Musikinstrumente Innovation gegen Konkurrenz aus Fernost

Die traditionsreichen Musikinstrumente-Hersteller im Vogtland kämpfen mit innovativen Produkten und Materialien gegen Konkurrenz aus Fernost.

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Instrumentenbau in Quelle: dpa

Lisa Batiashvili spielt ein edles Instrument: eine Engleman-Stradivari aus dem Jahr 1709. Für die aus Georgien stammende und jetzt in München lebende Soloviolonistin ist sie eine Art Lebewesen. „Sie reagiert aufs Wetter“, sagt der Weltstar; bei Trockenheit klinge das Instrument anders. Das liegt am Holz: Auch nach fast 300 Jahren nimmt es Feuchtigkeit aus der Umwelt auf und gibt sie wieder ab, wenn die Luft trocken genug ist.

Holzinstrumente sind wetterfühlig wie Gichtgeplagte, auch wenn der Instrumentenbauer gut abgelagertes Material verwendet hat. Die Alternative heißt „Thermoholz“ – und kommt aus Sachsen. Das Material nimmt kaum Wasser auf und basiert auf preiswerten einheimischen Holzarten wie Ahorn oder Buche. Das Holz wird bei Temperaturen von 200 Grad Celsius stunden-, manchmal tagelang behandelt. „Danach quillt das Holz nicht mehr auf und schwindet nicht mehr“, sagt André Wagenführ, Professor und geschäftsführender Direktor des Instituts für Holz- und Papiertechnik der Technischen Universität Dresden.

Sein Institut ist Mitglied der InnoRegio-Initiative Musicon Valley, mit der das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Vogtland südöstlich von Plauen, bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Weltzentrum des Instrumentenbaus, zu neuer Blüte führen will. Forscher wie Wagenführ sollen helfen, neue Technologien einzuführen, die die Qualität von Oboen, Geigen und Trompeten verbessern – und die Produktionskosten senken, um gegen Billigware aus Fernost anzukommen.

Die Voraussetzungen sind gut: Die sächsischen Instrumentenhersteller beschäftigen rund 1100 Mitarbeiter und schafften 2006 einen Umsatz von knapp 100 Millionen Euro. 2003 waren es erst 61,5 Millionen Euro. Den größten Anteil daran haben die 108 Instrumentenbauer im Vogtland, die traditionell vor allem in den Städtchen Klingenthal und Markneukirchen beheimatet sind. In Klingenthal sitzt etwa Harmona, die älteste Akkordeonmanufaktur der Welt. Zu DDR-Zeiten hatte das Unternehmen 2000 Mitarbeiter, heute sind es noch 70.

In Markneukirchen zeugen zahlreiche Villen aus dem 19. Jahrhundert vom einstigen Reichtum der Instrumentenbauer und -händler. Die USA unterhielten hier von 1880 bis 1918 gar ein eigenes Konsulat für die Abwicklung des amerikanisch-vogtländischen Musikinstrumentenhandels. Heute tüfteln Unternehmer wie Veit Schindler an neuen Produkten. Der Geschäftsführer des Holzblasinstrumente-Herstellers Gebrüder Mönnig & Oscar Adler hat die Thermoholzidee aufgegriffen und zu Testzwecken erste Oboen aus dem neuen Material gefertigt. Thermoholz-Oboen sind rund 1000 Euro billiger als herkömmliche Konzert-Oboen aus edlem Grenadill-Holz – und müssen nach dem Gebrauch nicht so gründlich von Feuchtigkeit befreit werden. Ob damit das große Geschäft lockt, weiß Schindler freilich noch nicht; die Beurteilung durch diverse Berufsmusiker sei noch nicht abgeschlossen. „Musiker sind konservative Menschen – aber es gibt zum Glück auch viele Neugierige.“ Und Schindler hat ja noch andere innovative Produkte im Portfolio: Jüngst hat der Betrieb mit einer neu entwickelten Bassklarinette den Musikinstrumentenpreis des Bundeswirtschaftsministeriums gewonnen.

Dem Experimentieren mit neuen Techniken hat sich auch das Unternehmen Kreul & Stoll verschrieben. Inhaber Björn Stoll lässt probehalber Decken und Böden von Violinen von computergesteuerten Werkzeugmaschinen fräsen. Eine weitere Innovation, mit der Sachsens Musikbranche experimentiert, ist Arboform, auch „flüssiges Holz“ genannt. Entwickelt am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie in Pfinztal bei Karlsruhe könnte es den Instrumentenbau revolutionieren. Ausgangsmaterial ist ein Granulat aus Holzpulver, Naturfasern und dem Bindemittel Lignin. Erhitzt lässt es sich wie Kunststoff in Form pressen. Eine feine Sache vor allem für Mundharmonikabauer, sollte man meinen. Hölzerne Stimmstöcke, auf denen die Töne erzeugenden Metallfolien befestigt sind, sind anfällig gegen Feuchtigkeit. Wer seine Mundharmonika nach dem Spielen nicht trocknen lässt, hat nicht lange Freude daran. Robuste Stimmstöcke aus Kunststoff aber beeinträchtigen den Klang. Arboform vereinigt die Vorzüge beider Materialien. Trotzdem misslangen die ersten Versuche. „Das Material roch nach Lignin“, sagt Alexander Pfriem, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Dresdner Holzexperten Wagenführ. Gemeinsam mit dem Sächsischen Institut für Angewandte Biotechnologie an der Uni Leipzig traktierten die Forscher das Material mit dem Enzym Laccase, das Lignin zerstören kann. „Wenn man den Prozess geschickt steuert, werden nur die Geruchsstoffe geknackt“, hofft Wagenführ. Die Festigkeit bleibe erhalten. Vielleicht schafft die neue Technik ja doch noch den Durchbruch – dank sächsischen Erfindergeistes.

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