Weltmarktführer Klein, clever, König

Nicht nur die Vorzeigebranche Maschinenbau bringt es zu globaler Meisterschaft. Übers ganze Land verteilen sich kleine Unternehmen, die es in den unterschiedlichsten Nischen an die Weltspitze geschafft haben – und von denen man einiges lernen kann.

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Gegen den schnellen, weltweiten Service und die Qualität der Mikrofonüberzüge von Archibald Schulze-Cleven konnte sich noch kein internationaler Wettbewerber durchsetzen. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche

Deutschland ist ein glückliches Land. So klein auf dem Globus und trotzdem seit Jahrzehnten einer der gefragtesten Exporteure weltweit und bei den Besten, wenn es um neue Patente geht. Diesen jahrzehntelangen Erfolg verdanken die Deutschen nicht nur börsennotierten Dax-Riesen mit Milliardenumsätzen, sondern auch den vielen mittelständischen Gewerbetreibenden, von denen viele seit Generationen in Familienhand sind.

3,7 Millionen Unternehmen sind das, die 2013 zusammen rund 2,1 Billionen Euro Umsatz erwirtschafteten. Viele sitzen in ländlichen Regionen, vermeintlich ab vom Schuss, und bringen es dennoch zur Weltmarktführerschaft. Das Schwabenland etwa gilt Wirtschaftsförderern im ganzen Land als Vorbild.

Wenig beachtet aber werden die ganz kleinen unter den Weltmarktführern. Dabei behaupten sich manche seit Jahrzehnten mit großem Erfolg in Nischen, bei manchen ist es gar die Nische in der Nische.

Die WirtschaftsWoche stellt Unternehmer vor, von deren Strategien sich nicht nicht nur Kleine noch etwas abschauen können. Zum Beispiel, wie man mit Qualitätsarbeit und schnellem Service weltweit punkten kann: oder sich erfolgreich allen neuen Branchentrends widersetzt, stur bei seinem Leisten bleibt – das aber meisterlich. Manchmal sind es auch nur minimale Veränderungen, die den Durchbruch bringen – man muss nur drauf kommen.

Eine andere kluge Strategie: auch fern der eigenen Branche nach wissenschaftlichen Erkenntnissen suchen, die sich auf das Geschäft übertragen lassen, und zum Alleinstellungsmerkmal gegenüber Wettbewerbern werden. Oft zahlt sich auch der Mut aus, das angestammte Technik-Know-how für die Entwicklung völlig anderer Produkte zu nutzen.

Schulze-Brakel: Der Plopp-Killer

Kaum hatte die russische Bevölkerung Wladimir Putin als Präsident bestätigt, ging es rund im ostwestfälischen Brakel. In mehreren Schichten ließ Archibald Schulze-Cleven arbeiten. Denn statt der vielen Mikrofone an seinem Stehpult wollte Putin nur eines haben und auf diesem sollte Klartext stehen: „President Office“.

„Der Auftrag musste sofort erfüllt werden. Aber die Farbe braucht schon 24 Stunden zum Trocknen, von den anderen Arbeitsschritten ganz zu schweigen“, erinnert sich Unternehmer Schulze-Cleven. Die Zusatzschichten sollten sich bezahlt machen. Wann immer Putin heute im Fernsehen spricht, schützt deutsche Maßarbeit sein Mikrofon. Die Überzüge verschlucken den Wind genauso wie die Plosivlaute „t“ und „p“ – bei Rednern und Rundfunksprechern als Ploppgeräusche gefürchtet.

Für Kunden aus 63 Ländern bedruckt das Unternehmen Schulze-Brakel aus Brakel bei Paderborn ihre Schaumstoffüberzüge mit individuellen Logos: Neben Rundfunkanstalten wie ARD, BBC oder Al Jazeera beliefern die 37 Mitarbeiter auch Parteien, Pressestellen – oder eben die Präsidenten selbst. „Wenn ich im Fernsehen Journalisten mit Mikrofonen sehe, stammen 80 Prozent von uns“, freut sich der 70-jährige Inhaber.

