Wirtschaftskriminalität im Mittelstand Der ständige Kampf gegen Korruption

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Mittelständler müssen besonders aufpassen

Mittelständler, die für öffentliche Auftraggeber arbeiten, müssen besonders aufpassen und genau darauf achten, was erlaubt ist und was nicht. Die Liste möglicher Verfehlungen ist lang. Sie reicht von Verstößen gegen internationale Handelsbestimmungen, übergroßen Weihnachtsgeschenken an Einkäufer, Einladungen zu luxuriösen Informationsreisen bis zu unvollständigen Ausschreibungsunterlagen, in denen sich dubiose Zahlungen verstecken.

Dabei gehöre bei Mittelständlern mangelndes Unrechtsbewusstsein zu den Hauptursachen für Verstöße, sagt Expertin Schilling. Gefördert werde die Blauäugigkeit der Mitarbeiter, wenn von oben mit schicken, aber diffusen Begriffen operiert werde. Schilling arbeitete zehn Jahre in internationalen Konzernen als Compliance-Beauftragte und kennt die für viele Mitarbeiter leeren Worthülsen. „Anglizismen wie White-Collar-Crime oder Anti-Fraud-Management helfen nicht weiter“, meint sie und rät ihren Kunden lieber offen von Wirtschaftskriminalität, Korruption, Bestechung und Untreue zu reden.

Risikoanalyse

Gleichzeitig müssen sich die Unternehmen aber einer schonungslosen Risikoanalyse unterziehen. „Jede Firma hat andere Strukturen und andere Gepflogenheiten. Das muss offengelegt werden, um die Schwachstellen zu finden“, sagt Schilling. Eine typische Frage, die sie am Anfang ihrer Recherchen im Unternehmen stellt, lautet darum: „Wer hat einen Schlüssel zur Kasse?“ In Unternehmen, in denen diese Frage nicht aus dem Stegreif beantwortet werden kann, das lehre die Praxis, seien auch Verantwortung und Zuständigkeiten für andere Bereiche nicht eindeutig geregelt.

Schilling rät Mittelständlern, unbedingt die Rechtsabteilung in den Aufbau eines Compliance-Systems einzubeziehen und einen der dortigen Mitarbeiter zum Ansprechpartner für die Belegschaft zu bestimmen. „Bei Mittelständlern hat es sich bewährt, ein Mitglied der Rechtsabteilung zum Compliance-Beauftragten zu ernennen“, weiß Schilling.

Subunternehmer und Lieferanten

Robert Altvater, Partner der Unternehmensberatung Corporate Trust in München, machte die Erfahrung, dass Mittelständler vor allem die Risiken von internationalen Lieferketten unterschätzen. „Die jüngsten Skandale in der Textilbranche haben gezeigt, dass es in globalisierten Märkten besonders wichtig ist, sich nicht nur selbst gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität zu wappnen, sondern auch darauf zu bestehen, dass Subunternehmer und Lieferanten das tun“, sagt der Compliance-Fachmann. Wer sich darum nicht kümmere, riskiere schnell eine Beschädigung der eigenen Marke. Modemarken wie H&M, Kik oder C&A haben diese Erfahrung nach den beiden Katastrophen in Textilfabriken in Bangladesch gerade gemacht.

Gerade für mittelständische Zulieferer kann der Aufbau einer Compliance-Kultur sogar geschäftsfördernd wirken. „Heutzutage ist der Nachweis funktionierender Antikorruptionsstrukturen ein Wettbewerbsvorteil“, sagt Berater Altvater. Bei einigen Unternehmen sei der Nachweis eines Compliance-Systems sogar schon die Voraussetzung, überhaupt ins Geschäft zu kommen. So müssen alle Projektgesellschaften, die für die Deutsche Bahn etwa neue Strecken bauen oder komplexe Aufträge erledigen, nachweisen, dass sie Compliance-Regeln haben und diese auch durchsetzen.

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