Unternehmensnachfolge. Welche Fehler Sie vermeiden sollten und was Sie bei der Nachfolgeregelung beachten sollten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Wolfgang Galonska Quelle: PR

Wenn ein Unternehmer seine Nachfolge innerhalb der Familie regeln will, kommt es oft zu Konflikten. Ein neutraler Mediator kann helfen, wenn Abstand und Feinfühligkeit gefragt sind. Wolfgang Galonska ist Anwalt und Mediator. Im Gespräch mit der WirtschaftsWoche erklärt er, worauf Unternehmer bei der Nachfolge achten sollten.

WirtschaftsWoche: Welches sind die drei größten menschlichen Probleme im Nachfolgefall?
Wolfgang Galonska: Laientestamente ohne fachliche Beratung sind der größte Horror für einen Nachfolgeanwalt. Es ist der Irrglaube, ohne Beratung eine letztwillige Verfügung verfassen zu können. Falsche Termini, unklare und häufig kaum auslegbare Regelungen, unwirksamen Vorgaben für den Einzelfall können bis zur völligen Untauglichkeit eines solchen Testamentes führen.

Neulich wurde mir das Testament eines Patentanwalts vorgelegt. Man konnte nur ungefähr erahnen, was er sich vorgestellt haben könnte. Dazu muss man wissen, dass jede Unklarheit in einem Testament ein hervorragender Ansatzpunkt für langjährigen Streit in der Nachfolgegeneration sein kann. Höchste Priorität hat ein terminologisch klares und unmissverständliches Testament. Warum ist das so wichtig? Man kann den Autor ja nicht mehr fragen.

Und was ist, wenn es keine Erben gibt?
Das sind sehr traurige  Fälle. Ein großes Vermögen, das häufig unter großen Mühen aufgebaut und zusammengehalten wurde, kann dann nicht zielgerichtet als Zukunftsvermögensmasse an geliebte Menschen weitergegeben werden. Das macht Menschen richtig unglücklich. Häufig kommen dann Stiftungsüberlegungen hoch, die aber im Sande verlaufen, weil ein Stiftungsvermögen eben weggeben und dessen Verwaltung auf fremde Organe übertragen wird.

Zur Person

Und auf Seiten der Erben?
Die holen gerne bei der Gelegenheit alte Rechnungen heraus. Da reicht es schon, wenn ein Geschwisterteil von den Eltern vorgezogen oder benachteiligt wurde. Erblasser vererben gerne an ihre Kinder in Erbengemeinschaft. Eine Erbengemeinschaft ist aber ein sehr unflexibles Gefüge, in dem in allen wichtigen Fragen ein Einstimmigkeitserfordernis herrscht. Wer hier noch alte Rechnungen begleichen möchte, dem ist es ein Leichtes, diese Einstimmigkeit zu verhindern. Wenn immer ich kann, vermeide ich Erbengemeinschaften. Warum soll ich Kinder erst in Erbengemeinschaft erben lassen, damit sie sich anschließend selbst auseinandersetzen? Viel sinnvoller ist es, wenn der Erblasser das vorher komplett erledigt.

Gibt es objektive Kriterien für eine Eignung als Nachfolger?
Sicherlich und in erster Linie im unternehmerischen Bereich. Liquides Vermögen kann man notfalls durch einen externen Vermögensverwalter professionell betreuen lassen. In Unternehmerfamilien schaffen wir regelmäßig eine sogenannte Family Governance, also eine juristisch verbindliche Familiensatzung, in der sich sämtliche Mitglieder zu bestimmten Regeln innerhalb der Familie und dem Unternehmen verpflichten. Sehr wichtig dabei sind die festgelegten Qualifikationen eines Familienmitgliedes für Aufgaben im Unternehmen.

Notlagen, Todesfälle und wirtschaftliche Entwicklungen können zum Verkauf der Firma führen. Worauf Unternehmer und ihre Familien achten müssen.

Was klärt das?
Darin steht ganz klar definiert, welchen Ausbildungsstand und welche berufliche Expertise für verschiedene Stufen in der Hierarchie im Unternehmen zwingend vorhanden sein müssen. Ergänzend dazu werden Gremien bestellt, die die Erfüllung dieser Anforderungen überprüfen und bestätigen sollen. Im Grunde handhaben wir das wie bei einem Anforderungsprofil in Stellenausschreibungen.

In einer solchen Satzungsregelung finden sich natürlich auch noch ergänzende Bestimmungen zu den weichen Faktoren. Nachgewiesene Verschwendungssucht wäre zum Beispiel in gleicher Weise ein Hinderungsgrund, Führungspositionen zu übernehmen. Je nach persönlicher Erfahrung fließen häufig auch noch andere Zulassungsbeschränkungen in eine solche Regelung ein.

"Menschen lieben es zu vererben"

Angenommen, die Eltern wollen unbedingt Steuern sparen, aber die Kinder halten das nicht für das entscheidende Ziel einer Nachfolgeplanung – wie kann dann eine Lösung aussehen?
Eines ist ganz klar: Je größer das Vermögen ist, umso höher ist in der Regel auch die Steuerlast. Folgerichtig spielt die Steueroptimierung in der Nachfolgeplanung eine bedeutende Rolle. Aber für die älteren, oft aufwändigen Konstruktionen musste man die physische und psychische Konstitution mitbringen. Diese fehlt häufig der Nachfolgegeneration oder jedenfalls einzelnen Kindern.