Die Wurzeln des Erfolgs

Die 20 innovativsten Mittelständler
Sear GmbH Quelle: Screenshot
Telegärtner Karl Gärtner GmbHDas Technologieunternehmen ist ein Unternehmensverbund mit Sitz in Steinenbronn. Das 1945 gegründete Unternehmen beschäftigt mehr als 450 Mitarbeiter und ist spezialisiert auf Vor- und Endprodukte für die Tele- und Datenkommunikation. Quelle: Screenshot
Jöst GnbH & Co.KGDie Jöst GmbH & Co. KG ist ein inhabergeführtes Unternehmen, das auf dem Gebiet der Schwingungstechnik tätig ist. Hauptsitz der Gruppe ist seit 1990 Dülmen-Buldern im westlichen Münsterland. Quelle: Screenshot
MAJA-Maschinenfabrik Hermann Schill GmbH & Co. KGDer Firma Maja hat bei der Herstellung von Eismaschinen für die Fleischindustrie und den Handel, das Thema der Hygiene aufgegriffen und verbessert, heißt es in einer Mitteilung von Munich Strategy. Durch Änderungen bei der Maschinenkonstruktion lassen sich alle wasserführenden Teile dadurch ausbauen und täglich oder bei Bedarf auch öfter reinigen. Sitz des Unternehmens ist Kehl-Goldscheuer an der französischen Grenze. Quelle: Screenshot
IBAK Helmut Hunger1945 wurde das Unternehmen aus der Technologiebranche als Ingenieurbüro gegründet. Heute ist es Hersteller und Vertreiber von Kanalisationssystemen mit rund 250 Mitarbeitern an den Standorten Kiel und den Zweigstellen in Krefeld, Georgsmarienhütte/Osnabrück und Illerrieden/Ulm. In diesem Jahr wurde zum 66. Geburtstag des Unternehmens eine neue Kundenhalle in Kiel-Wellingdorf eingeweiht Quelle: Screenshot
Galileo Lebensmittel GmbH & Co. KGDas Unternehmen wurde 1993 gegründet und stellt Tiefkühlkost her. Spezialisiert ist es auf Pizzen, Wraps und Crostinis - kurz gesagt auf Produkte der italienischen Küche. Sitz der Gesellschaft ist Trierweiler. Quelle: Screenshot
TECE GmbHAuf Platz 14 des Rankings liegt die Gesellschaft TECE, die Haustechnik-Lösungen national und international fertigt und vertreibt. Die Wurzeln des Unternehmens reichen zurück bis ins Jahr 1955 und ist inhabergeführt. Sitz der TECE GmbH ist Emsdetten in Nordrhein-Westfalen. Quelle: Screenshot

Wenn Schulze-Cleven im altmodischen Cordsakko über den Aufstieg seines Unternehmens spricht, erzählt er zugleich ein Stück deutscher Nachkriegsgeschichte. 1949 gründete sein Vater einen Betrieb, um Rucksäcke für Militär und Polizei zu nähen. In den Sechzigerjahren erweiterte er auf Ohrpolster für Kopfhörer und Windschutzbezüge. Dann hatte Schulze-Cleven als ältester Sohn die simple, aber durchschlagende Idee: „Rundfunkanstalten hatten ihre Logos immer nur am Sockel des Mikrofonständers. Die sah im Fernsehen kein Mensch. Der Vorschlag, sie direkt auf den Schaumstoffüberzug zu drucken, überzeugte sie.“

Erster Abnehmer war die ARD. Dass deren Journalisten mit ihren neuen Schaumstofflogos auch im Bild blieben, wenn die Kamera näher an den Interviewten heranzoomte, machte neidisch und schaffte einen Nachfrageschub in Brakel. Das war der Trick: „Man braucht in jedem Land einen sichtbaren und großen Vorreiter, dann kommen die Aufträge von selbst“, sagt Schulze-Cleven. Vor allem die weltweit 40 Vertreter kurbeln den Absatz an. In Europa, Russland, Indien und langsam auch in den USA ist die hohe Qualität seiner Überzüge gefragt, mit der er die Mitbewerber auf Abstand halten kann. Der Umsatz lag 2013 bei rund zwei Millionen Euro.

Schulze-Cleven legt das Geschäft nun in fremde Hände: Seine drei Söhne haben ausgeschlagen, nun übernimmt ein Unternehmer aus dem Umland den Betrieb. Mehrere Kaufangebote von größeren Unternehmen hat Schulze-Cleven abgelehnt. „Natürlich könnte ich mir so schnell die Taschen füllen, aber als Familienunternehmer denkt man an Nachhaltigkeit.“

Den neuesten Trend bei Mikroüberzügen hat er schon vor sich liegen: ein eckiges Stück Schaumstoff mit dem Logo der BBC. „Das sind Überzüge für iPhones. Die BBC hat gerade 400 davon bestellt“, sagt Schulze-Cleven.

Und das ist wieder mal erst der weltweite Anfang.

