Weltmarktführertag in Bielefeld "Ihr müsst die Welt retten!"

Internationalisieren, kooperieren, finanzieren: Rund 200 Unternehmer trafen sich zum Weltmarktführertag der Region Ostwestfalen-Lippe der WirtschaftsWoche, um sich über Chancen und Probleme auszutauschen.

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Aus dem Herzen des Mittelstands
Die wirtschaftliche Elite Ostwestfalens in der Stadthalle Bielefeld: Quelle: Dominik Asbach für WirtschaftsWoche
Wolf D. Meier-Scheuven, Präsident der IHK Ostwestfalen Quelle: Dominik Asbach für WirtschaftsWoche
Meier-Scheuven und Ernst Michael Hasse, Präsident IHK Lippe Quelle: Dominik Asbach für WirtschaftsWoche
NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin Quelle: Dominik Asbach für WirtschaftsWoche
In Sachen Technologie und Innovation zählen viele Unternehmen aus OWL zu den Vorreitern. Quelle: Dominik Asbach für WirtschaftsWoche
Hans Beckhoff, Chef von Beckhoff Automation Quelle: Dominik Asbach für WirtschaftsWoche
Arne Henne, Program & Marketing Manager EMEA Facebook Quelle: Dominik Asbach für WirtschaftsWoche

Manchmal kommt das Beste tatsächlich zum Schluss – nämlich wenn der Porsche-Motorsport-Chef Frank-Steffen Walliser wie Stephen King von der Entwicklung und Produktion des Hybrid-Rennwagens Porsche 919 berichtet.

Vor gut 200 Unternehmern der Region Ostwestfalen-Lippe (OWL) berichten am Dienstag (23. Juni) in der Bielefelder Stadthalle insgesamt elf hochkarätige Politiker und Unternehmer, wo sie Chancen sehen und wie sie Probleme lösen.

Garrelt Duin, Wirtschaftsminister des Landes Nordrhein-Westfalen, sang ein Loblied auf die Region OWL und das dort ansässige Spitzencluster „Intelligente technische Systeme“. Das wird für fünf Jahre mit 40 Millionen Euro Bundeszuschuss gefördert, damit Deutschland weltweit seine führende Rolle bei der Fabrik der Zukunft, der so genannten Industrie 4.0, halten und ausbauen kann. Es geht darum, wie Maschinen und Anlagen dank Software untereinander kommunizieren können, ohne von Menschen überwacht und gesteuert werden zu müssen. Oder um es mit Duin zu sagen: „Industrie 4.0 ist, wenn die beteiligten Firmen nicht wissen, ob sie auf der Computermesse Cebit oder der Industrieschau Hannovermesse ausstellen sollen.“

Der Minister schmierte den erfolgreichen Unternehmern der Region gleich noch ein wenig Honig ums Maul: Auf Dienstreisen in China werbe er immer mit OWL. „Bei Miele und Oetker wissen die Chinesen gleich Bescheid“ und legte nach: „Den Unternehmern hier geht es um enkelfähiges Wirtschaften. Um das zu erklären, brauchen andere 100 Seiten.“

Der nächste Redner praktiziert das wie aus dem Lehrbuch. Hans Beckhoff, Chef von Beckhoff Automation, einem Unternehmen mit 580 Millionen Euro Umsatz, übernahm den elterlichen Elektrobetrieb und holte längst die eigenen zwei Kinder ins Boot. Sein Erfolgsgeheimnis nach mehr als 30 Jahren an der Front technologischen Fortschritts: „Die angebotenen Produkte radikal wechseln, alte Linien auch nicht mehr weiterpflegen.“ Und dann: „Mit den neuen Produkten auch gleich internationale Standards setzen.“ Mehr nicht...

Die 30 Besten des deutschen Mittelstands
Produktion bei Ensinger Quelle: Presse
Sennheiser Produktion Quelle: Presse
Screenshot der Adva-Internetseite Quelle: Screenshot
Schiffsschraube Quelle: PR
Das Pfeiffer Vacuum Firmengebäude Quelle: Pfeiffer Vacuum Pressebild
Frank Blase, der Geschäftsführer von igus. Quelle: Presse
Armaturen in der Fertigung von Hansgrohe Quelle: REUTERS

Das Ganze werde von ihm aber nicht aus Eigennutz betrieben, so Beckhoff: „Ich sage meinen Ingenieuren: Ihr müsst die Welt retten! Nur eine steigende Produktivität kann bei einer steigende Bevölkerung das Auskommen mit den vorhandenen Ressourcen sichern.“

