Murdoch-Imperium Wahnsinn mit Methode

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James Murdoch, gives evidence Quelle: dapd

Früher hat McMullan für die News of the World gearbeitet. Bei dem Treffen im Dezember gestand er Hugh Grant, dass er abgehört wurde. Grant besuchte den Mann einige Monate später in seinem Pub, befragte ihn ausführlich zu den Abhörpraktiken des Boulevardblatts. Heimlich zeichnete er alles auf und veröffentlichte die Geschichte. McMullan ist jetzt sowohl Abhörtäter als auch Abhöropfer. Aber das macht ihm nichts aus. Hauptsache, das Geld stimmt.

Nun ist er bekannt als Enthüllungsreporter der News of the World . Einer der ganz wenigen, die mit ihrem Namen und Gesicht zu ihrer Vergangenheit stehen und den politischen Einfluss Rupert Murdochs seit einer Weile kritisieren. Ein anderer Enthüllungsreporter, Sean Hoare, wurde am Montag tot aufgefunden. Nach bisherigen Erkenntnissen spricht angeblich nichts für einen gewaltsamen Tod.

McMullan trägt einen Kapuzenpulli und eine Cargohose, er ist ein schmaler Typ mit graubraunen Haaren, der älter wirkt als seine 44 Jahre. Er greift nach der Zeitung, die auf dem Bett liegt und tippt auf die Fotos der Titelseite: „Sie habe ich gestürzt“, er zeigt auf Rebekah Brooks. „Ihn habe ich gestürzt“, er zeigt auf Andy Coulson. „Und auf ihn warte ich noch“, David Cameron.

Britisches Watergate

Es ist ein britisches Watergate, das die Nation erschüttert. In diesen Tagen beginnt jeder Morgen mit der Frage: Wer fällt als Nächstes? Und kann sich Premierminister Cameron halten, nun, da sich herausgestellt hat, dass er sich mit Kriminellen umgeben hat?

All jene Politiker, die jahrelang aus Angst vor Murdoch schwiegen, melden sich nun mit großer Empörung zu Wort. Sie fordern die Zerschlagung seines Medien-Imperiums, eine strengere Regulierung der Presse, parlamentarische und polizeiliche Untersuchungen in dem korrupten Netzwerk aus Medien, Politik und Polizei, das Großbritannien seit Jahrzehnten beherrschte. Wie groß, wie verfilzt ist es? Hat Cameron davon profitiert?

„Ich bin dafür verantwortlich“, brüstet sich McMullan, „dass das jetzt alles herauskommt.“ Das ist stark übertrieben. Haupt-Aufklärer der Affäre war die liberale Tageszeitung The Guardian . Seit zwei Jahren enthüllt sie immer neue, unglaubliche Details: dass die News of the World fast 4000 Politiker, Schauspieler und Sportler abgehört hat; dass sie Schweigegeld in Millionenhöhe an Kläger gezahlt hat; dass der Guardian für seine Recherchen von jenem Polizeivize gerügt wurde, der inzwischen zurückgetreten ist.

Schweigen gebrochen

Dennoch ist wahr, dass Paul McMullan zu dem tiefen Fall seiner früheren Chefs beigetragen hat. Er hat das Schweigen gebrochen und geredet über die Welt der News of the World und ihre kriminellen Methoden. Wenn er über die Zeitung redet, die er vor über zehn Jahren im Streit verlassen hat, dann sagt er immer noch „wir“.

Damals habe seine Chefin Rebekah Brooks von ihm verlangt, ein Jahr lang undercover in einer Sozialwohnung zu leben. McMullan war gerade Vater geworden und protestierte. „Sie sagte: ›Du bist ein News of the World -Journalist, du hast kein Privatleben. Entweder du machst das, oder du bist gefeuert‹“, erzählt er. Er entschied sich zu gehen. Seine Interviews über News of the World, die er jetzt gibt, sind seine Rache an Brooks. „Es ist mein persönliches Watergate“, sagt er. Sein Gesicht ist blass und schmal, die rechte Hälfte ist von dunklen Flecken übersät. Er sieht gerade sehr zufrieden aus.

McMullan hat Wirtschaft studiert. Seine Karriere bei der News of the World begann 1994. McMullan lebte damals in Frankreich und erfuhr, dass der Liebhaber von Prinzessin Diana, ihr Reitlehrer James Hewitt, vor den britischen Medien dorthin geflüchtet war. McMullan wollte ihn finden. Er wusste, wie Hewitt aussah und dass er einen Range Rover fuhr. Er wusste auch, dass Hewitt mit der Fähre von Calais nach England zurückfahren würde. Also fuhr er nach Calais und wartete dort auf Hewitts Range Rover: Irgendwann würde er schon an ihm vorbeifahren. McMullan wartete acht Stunden, zwölf Stunden, anderthalb Tage, zweieinhalb Tage. Als James Hewitt schließlich an ihm vorbeifuhr, war er eingeschlafen.

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