Weil Knochen nicht gleich sind, berücksichtigt Otto Gies für den internationalen Verkauf anthropologische Unterschiede. Das macht die Skelette teurer, aber begehrter. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Arne Weychardt für WirtschaftsWoche

3B Scientific: Knochenjob

Auf den ersten Blick erinnern die Modelle von 3B Scientific an Gunther von Hagens’ Körperwelten-Ausstellung. Im roten Fleisch der gehäuteten Körper zeichnen sich Gelenkbänder und Muskeln ab. Daneben hängt ein Gerippe, in dessen Totenschädel man in leere Augenhöhlen blickt. Mit der Lust am exhibitionistischen Grusel haben die Skelette von 3B Scientific aber nichts zu schaffen, im Gegenteil: Die anatomisch korrekten Figuren dienen der Wissenschaft und finden sich an so gut wie jeder medizinischen Universität. Die Hamburger sind mit ihren künstlichen Skeletten Weltmarktführer für anatomische Lehrmittel.

Die Wurzeln des Erfolgs liegen im Jahr 1945, als der Kriegsheimkehrer Paul Binhold nach einem Auskommen suchte. Ausgerechnet in dem wohl sinnlosesten Überbleibsel aus dem Krieg, den Pferdegasmasken, fand Binhold den Stoff, um Neues zu schaffen. Zunächst reparierte er mit dem Kunststoff Regenschirmgriffe und Spielzeug. Als er in einem Hamburger Museum den Kopf eines Ausstellungsstücks reparierte, hatte er schließlich die Geschäftsidee: Warum, fragte sich Binhold, kann man nicht gleich ein komplettes Skelett aus Kunststoff herstellen?

Präsenz vor Ort

Diese Unternehmen sind die Patent-Könige Europas
Platz 28: Bosch und Siemens HausgeräteMit 596 Anmeldungen liegt Bosch und Siemens Hausgeräte (BSH) auf dem 28. Platz. Die BSH hat ihren Sitz in München und ist der größte Hausgerätehersteller in Europa. BSH entstand 1967 als Gemeinschaftsunternehmen der Robert Bosch GmbH und der Siemens AG. Quelle: dpa/dpaweb
Platz 25: ABBABB liegt mit 656 Anmeldungen auf dem 25. Platz. Der Industriekonzern und Siemens-Konkurrent entwickelt, fertigt und vertreibt Produkte für die elektrische Ausrüstung und Automatisierung von Gebäuden, Maschinen und Anlagen. Die ABB-Zentrale ist in Zürich. Quelle: REUTERS
Platz 15: BayerDie Bayer AG liegt mit 884 Patentanmeldungen auf dem 15. Platz. Im Bild: Forscher, die Substanzen zur Behandlung schwerer Herz- und Lungenkrankheiten entwickeln. Quelle: dpa
Platz 10: ZTEDer Telekommunikationsausrüster mit Sitz in Shenzhen liegt auf dem zehnten Platz der Patentanmelder in Europa. 1184 Patente haben die Chinese im Jahr 2012 registriert. Seit 1996 expandiert die ZTE Corporation erfolgreich in ausländische Märkte. Auf dem Mobile World Congress in Barcelona wurde das Smartphone ZTE Grand S Lite vorstellt. Quelle: REUTERS
Platz 9: EricssonDie Schweden schaffen es mit 1189 Patentanmeldungen auf Platz neun der Rangliste. Das Kerngeschäft von Ericsson (im Bild Vorstandschef Hans Vestberg) bilden Mobilfunktechnologie, Internet- und Multimediakommunikation und Telekommunikation. Bekannt sind vor allem die Smartphones des Joint Ventures Sony-Ericsson. Gegründet wurde Ericsson bereits 1876 von Lars Magnus Ericsson. Quelle: AP/dpa
Platz 8: MitsubishiMitsubishi liegt mit 1344 Patentanmeldungen auf Platz acht. Der Mitsubishi-Konzern besteht aus mehr als zweihundert verschiedenen Unternehmen, Stiftungen und weiteren Organisationen. In Deutschland hat sich Mitsubishi vor allem als Autobauer einen Namen gemacht. Quelle: REUTERS
Platz 7: QualcommAuf dem siebten Platz landet Qualcomm. 1381 Patentanmeldungen stehen in 2012 für die Kalifornier zu Buche. Qualcomm ist ein Forschungs- und Entwicklungsunternehmen im Mobilfunkbereich und wurde 1985 gegründet. Quelle: REUTERS

In den Fünfzigerjahren lieferte Binhold die ersten anatomisch korrekten Plastik-Skelette an deutsche Universitäten. Die bis dahin übliche Praxis, menschliche Skelette für den Unterricht zu verwenden, war nach dem Zweiten Weltkrieg in Verruf geraten, da niemand mit Sicherheit sagen konnte, woher diese stammten. Mediziner unterstützten Binhold bei der Präzisierung seiner Kunststoffmodelle.

