Vorwerk Der Thermomix boomt weiter

Der Thermomix aus dem Hause Vorwerk brachte jüngst mehr Umsatz als der Kobold-Staubsauger. Jetzt sollen die Gewinne aus dem Thermomix-Boom in Firmenübernahmen fließen. Auch für den Thermomix gibt es Pläne.

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Die zehn größten Direktvertriebe der Welt
Rang 10: Nu SkinDer amerikanische Direktvertrieb verkauft Hautpflegeprodukte und Nahrungsergänzungsmittel. 1984 von Blake M. Roney gegründet ging das Unternehmen 1996 an die Börse. Der Umsatz erreichte 2015 rund 2,3 Milliarden Dollar. Quelle: Screenshot
Rang 9: TupperwareDas Unternehmen wurde vom Chemiker Earl Tupper gegründet. 1946 brachte er Kunststoffbehälter mit Verschluss auf den Markt, in denen sich Essen länger frisch hielt. Doch im Einzelhandel waren sie Ladenhüter. Erst mit dem Vertrieb über Verkaufspartys ab 1951 kam der Durchbruch. Alle 1,2 Sekunden beginnt auf der Welt eine Tupperparty. Mehr als drei Millionen freie Vertriebsmitarbeiter - überwiegend Frauen - arbeiten weltweit für Tupperware, das neben Küchenutensilien auch sechs Kosmetikmarken vertreibt. Das börsennotierte Unternehmen mit Sitz in Orlando Florida erwirtschaftete 2015 rund 2,28 Milliarden Dollar. Schwellenländer trugen zwei Drittel zum Umsatz bei. Quelle: PR
Rang 8: NaturaDie Firma wurde 1969 von Luiz Seabra in Brasilien gegründet. Seit 2004 ist der Direktvertrieb börsennotiert. 2015 lag der Umsatz bei 2,4 Milliarden Dollar. Natura zählt heute zu den führenden Kosmetikherstellern Brasiliens. Daneben werden auch Haushaltsprodukte vertrieben. Quelle: Screenshot
Rang 7: PerfectPerfect Resources vertreibt Kosmetika und Hautpflegeprodukte vornehmlich in Asien. Das Unternehmen machte 2015 einen Umsatz von 3,5 Milliarden Dollar. Gegründet wurde der Direktvertrieb von Koo Yuen Kim in Malaysia. Quelle: Screenshot
Rang 6: Mary KayDie Amerikanerin Mary Kay Ash gründete 1963 mit 5000 Dollar Startkapital eine Kosmetikfirma. Inzwischen beschäftigt der Direktvertrieb mehr als drei Millionen selbstständige Vertrieblerinnen in 35 Ländern. Mary Kay erwirtschaftete 2015 einen Umsatz von 3,7 Milliarden Dollar. In Dallas gibt es sogar ein Mary Kay-Museum in Erinnerung an die Gründerin. Quelle: PR
Rang 5: InfinitusDas chinesische Unternehmen verkauft vor allem Produkte der traditionellen chinesischen Medizin. Das Angebot reicht von Soja-Riegeln bis zu Pflanzenessenzen. Der Direktvertrieb wurde 1992 von Lee Man Tat, Chairman der traditionsreichen Lebensmittelherstellers Lee Kum Kee, gegründet. 2015 machte Infinitus einen weltweiten Umsatz von 3,9 Milliarden Dollar. Quelle: Screenshot
Rang 4: VorwerkDas Wuppertaler Familienunternehmen wurde 1883 als Barmer Teppichfabrik gegründet. Kerngeschäft ist heute der Direktvertrieb hochwertiger Produkte. Die Palette umfasst den Staubsauger Kobold, die Küchenmaschine Thermomix, ein neues Heimwerkerset namens Twercs, Kosmetik, Teppiche, Wasserfilter sowie Mittelstandsfinanzierung und Gebäudeservice. Der Umsatz der Gruppe stieg 2015 um 23,9 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro (4,0 Milliarden Dollar). Für Vorwerk arbeiten in mehr als 70 Ländern etwa 625.000 Menschen, darunter rund 612.000 selbstständige Berater. Quelle: Handelsblatt Online

Die Scheiben sind abgedunkelt. Vom öffentlichen Spazierweg, der entlang der Wupper durch das waldige Tal verläuft, soll niemand hineinschauen ins „Allerheiligste“. So nennt Thomas Rodemann, Forschungs- und Technikchef bei Vorwerk, die Thermomix-Laborküche. Permanent wird hier am wichtigsten Produkt des Unternehmens getüftelt. „Der Thermomix 31 war zehn Jahre unverändert“, sagt der 53-Jährige: „So lange wird es bis zur Weiterentwicklung des TM5“ – des aktuellen Modells, das vor zwei Jahren auf den Markt kam – „nicht dauern.“

Die sechs Sparten von Vorwerk

Der Thermomix ist ein acht Kilo schwerer Mix-, Pürier- und Kochapparat, mit dem auch Küchenlaien Mahlzeiten zustande bringen. Und ein gigantischer Erfolg. 2015 wuchs der Thermomix-Umsatz international um 50 Prozent auf mehr als 1,4 Milliarden Euro. Rund 1,35 Millionen der Küchengeräte dürfte Vorwerk in diesem Jahr weltweit verkaufen. Der Thermomix-Umsatz etwa in Deutschland wächst 2016 immer noch um rund 20 Prozent und treibt den Vorwerk-Gesamtumsatz in diesem Jahr voraussichtlich über die Rekordmarke von vier Milliarden Euro hinaus.

