Multiline Der Einkleider der Nation

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Jasmin Arab Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche

Das Gegenstück zu Arab ist seine Frau Jasmin. Die 43-jährige Porsche-Carrera-Fahrerin und Mutter zweier Söhne versteht sich als das Auge von Multiline. Sie ist die Chefdesignerin und entwirft die Kollektionen, die anschließend als Eigenmarken bei Strauss, Kaufhof oder P&C ausliegen.

Dass die Klamotten bei Multiline einen ganz anderen Namen tragen als in den Regalen des Handels, wissen nur wenige Eingeweihte. Eine von ihnen ist Miriam Vieten, Prokuristin und Bereichsleiterin Textil bei Multiline. „Da ist unser Bert und da ist der Ernie“, sagt die Managerin beim Gang durch den Kaufhof an der Düsseldorfer Königsallee. „Ja, und das hier sind Max und Moritz“, ergänzt Chefdesignerin Arab. „Aber wo ist die Mia?“

Die beiden Multiline-Frauen sind in ihrem Element. Alle paar Meter entdecken sie auf einem Ständer oder in einem Regal des Kaufhofs irgendeinen Fummel, den sie vor ein paar Monaten entworfen haben. Ob die petrolblauen Miss-H-Shirts, die orangefarbenen Mark-Adams-New-York-Tops oder die pinkfarbenen Manguun-Polo-Hemden, wenn Kaufhof- und Multiline-Mitarbeiter über Design, Lieferungen, Termine und Stückzahlen verhandeln, bedienen sie sich häufig der internen Kosenamen.

Grenzen der Expansion

Nach vielen Jahren des Wachstums stößt Arabs Klamottenreich unübersehbar an Grenzen. Die insgesamt 80 Mitarbeiter im Einkauf, Vertrieb und Design in Düsseldorf reichen nicht mehr aus, um die anschwellenden Orders zu bewältigen. Darum sollen in den kommenden Monaten „die Strukturen angepasst werden“, sagt Arab. Für ihn heißt das, ein Dutzend neuer Top-Positionen zu besetzen, vom Chef für das Büro in Hongkong bis hin zu Führungspositionen für IT, Logistik und Personal.

Arabs größte Herausforderung ist ein Industriepark in Bangladesch, eine Textilfabrik für 10 000 Mitarbeiter. Das Megaprojekt soll Multiline in eine neue Größenordnung befördern. Arab kramt eine Skizze des Komplexes nördlich von Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, hervor. „Unit 36“, wie Arab seine 36. Fabrik nennt, wird eine kleine Stadt mit Schlafmöglichkeiten für die Arbeiter, Fitnessangeboten, einer Berufsschule und einem Krankenhaus. Jede der zwölf Fabrikhallen sei so groß wie zwei Fußballfelder, das Abwasser werde wiedergewonnen und Strom per Solaranlage produziert, schwärmt Arab. Die Produktionskapazität des neuen Standorts soll einmal bei 500 000 Textilien pro Tag liegen – so viel, wie heute alle Arab-Fabriken zusammen ausspucken.

Eigentlich sollte „Unit 36“ längst produzieren. Geplant war die Fertigstellung Ende 2009. Doch es gab unter anderem Probleme bei der Landbeschaffung. Das Fabrikgelände gehört mehr als 80 Personen. Entsprechend aufwendig gestaltete sich dessen Kauf. Nun soll es spätestens Anfang 2012 losgehen. Insgesamt wird Arab rund 140 Millionen Euro investieren.

Arab preist sein neues Projekt in den höchsten Tönen, weil er und seine Branche unter scharfer Beobachtung von Menschenrechtsgruppen stehen. Die prangern unwürdige Arbeitsbedingungen und Kinderausbeutung bei Textillieferanten der Handelskonzerne an. Deshalb wird Arab nicht müde zu betonen, dass er sich für faire Arbeitsbedingungen in seinen Fabriken ins Zeug lege. Manchen Einkäufern der Handelsketten seien Missstände völlig egal, wettert er über solche Geschäftspartner. Sie nähmen in Kauf, das Image ihres Arbeitgebers zu ruinieren: „Die Hauptsache ist, dass die eigene Rechnung zunächst einmal stimmt. Diese Leute sind Esel.“ Unter schlechten Bedingungen hergestellte Ware sei „wie geklaute Ware“, die „dürfte der Handel gar nicht verkaufen“.

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