Gut 20 Jahre später exportierte Binhold seine Skelette zu Preisen von 250 bis 1000 Euro auch nach Frankreich und in die USA. Mittlerweile liefert das Unternehmen in 140 Länder, hat weltweit 15 Niederlassungen und erwirtschaftet rund 50 Millionen Euro Umsatz jährlich. „Die Präsenz in den Märkten und das Eingehen auf die Kulturen war entscheidend für die erfolgreiche Internationalisierung“, sagt Otto H. Gies, der heute neben Binholds Tochter Marion Kurland und deren Mann Gesellschafter bei 3B Scientific ist. So fiel der Internationalisierung 1996 der alte Firmenname Paul Binhold Lehrmittelfabrik zum Opfer. „Er war in Ländern wie Japan schwer zu vermitteln“, sagt Gies. Dafür kamen neue Skelett-Varianten hinzu, etwa die asiatische und afrikanische.

600 Mitarbeiter beschäftigt 3B Scientific weltweit, knapp 400 davon in Deutschland. Durch hausgemachte Fehler bei der Umstellung auf ein neues EDV-System stagnierte der Umsatz des Unternehmens in den vergangenen zwei Jahren. Inzwischen freut man sich wieder über den höchsten Auftragsbestand seit zehn Jahren.

„Länder wie Russland oder Brasilien bestellen oft zentral für all ihre Einrichtungen. Da kann es schnell zu Lieferengpässen kommen“, sagt Gies, der gerade genau dagegen ankämpft und die Produktionsmitarbeiter nun in zwei Schichten arbeiten lässt. Auf 20 Prozent schätzt man bei 3B Scientific den Anteil am Weltmarkt. Krankenhäuser, Universitäten und Orthopädie-Praxen in den USA, Japan und Russland seien schon weitgehend abgedeckt. Wachstumsmöglichkeiten sieht Gies vor allem in Brasilien und Thailand.

Auch wenn das Kerngeschäft immer noch Knochengerüste sind, sichert sich das Unternehmen mit zusätzlichen Standbeinen ab, die mit Skeletten nichts zu tun haben: Neue 3B-Scientific-Geräte messen zum Beispiel die Qualität von Wasser.

Asiatische Konkurrenten üben seit Jahren, doch keiner hat die botanische Expertise der Gründer-Urenkelin Anja Hark-Bormann und ihrer Mitarbeiter erreicht. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Scott Stewart für WirtschaftsWoche

Hark Orchideen: Exotisches Faible

Wenn Anja Hark-Bormann ihr Geschäftsmodell erklärt, holt sie weit aus. Im 17. Jahrhundert beginnt ihre Geschichte über Sammler, die erstmals Orchideen von England nach Mitteleuropa brachten. Weil alle Versuche, die schöne Blume künstlich zu vermehren, fehlschlugen, haftete ihr ein Ruf als Exotin zu unerschwinglichen Preisen an. „Bis zu 1000 Mark hat man in den Siebzigerjahren für Orchideen bezahlt“, sagt Hark-Bormann, die vierte Generation im Familienbetrieb Hark Orchideen.

Dass die Blüten heute für jedermann erschwinglich sind, ist auch dem Unternehmen aus Lippstadt bei Paderborn zu verdanken. Hark ist einer der Pioniere bei der Massenvermehrung von Orchideen und in dieser Nische heute Weltmarktführer. Grund dafür ist die Passion des Gärtners Fritz Hark für exotische Pflanzen.