2014 setzte Vorwerk mit dem Produkt, für das inzwischen vier Zeitschriften Rezepte veröffentlichen, erstmals mehr um als mit den Kobold-Staubsaugern, die die Wuppertaler seit 1930 im Programm haben und die ihr Image prägten. Fast die Hälfte des Geschäfts aber hängt heute am Thermomix-Boom. Die Gewinne daraus wollen die Vorwerk-Manager in Firmenkäufe investieren – auch um weniger abhängig von ihrem Bestseller zu werden.

In diesen Küchen regiert das Design
Der Küchenhersteller Schüller setzt auf wuchtige Holzschränke aus Alt-Eiche und geradlinige Fronten aus mattem Glas in Indigoblau. Quelle: PR
Küchengeräte und Vorräte verschwinden bei Schüller hinter großen Holz-Türen - die Schränke erinnern damit immer mehr an Wohnwände, als an Küchenregale. Quelle: PR
Diese Küche hat Poggenpohl zusammen mit dem Design-Team von Porsche gebaut. Auftrag: Eine Küche für den Mann. Quelle: PR
Kronleuchter, Glas und gläzende Fronten: SieMatic betont bei diesem Vorführmodell aus dem Showroom in New York auf das Zusammenspiel von verschiedenen Materialien. Quelle: Siematic
Die Amerikaner mögen es klassisch: Weiße Fronten, kleine Griffe und Schränke mit Konturen sind dort noch immer sehr beliebt, sagt SieMatic-Marketingexperte Jörg Overlack. Auch dieses Modell ist Bestandteil des Showrooms in New York. Quelle: Siematic
Auch Deutschlands größter Küchenhersteller Nobilia löst die Trennung zwischen Küche und Wohnzimmer auf: Hier befindet sich der Herd fast direkt neben dem Fernseher. Quelle: PR
Auch Fronten in auffallenden Farben bietet Nobilia an. Quelle: PR

Der aber wird gleichzeitig verbessert. Früher seien beim Thermomix und anderen Produkten hauptsächlich die Motoren, die Elektronik und die Produktionsprozesse weiter entwickelt worden, sagt Rainer Genes, der vor einem Jahr von Daimler zu Vorwerk kam und im Gremium der drei Persönlich Haftenden Gesellschafter Technik und Strategie voranbringen soll. Den Thermomix der Zukunft werde Vorwerk nun vor allem um Servicefunktionen ergänzen, sagt Genes.

Seit Kurzem ist etwa der Cook-Key erhältlich, mit dem per WLAN Rezepte direkt auf das Display des TM5 gesendet werden. Ähnliche Innovationen gibt es auch bei den Staubsaugern. So lässt sich der Kobold Saugroboter VR200 demnächst per App bequem vom Handy aus steuern. Änderungen am Design findet Forschungschef Rodemann dagegen überflüssig. Farbvarianten würden den Vertrieb unnötig verkomplizieren, sagt er: „Wir machen keine Gimmicks.“

Aber neue Produkte. So soll der Akku-Bastelwerkzeug-Linie Twercs 2017 eine weitere intern entwickelte Produktinnovation folgen. Vor allem aber soll Vorwerk durch Zukäufe wachsen. Schätzungsweise eine Milliarde Euro liquide Mittel kann das Unternehmen investieren. Reiner Strecker, der am längsten amtierende Persönlich Haftende Gesellschafter, grenzt die Akquiseziele großzügig ein: Sie müssten „zum Umfeld Haushalt und Wohnen passen“. Neu vor allem: Die Direktvertriebsspezialisten interessieren sich laut Strecker bei der Akquise nun auch für Unternehmen, die ihre Produkte im Einzelhandel feilbieten.

Abschied vom Hausbesuch

Für Vorwerk ist das ein Paradigmenwechsel. Staubsauger, Thermomix und Twercs vertreibt das Unternehmen bisher ausschließlich über eigene Vertreter und seit einigen Jahren über eine eigene Ladenkette. Allein in Deutschland verkaufen 16.000 sogenannte Thermomix-Repräsentanten die 1200 Euro teure Küchenmaschine bei Wohnzimmerpartys, 2600 Vertreter sind für die Hand- und Roboterstaubsauger unterwegs. Der Vorteil für Vorwerk: Das Unternehmen muss seine Gewinne bisher nicht mit Groß- und Einzelhandelskonzernen teilen.

Als Übernahmeziele sieht Strecker aber auch andere Familienbetriebe, deren Eigentümer an einen Verkauf denken – „etwa weil sie Nachfolgeprobleme haben“.

Vorwerk selbst hat das geregelt. Das Unternehmen gehört der Gründerfamilie um den Ehren-Beiratsvorsitzenden Jörg Mittelsten Scheid. Ein starker familieneigener Nachfolger für den 80-Jährigen, der lange das Unternehmen kontrollierte, ist nicht in Sicht. In dem Aufsichtsgremium sitzen zwar Mitglieder der Familie, doch geführt wird es seit 2013 von einem Familienfremden: Rainer Baule, ehemaliger Vorstandschef der Fresenius Kabi AG. Der Ex-Daimler-Manager Genes wurde bereits seit 2007 als Mitglied des Beirats an Vorwerk herangeführt.

Die externen Manager müssen das rasante Wachstum bewältigen. Nach dem Ausbau der Motorenproduktion und der Erweiterung der Thermomix-Produktion in Wuppertal und Frankreich investieren sie „weitere 100 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren“ in die Produktionsstätten und in ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum in Wuppertal-Laaken. Durch Aus- und Neubauten wachse der Standort „um ein Drittel“, sagt Manager Genes. Forschungschef Rodemann erweitert allein das zehnköpfige Softwareteam auf „etwa 20 eigene Mitarbeiter und weitere externe Spezialisten“.

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