Wie äußert sich das?
Neulich hatte ich jetzt mit einem Fall zu tun, in dem die Tochter, eine Beschäftigte im öffentlichen Dienst, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge eine Schenkung ihres Vaters in Millionenhöhe erhalten sollte. Zwecks Steueroptimierung musste sie aber gleichzeitig in einer aufwendigen Konstruktion Schulden in gleicher Höhe aufnehmen. Damit konnte die Tochter überhaupt nicht leben und alle ihre Sorgen kamen hoch, als sie gemeinsam mit ihrem Ehemann nach der Geburt des ersten Kindes plante, ein Eigenheim zu bauen. Dieses Haus sollte nicht gefährdet werden, falls die von ihrem Vater erdachte Konstruktion nicht standhalten sollte. Die Tochter war trotz allen plötzlichen Reichtums unglücklich.

Was Erben wissen sollten
Alleinerbe Der Alleinerbe erbt als einzige Person. Er tritt rechtlich „in die Fußstapfen des Verstorbenen“ und übernimmt dessen gesamte Rechte, aber auch Pflichten. Quelle: dpa
Gesetzliche Erbfolge Die gesetzliche Erbfolge greift immer dann, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt. Danach wird der Nachlass zwischen dem Ehepartner und den Verwandten des Verstorbenen aufgeteilt, wobei Kinder und Enkel des Erblassers Vorrang vor Eltern, Großeltern oder anderen Angehörigen genießen. Quelle: REUTERS
Annahme der ErbschaftWer in Deutschland erben will, muss dafür in der Regel nichts tun. Vor allem braucht er die Annahme des Erbes nicht zu erklären. Dieses Phänomen heißt im Juristen-Deutsch “Von-Selbst-Erwerb.“ Quelle: AP
Ausschlagung der Erbschaft Wer nicht erben will, kann (und muss) die Erbschaft innerhalb einer Frist von sechs Wochen ausgeschlagen. Die Zeit läuft ab dem Moment, in dem der Betreffende von der Erbschaft und deren Gründen erfahren hat. Nach Ablauf der Frist ist eine Ausschlagung in der Regel nicht mehr möglich. Lediglich in Ausnahmefällen besteht die Möglichkeit, die Annahme der Erbschaft anzufechten. Quelle: REUTERS
EhegattentestamentVerheiratete und eingetragene Lebenspartner können ein gemeinschaftliches Testament errichten. Eine weit verbreitete Form ist dabei das sogenannte Berliner Testament. Dabei setzen sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Vollerben ein. Erst wenn beide Partner verstorben sind, werden auch die Kinder bedacht. Sie werden zu Schlusserben, also zu Erben des länger lebenden Ehegatten ernannt. Quelle: dpa
Pflichtteil Ein Erblasser kann bestimmte Personen von der Erbfolge ausschließen, aber nicht immer verhindern, dass diese Personen etwas aus seinem Nachlass erhalten. Grund: Der sogenannte Pflichtteil garantiert den nächsten Angehörigen des Erblassers also eine Mindestteilhabe an seinem Nachlass. Quelle: dpa
EnterbungHat er Erblasser einen oder mehrere gesetzliche Erben von der Erbfolge ausgeschlossen oder sie bei der Verteilung des Nachlasses nicht erwähnt, spricht man von Enterbung. Handelt es sich bei den fraglichen Personen um enge Angehörige, können sie oft zumindest seinen Pflichtteil verlangen. Quelle: obs

Wie können Eltern mit der Kränkung klar kommen, wenn die Kinder signalisieren: Euer Lebenswerk interessiert uns weniger als ihr euch wünscht?
Erzbischof Reinhard Kardinal Marx hat einmal gesagt: „Menschen lieben es zu vererben.“ Genauso wie Menschen darunter leiden, wenn sie keinen geeigneten Nachfolger haben, auf den sie ihr Vermögen übertragen können, leiden sie darunter, wenn es die Kinder nicht interessiert.

In einem Fall war mein Mandant Unternehmer. Sein Sohn interessierte sich ausschließlich für brotlose Tätigkeiten in der Entwicklungshilfe. Ausdrücklich wollte der Sohn nicht mehr als 5000 Euro im Monat zur Verfügung haben. Dem Vater fiel es außerordentlich schwer, eine Familienstiftung aufzusetzen, die allen Erwartungen des Sohnes Rechnung trug, das beträchtliche Vermögen in der Stiftung hielt und auch noch gemeinnützige Zwecke verfolgte. Der Vater war nicht gekränkt, aber man spürte das Gefühl, dass der hohe berufliche Einsatz im Leben am Ende dann doch nicht belohnt wurde. Dann fehlt plötzlich und unerwartet der erfolgreiche Abschluss des eigenen Berufslebens.

Konflikte beenden – vier Tipps des Mediators Wolfgang Galonska

Welche Lösungen gibt es, wenn sich die Eltern sorgen, dass der Nachfolger spätestens nach ihrem Tod das Unternehmen verscherbelt um ein schönes Leben zu führen?
Das ist nicht schwer. Das Erbrecht verfügt über ein ausreichendes Instrumentarium, den Bestand des Unternehmens auch gegen den Willen des Abkömmlings zu sichern, zum Beispiel über Stiftungen. Oder Kinder werden schon zu Lebzeiten am Unternehmen beteiligt und den dortigen Regelungen in der Satzung unterworfen, die genau solche Veräußerungen an Familienfremde untersagen. Auch per Testament und Testamentsvollstrecker kann dieses Ziel erreicht werden. Aber auch dann können die Kinder die Erbschaft ausschlagen und ihren Pflichtteil geltend machen, der immerhin noch die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ausmacht.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%