Exotik bleibt ein Verkaufsschlager

Deutschlands beste CEOs im Mittelstand 2013
Platz 15.CEO: Ludwin MonzUnternehmen: Carl Zeiss MeditecGesamtwertung (in %): 72Operative performance (in %): 54Aktien-Performance (in %): 90Quelle: Obermatt. In diesem Ranking geht es um Chefs von Unternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als zwei Milliarden Euro. Quelle: Presse
Platz 12.Den 12. Platz teilen sich drei Unternehmer mit identischer Punktzahl in der Gesamtwertung.CEO: Markus FlikUnternehmen: HomagGesamtwertung (in %): 75Operative performance (in %): 62Aktien-Performance (in %): 87Quelle: Obermatt. Quelle: Presse
Platz 12.CEO: Dietmar BichlerUnternehmen: BertrandtGesamtwertung (in %): 75Operative performance (in %): 55Aktien-Performance (in %): 95Quelle: Obermatt. Quelle: Presse
Platz 12.CEO: Klaus WeinmannUnternehmen: CancomGesamtwertung (in %): 75Operative performance (in %): 61Aktien-Performance (in %): 89Quelle: Obermatt. Quelle: Presse
Platz 10.CEO: Adrian von HammersteinUnternehmen: Kabel DeutschlandGesamtwertung (in %): 78Operative performance (in %): 82Aktien-Performance (in %): 74Quelle: Obermatt. Quelle: dapd
Platz 10.CEO: Gerhard WeberUnternehmen: Gerry WeberGesamtwertung (in %): 78Operative performance (in %): 74Aktien-Performance (in %): 82Quelle: Obermatt. Quelle: dpa
Platz 9.CEO: Michael ZahnUnternehmen: Deutsche WohnenGesamtwertung (in %): 79Operative performance (in %): 69Aktien-Performance (in %): 90Quelle: Obermatt. Quelle: Presse

1949 hatte Hark die Familiengärtnerei übernommen. Ein Vortrag über den sterilen Umgang mit Pflanzen brachte die Idee: Hark hielt seine Geräte für die Übertragung der Pflanzenteile auf ein Nährmedium fortan absolut keimfrei. Was als unmöglich gegolten hatte, glückte dadurch: Die idente Vermehrung – sprich: das Klonen – von Orchideen. Der Grundstein für den Erfolg war gelegt. 1,75 Hektar misst das Labor in Lippstadt, das weltweit größte für Orchideenzucht. Zwar versuchen auch Asiaten, Orchideen zu klonen. In diesem Maßstab ist es ihnen aber nicht gelungen. „Pflanzen sind eben keine Schrauben. Man braucht viel Know-how“, sagt Hark-Bormann.

Heute kann Hark aus nur einer Pflanze bis zu drei Millionen Klone reproduzieren. Orchideenzüchter aus der ganzen Welt zählen zum Kundenstamm für die fünf bis zehn Zentimeter großen Setzlinge. 750 Mitarbeiter zählt das Unternehmen heute, 2001 waren es erst 30. Der Jahresumsatz liegt im zweistelligen Millionenbereich.

200 Millionen Orchideen werden in Europa pro Jahr verkauft. Wachstumschancen gibt es aber eher in Nordamerika, wo Hark bereits 30 Prozent des Marktes erobert hat. Das vor Kurzem eröffnete Labor im US-Staat Michigan soll die Produktion weiter steigern. Exotik bleibt ein Verkaufsschlager, auch im 21. Jahrhundert.

Hepro Maschinen: Die Schälspezialisten

Die Chinesen machten es Siegfried Hennemeier und Christoph Protte besonders schwer. Gleich sechs Spargelschäler hatte ein Unternehmen, das Spargel im Glas verkauft, gegen ihre Schälmaschine in Stellung gebracht, um die Effizienz der Technik zu testen. Eine Stunde lang schälten die sechs Chinesen Spargelstangen, zugleich jagte das Hydrauliksystem Spargel durch die Rasiermesser in der Maschine. Am Ende spuckte die Schälmaschine der Deutschen 5000 Stück geschälten Spargels aus. Die Handschäler hatten trotz maximaler Anstrengung nicht mal die Hälfte geschafft.

20 Jahre hat es gedauert, bis sich die Westfalen Hennemeier und Protte mit ihrer Spargelschälmaschine am Weltmarkt durchsetzen konnten. Hepro – ein Kürzel aus den Anfangsbuchstaben ihrer Namen – heißt ihr Unternehmen mit Sitz in Rheda-Wiedenbrück. Bis zu 10.000 Stück weißen Spargels schält ihre neueste Erfindung pro Stunde. Ohne die enorme Effizienz wäre die Maschine etwa gegen peruanische und chinesische Billiglöhner nicht konkurrenzfähig. Dass die Deutschen es überhaupt auf Märkte wie diese geschafft haben, verdanken sie maßgeblich der permanenten Optimierung ihres Produkts – und dem unbedingten Servicegedanken.

„Kein Peruaner kauft sich eine Spargelschälmaschine aus Prestige. Dort geht es ausschließlich um Zahlen. Wenn du nicht deutlich mehr schaffst als die Spargelschäler, ist das Produkt nicht von Interesse“, sagt Protte. 25 Mitarbeiter beschäftigen die Inhaber. Mehr als 100 Schälmaschinen verkauft Hepro im Jahr. Die leistungsstärkste schlägt mit 120 000 Euro zu Buche. Der Umsatz liegt bei rund acht Millionen Euro pro Jahr – bei einer zweistelligen Rendite.

