Murdoch-Imperium Wahnsinn mit Methode

Kreuzverhöre, Rücktritte, Verhaftungen: Der Abhörskandal in England zieht weite Kreise. 4.000 Menschen soll Murdochs Blatt "News of the World" bespitzelt haben. Wie das funktionierte, berichtet ein früherer Reporter.

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News of the World editor Colin Quelle: dpa

Manchmal schreibt die Wirklichkeit Geschichten, die sich der Boulevard nicht besser ausdenken könnte. Wie die Geschichte vom Dienstag vergangener Woche. Die Schlagzeile: Murdoch attackiert! Das Thema: Ein alter Medienmogul stellt sich zum ersten Mal den Fragen von Parlamentariern.

Es ist 14.36 Uhr, als sich der Patriarch auf einen grün gepolsterten Stuhl an einem hufeisenförmigen Tisch setzt, um sich zum Abhörskandal seiner inzwischen eingestellten Zeitung News of the World befragen zu lassen. Seine Frau Wendi, in Rosa, schenkt ihm und seinem Sohn James neben ihm Wasser ein. Dann beginnt der Medienausschuss des britischen Unterhauses mit seiner Befragung, die drei Stunden dauern wird. Eine Minute davon wird es auf die internationalen Titelseiten schaffen: jene Minute, in der Rupert Murdoch mit Rasierschaum attackiert wird und Wendi Murdoch auf den Angreifer losgeht.

Mit solchen Geschichten macht man Auflage. Murdoch weiß das. Er würde selbst damit Schlagzeilen machen, wenn es nicht um ihn und seine dubiose Zeitung ginge.

Wegen Erpressung verurteilt

Angeblich weiß er nichts von den 700.000 Pfund Entschädigung, die sein Sohn James an das Abhöropfer Gordon Taylor, einen Fußballfunktionär, überweisen ließ. Angeblich hört er an diesem Tag zum ersten Mal den Namen Neville Thurlbeck, ein ehemaliger News of the World -Reporter, der 2007 wegen Erpressung verurteilt wurde. Angeblich haben ihm Mitarbeiter Informationen zum wahren Ausmaß des Abhörskandals bei der News of the World vorenthalten.

Chefredakteurin zurückgetreten

Die Befragung der Murdochs vor dem Medienausschuss des Parlaments ist der Höhepunkt eines langen Tags von Befragungen. Ein Tag, dessen Zeitplan schon deutlich macht, welche Dimensionen der Skandal mittlerweile angenommen hat: Um zwölf Uhr mittags muss sich zuerst Paul Stephenson einem anderen parlamentarischen Ausschuss stellen. Stephenson war erst am Sonntag als Chef von Scotland Yard zurückgetreten. Der ehemalige stellvertretende Chefredakteur der News of the World , Neil Wallis, war von Scotland Yard als Berater bezahlt worden, Stephenson hatte sich 18 Mal mit ihm zum Essen getroffen und einen unbezahlten Urlaub in einem Spa gemacht, für das Wallis ebenfalls beratend tätig war.

Um Viertel nach eins tritt John Yates, der erst am Montag von seinem Posten als stellvertretender Chef von Scotland Yard zurückgetreten war, vor den Ausschuss, er hatte vor zwei Jahren entschieden, die Ermittlungen gegen die News of the World wegen illegaler Abhörung von Mobiltelefonen nicht weiterzuführen. Am frühen Abend, nach der Anhörung der Murdochs, stellt sich Rebekah Brooks den Fragen der Abgeordneten des Medienkomitees. Auch sie ist zurückgetreten, von ihrem Posten als Geschäftsführerin von News International, der Dachorganisation von Murdochs britischen Publikationen. Zur Zeit der Abhörskandale war sie die Chefredakteurin von News of the World .

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