Wolfram Thomas, der Konzernbeauftrage für Umwelt und Energie bei Volkswagen, gab ihm Recht. Und musste am Ende seines Vortrags über den schwierigen Weg des VW-Konzerns, weltweit die ökologische Nummer1 unter den Autobauern zu werden, doch enttäuscht festhalten: „Fast alle Kaufinteressenten reden vom Umweltschutz, aber das entscheidende Kriterium ist es doch nur für ein bis zwei Prozent der Käufer“. Und gab noch den wesentlichen Hinweis: „Das Thema Nachhaltigkeit in einem Konzern zu verankern, klappt nur, wenn das Thema direkt beim Vorstand aufgehängt ist und als Fixum bei Zielvereinbarungen im Vertrag steht.“

Eckhard Scholz, der Vorstandschef von VW Nutzfahrzeuge aus Hannover, war von der Präsentation des neuen VW-Bus in Stockholm zum Tag der Weltmarktführer nach Bielefeld geeilt. Erfolg am Markt könne nur haben, wer den Markt permanent beobachte und intensiv die Kundenwünsche analysiere, erläuterte er. „Wir sind Marktführer – mit deutlichem Abstand zum Wettbewerb. Dieser Erfolg ist das Ergebnis unserer tiefgreifenden Kundenorientierung. Kundenorientierung bedeutet nicht, den Kunden mit vermeintlichen Rabatten zu umarmen. Wer wissen will, was sich Kunden wirklich von ihrem Transporter wünschen, der muss eng mit seinen Kunden zusammen arbeiten.“

Der Mittelstand braucht Geld, das weiß Patrick Weiden, Managing Director des Bielefelder Bankhauses Lampe, nur zu gut. Er machte am Beispiel des Familienunternehmens Hella – auch aus der Region – deutlich, wie der Börsengang eines Familienunternehmens gelingen kann, welche Fallstricke lauern und wie schwer es ist, langfristige Investoren wie zum Beispiel Familiy offices zu gewinnen.

Blick nach Berlin und Brüssel

An einen Börsengang scheint Markus Miele, Chef des gleichnamigen Hausgeräte-Herstellers, nicht zu denken. Sein Credo für Qualität und hohen Service scheint sich auszuzahlen: „Wir kommen ohne Fremdmittel aus“. Sagt sich locker und ist doch das schwer erreichbare Fernziel fast aller Unternehmer.

Die Loyalität der Miele-Mitarbeiter wohl auch: „Von unseren 17.600 Mitarbeitern sind 12.500 länger als 25 Jahre im Unternehmen.“ Was für das westfälische Bonmot spricht, dass in OWL eine Probezeit 20 Jahre dauere.

Martin Kannegießer, einst Haudegen bei Tarifverhandlungen und noch immer Inhaber der Herbert Kannegießer GmbH, warnte bei der sich anschließenden Podiumsdiskussion trotz vieler Tugenden im Mittelstand vor zu viel Optimismus: „Der technische Fortschritt kommt immer schneller, ausländische Wettbewerber wie in China entwickeln sich immer besser, die Konkurrenz steigt weltweit und heute sind Zeitfenster für Innovationen und neue Märkte gerade noch drei bis vier Jahre offen.“

Die zehn besten deutschen Mittelständler

Peter Köhler, Chef der Weidmüller-Gruppe, gab ihm später Recht in Sachen technischer Wandel. Köhler muss es wissen: Weidmüller begann vor rund 150 Jahren als Produzent von Druckknöpfen und Reißverschlüssen, heute produziert der Elektronik-Konzern Verbindungen für Datenströme und gilt als Vorreiter beim Thema Industrie 4.0 in OWL.

Köhler warb vor der versammelten Unternehmerschaft für noch mehr Kooperation. Nicht ohne auch auf die politische Bühne nach Berlin und Brüssel zu verweisen: „Wir brauchen eine einheitliche Industriepolitik in Europa und einen neuen industriepolitischen Rahmen.“

Da neigte sich der Tag in der Bielefelder Stadthalle schon dem späten Nachmittag zu, als Frank-Steffen Walliser, Motorsport-Chef bei Porsche, das Podium erklomm und aus brettharten westfälischen Unternehmern eine Hundertschaft von kleinen Jungs mit großen Augen machte.

Das stark überwiegend männliche Publikum hing an seinen Lippen, als er nach einem Video-Beitrag über die harterkämpfte Super-Runde des 919 Hybrid auf dem Nürburgring und des gerade erst gefeierten Gewinns der 24 Stunden von Le Mans, über die Serienproduktion des 918er berichtete. Nach dem Motto: Schlimmer geht’s nimmer – geht’s doch.

Immer wieder brachten weltweite Zulieferer die Produktion des über 770.000 Euro teuren Super-Porsches in ernste Schwierigkeiten, immer wieder kämpften Walliser und seine Kollegen um den Fortgang. Am Ende hat es geklappt und Wallisers Haar lockt sich leicht ergraut. Macht ihm nichts aus: „Vom 918er Hybrid sind alle produzierten Wagen schon verkauft. Jetzt gibt es sie nur noch gebraucht.“ Sagt’s und grinst: „Und die sind teurer“.

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