Prototyp aus Autoteilen

Welche Unternehmen in Europa am meisten forschen
Platz 10 - EADS - 3,63 Milliarden Euro Forschungsausgaben im Jahr 2012Der europäische Rüstungsriese soll bald den Namen seiner zivilen Luftfahrttochter Airbus annehmen. In Sachen Forschung und Entwicklung ist das Unternehmen vorne mit dabei. Die treibstoffsparende Airbus A350 XWB Ende 2014 auf den Markt kommen und zum Verkaufsschlager werden.Quelle: EU-Kommission Quelle: dpa
Platz 9 - Ericsson - 3,86 Milliarden Euro ForschungsausgabenDie Handyproduktion liegt mittlerweile komplett in der Hand von Sony, doch als Netzwerkausrüster ist der schwedische Konzern noch aktiv. Ericsson-Chef Hans Vestberg investiert dafür massiv in die Zukunft. Quelle: dpa
Platz 8 - BMW - 3,95 Milliarden Euro ForschungsausgabenDer deutsche Premiumautohersteller hat massiv in die Entwicklung des Elektroautos i3 investiert und will die Submarke um weitere Modelle erweitern. Die Forschungsausgaben sind damit europaweit in der Spitzengruppe. Quelle: REUTERS
Platz 7 - Nokia - 4,17 Milliarden Euro ForschungsausgabenDen Trend zum Smartphone haben die Finnen verschlafen. Mit massiven Investitionen in der Entwicklungsabteilung will Nokia-Chef Stephen Elop die Nutzer zurückgewinnen. Quelle: REUTERS
Platz 6 - GlaxoSmithKline - 4,23 Milliarden Euro ForschungsausgabenIn der Londoner Zentrale des Pharmariesen, zu dem auch Corega und Odol gehört wird kräftig geforscht. Nur ein Pharmakonzern in Europa gibt mehr Geld für die Entwicklung aus. Quelle: REUTERS
Platz 5 - Siemens - 4,57 Milliarden Euro ForschungsausgabenDer neue Chef Joe Kaeser will den Industrieriesen aus München wieder zurück auf die Erfolgsspur führen - und verfügt dafür über einen der größten Forschungsetats Europas. Quelle: dpa
Platz 4 - Sanofi - 4,91 Milliarden Euro ForschungsausgabenDer forschungsstärkste Pharmakonzern Europas kommt aus Frankreich und ist seinen Beinamen Aventis mittlerweile wieder los. Weltweit beschäftigt das Unternehmen über 100.000 Mitarbeiter. Quelle: dpa

Entstanden ist die Geschäftsidee Anfang der Neunzigerjahre mit der Frage eines befreundeten Spargelbauers: „Er wollte wissen, ob man Spargel theoretisch auch maschinell schälen könnte“, erzählt Protte. Die Frage nistete sich ein im Hinterkopf des Maschinenbautechnikers, der bei einer Holzfirma arbeitete. Als er im Lagerraum zu tun hatte, wusste er die Antwort: „Ich sah den Schaumgummi und dachte, mit dem könnte man den Spargel optimal innerhalb einer Maschine transportieren.“

Zusammen mit seinem Kollegen Hennemeier setzte Protte die Idee um: Aus alten Autoteilen bastelten sie parallel zum Job den ersten Prototyp. Als sie die Maschine 1994 auf der Spargelmesse im niedersächsischen Leese vorstellten, war die Resonanz groß: Auf Anhieb verkauften die Freizeitbastler fünf Maschinen.

Die Freude hielt nicht lange an. „Die Maschinen hatten noch Kinderkrankheiten und mussten ständig gewartet werden“, sagt Hennemeier. Die Tüftler nahmen sich Urlaub, um die Klingen in den verkauften Maschinen zu ersetzen. Protte: „Der Servicegedanke prägt uns bis heute.“

1995 starten die Tüftler Phase zwei: die Selbstständigkeit. Der internationale Durchbruch folgte im Jahr 2000 mit den Anfragen aus China und Peru, den größten Märkten für weißen Spargel. Den Servicegedanken nahmen sie mit für den Weltmarkt: Damit die Maschinen auch am anderen Ende der Welt regelmäßig gewartet werden können, bildet Hepro Mitarbeiter der Käufer-Firmen in Rheda-Wiedenbrück aus und zahlt ihnen Unterbringung und Ausbildung. Das rechne sich, so Protte: „Wenn die Maschine nicht 24 Stunden läuft, verlierst du den Kunden.“

Auf die Anfragen aus China reagieren die Ostwestfalen mittlerweile vorsichtig. Die Angst, dass ihnen das Know-how geklaut werden könnte, ist trotz Patent groß. Die Peruaner bestellen unterdessen laufend neue Maschinen. Die anstrengende Startphase hat sich gelohnt, so Protte: „Man musste mit denen unglaublich viel essen und trinken, um ins Geschäft zu kommen.“

Keiner schlägt Geschäftsführer Walter Wehr bei der Modellvielfalt und Detailtreue seiner Miniaturautos und -lastwagen. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Christian Grund für WirtschaftsWoche

Herpa Miniaturmodelle: Trabant im Taschenformat

Dietenhofen bei Nürnberg ist der wohl letzte Ort der Bundesrepublik, an dem der Trabi noch vom Band rollt. Gleich neben dem Trabant parkt eine schwarze 5er-Limousine von BMW, und wer will, kann beide für wenig Geld gleich mitnehmen. Führerschein braucht man dafür keinen: Die Autos passen bequem in die Jackentasche. Im Maßstab 1:87 fertigt das Unternehmen Herpa Miniaturmodelle von Pkws und Lkws, die im Laden zwischen 4 und 60 Euro kosten. „In absoluter Originaltreue und in Zusammenarbeit mit den Herstellern“, wie Geschäftsführer Walter Wehr betont.

Herpa setzt darauf, dass manche Hobbys allen Moden trotzen. Deshalb hat es das Unternehmen aus Dietenhofen mit der Welt im Kleinen auch in der großen weit gebracht. Rund sechs Millionen Modelle werden jährlich gefertigt, ein Großteil davon in Dietenhofen. „40 Prozent der Pkws und 60 Prozent der Flugzeuge gehen in den Export“, sagt Wehr. In den gängigen Maßstäben 1:87 bei Autos und 1:500 bei Flugzeugen ist Herpa damit Weltmarktführer: Kein Unternehmen produziert in diesen Maßen derart viele Modelle. 15 Millionen Euro Jahresumsatz erzielt Herpa mit seinen mehr als 200 Mitarbeitern. Warum das Geschäft mit den Miniaturen so beständig ist? „Wir vermitteln deutsche Wertarbeit“, sagt Wehr.

Erfolgsgeschichten

Die Geschichte von Autoflug

Begonnen hat die Erfolgsgeschichte 1949 mit den Bürsten und Küchenutensilien des Erfinders Wilhelm Hergenröther aus Nürnberg. Er stutzte seine Bürsten zu Bäumchen zurecht und verkaufte sie als Landschaftsversatzstücke an Modelleisenbahnhändler. Als Hergenröthers Betrieb in den Sechzigerjahren von dem Unternehmer Fritz Wagener übernommen wurde, fiel das Küchengeschäft weg. Was blieb, waren die Miniaturen.

Und um diese, speziell im Autobereich, kümmerten sich die anderen Hersteller in den Siebzigerjahren nur stiefmütterlich. Die Modelle waren plump, die Fenster blind, auch Innenleben hatten die Wagen keines. Wagener, dessen Hobby die Modelleisenbahn war, wollte mehr Details in die Miniaturen rund um die kleine Eisenbahn bringen. 1978 präsentiert Herpa die ersten Modelle unter anderem von BMW, Opel und Audi. Der Glanz der großen Marken war damit im Taschenformat zu haben.

Statt die Modelle einfach nachzubauen, ließ sich Wagener von den Autoherstellern die echten Baupläne für die Chassis zeigen. 2009 übernahm Fürst Andreas zu Leiningen das Unternehmen. Herpa gehört noch heute zu den wenigen Herstellern, die die Autokonzerne in ihre Pläne blicken lassen.

Autoflug: Sicher trotz Mine

Wenn ein Panzerfahrer auf eine Mine rollt oder beschossen wird, trennt ihn nicht mehr viel vom Tod – außer ein entkoppeltes Sicherheitssitzsystem von Autoflug aus Rellingen nördlich von Hamburg. Es ist der letzte technische Hebel, um zu vermeiden, dass der Panzerfahrer zu viel der Restenergie einer Stoß- oder Druckwelle direkt auf den Körper bekommt. Das Ganze muss funktionieren, egal, ob der Einschlag von unten, oben oder der Seite kommt – eine technische Herausforderung.

Die Lösung sieht so aus: Die Sitze sind nicht starr mit dem Kampf- oder Schützenpanzer verbunden, sondern an der Außenwand mit extrem reißfesten und sicher zu justierenden Gurten eingehängt, denn die übertragen anders als feste Verbindungen keine Druckkräfte. Das Vertrauen in diese Technik machte Autoflug mit 225 Mitarbeitern, einem Jahresumsatz in achtstelliger Höhe und Aufträgen aus Europa, Amerika und Asien zum Weltmarktführer.

Bereits 2001 stieg Autoflug, schon 1919 von einem Flugpionier als „Ausstatter für Autos und Flugzeugwesen“ gegründet, in dieses Geschäft ein. Ihr Erfolgsrezept seitdem: Sie schaffen anders als Konkurrenten immer wieder den Know-how-Transfer zwischen zwei unterschiedlichen Geschäftsbereichen, beide profitieren vom guten Ruf des anderen. „Wir wussten, dass die Nutzer von Panzerfahrzeugen längst mehr Minenschutz für die Soldaten benötigen“, berichtet der geschäftsführende Gesellschafter Andreas Sedlmayr. „Uns kam zugute, dass wir als Hersteller von Fallschirmen jahrelange Erfahrungen mit der Sicherheitsrelevanz und Leistungsfähigkeit technischer Textilien hatten. Wir konnten dieses Wissen nutzen, weil sie die Energie einer Sprengfalle gegen einen Panzer ebenso absorbieren können wie die beim Öffnungsstoß eines Fallschirms.“

Durchschlagender Erfolg

Trotz sieben Branchenkonkurrenten in Deutschland und rund 20 weltweit investierte Autoflug in die Sitzsysteme – mit durchschlagendem Erfolg. Der ist auf dem schrumpfenden Markt für Panzertechnik alles andere als selbstverständlich.

Unikon: Chip am Bein

Für die Brieftauben war die Prozedur purer Stress. Statt die Vögel nach ihren Wettflügen zu belohnen, zerrten die Züchter sie aus ihren Verschlägen, um an den kleinen Zettel zu gelangen, der ihnen am Bein baumelte. Nur mit ihm war der Nachweis zu erbringen, dass die Taube vom Start bis ins Ziel geflogen war. Die Konstatiermaschine, die den Zettel überprüfte, entschied über Sieg und Niederlage der Taube – und damit über Erfolg oder Misserfolg ihrer Züchter.

Seit den Neunzigerjahren ist das anders: „Unsere Systeme benutzen statt dem Zettel am Fuß der Brieftaube einen elektronischen Taubenring mit einem winzigen Transponder“, sagt Martin Hartwigsen, Bereichsleiter bei Unikon aus dem niedersächsischen Barsinghausen. Ein Computer identifiziert die Taube mittels eines RFID-Chips an ihrem Fußgelenk, sobald das Tier nach dem Wettflug in seinem Verschlag gelandet ist. „Das System funktioniert wie ein Fingerabdruck. Eine Plombe schließt jede Manipulation aus“, sagt Hartwigsen.

Rund zwei Millionen Brieftauben gibt es in Deutschland. Das ursprünglich belgische Hobby ist heute weltweit verbreitet. Unikon erkannte diesen Markt frühzeitig und brachte es mit den nicht manipulierbaren Taubenringen zum Weltmarktführer.

Denn was deutsche Taubenzüchter als Sport betrachten, ist in den USA und China ein florierender Zweig der Wettbranche. Preisgelder von einer Million Euro sind keine Seltenheit bei Taubenwettflügen. Die Ermittlung des Gewinners ist bei solchen Summen keine Lappalie – und liefert die Basis für Unikons Geschäftsmodell.

Wie man darauf kommt, mit Brieftauben den Weltmarkt zu erobern? Ganz einfach, indem man mit Züchtern spricht. Als Spezialist für berührungslose Identifikationssysteme erkannte Anatoli Stobbe, Inhaber von Deister Electronic und deren Tochter Unikon, sofort das Geschäft. Er bastelte Speicherboxen und RFID-Chips und setzte sich damit dank der cleveren Umsetzung rasch durch. Produziert wird in Asien.

Mehr als 40 Prozent Weltmarktanteil verbucht Unikon heute dank der simplen Verarbeitung des komplexen Systems. Der Umsatz liegt im niedrigen Millionenbereich. Gesteuert wird das Tauben-Geschäft von nur 4 der 250 Deister-Mitarbeiter.

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