Nach dem Beben Tag des Schreckens für deutsche Mitarbeiter

Viele Deutsche haben das Beben in Japan hautnah miterlebt. Bislang sind keine Opfer bekannt – aber die Lage ist unübersichtlich.

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Ein Mann versucht sich unter einem Schreibtisch vor den Trümmern zu schützen. Quelle: handelsblatt.com

Die Gebäude beben immer noch, die Telefonleitungen sind überlastet, auf Tokios Straßen herrscht Chaos. Die Beschreibungen vieler Deutscher ähneln sich, sie alle haben das Erdbeben hautnah miterlebt. Ein Tag des Schreckens für die deutschen Mitarbeiter von Unternehmen und Instituten in Japan und ihre Angehörigen.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes gibt es bislang keine Hinweise auf deutsche Opfer. Erste Schätzungen gehen davon aus, dass in der am schwersten betroffenen Region an der Ostküste der Hauptinsel Honshu auch nur etwa 100 Bundesbürger leben. Allerdings haben viele Unternehmen Schwierigkeiten, mit ihren Mitarbeitern per Telefon zu erreichen. „Wir konnten noch keinen Kontakt zu unseren Leuten vor Ort herstellen“, teilt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) auf Anfrage mit.

Raimund Wördemann, Leiter des Goethe-Instituts in Tokio, hat das Beben direkt miterlebt. „Die Erde bebt noch nach. In der Stadt herrscht Ausnahmezustand, die U-Bahn fahren nicht“, berichtet er per E-Mail einige Stunden, nachdem die Erde zitterte. Verletzte Mitarbeiter habe es nicht gegeben. „Viele werden allerdings im Institut übernachten, da das Gebäude recht erdbebensicher ist“, teilte Wördemann mit. Am Gebäude selbst habe es nur kleinere Schäden gegeben.

Mit dem Schrecken ist auch Holger Finken davon gekommen. Er leitet das Büro des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Tokio. Finken wohnt im zwölften Stock, mitten in Tokio. "Viele Schränke sind umgefallen, Porzellan und Bücher sind herausgefallen“, berichtet er.

Es ist bereits nach Mitternacht. Aber an Schlafen ist für Finken nicht zu denken. Immer wieder gibt es Nachbeben, auch während er mit dem Handelsblatt telefoniert. „Das wird wohl die ganze Nacht so weitergehen", fürchtet Finken. „Wenn die Erde bebt, verkriechen wir uns entweder unter dem Tisch oder stellen uns in einen Türrahmen, das sind die sichersten Plätze“, sagt er. „Trotzdem habe ich die ganze Zeit gedacht: Hoffentlich stürzt das Haus nicht ein. Im zwölften Stock ist die Wahrscheinlichkeit nicht sehr groß, dass man das überlebt. Bisher sind allerdings keine Häuser eingestürzt“, berichtet Finken.

Sorgen macht er sich um drei Stipendiaten des DAAD, die sich mitten in der Hauptregion des Erdbebens befinden. Von ihnen habe er bislang noch keine Nachricht erhalten, sagt Finken. Den weiteren rund 600 Stipendiaten und Professoren, die über den DAAD zurzeit in Japan studieren und arbeiten, gehe es aber gut.

Ähnlich wie Wördemann und Finken erging es dem Vertreter der Saarbrücker Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Japan, Hans-Henning Judek. Er hat das Erdbeben in Yokohama bislang gut überstanden. „Bei uns ist soweit alles okay, in Yokohama sind relativ wenig Schäden zu sehen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Es seien lediglich ein paar Fassaden heruntergekracht. „Panik herrscht nicht, aber es geht schon an die Nieren. Es wackelt hier seit drei Stunden“, sagte Judek, der seit 30 Jahren in Japan lebt.

Von ähnlichen Erfahrungen berichten auch die Mitarbeiter des Autozulieferers Mahle und Mann+Hummel. Die Erde habe gewackelt, Kaffeemaschinen und Gläser seien aus den Regalen gefallen, es gebe keinen Handy-Empfang und Züge würden auch nicht fahren, schilderte eine Sprecherin des Stuttgarter Autozulieferers Mahle die Eindrücke, die ihr Mitarbeiter aus Japan übermittelt hatten. Der Kolbenhersteller hat acht Standorte in Japan und beschäftigt dort insgesamt rund 1700 Mitarbeiter.

Der Ludwigsburger Autozulieferer Mann+Hummel hat seine Mitarbeiter vorsorglich nach Hause geschickt. Die Versorgung mit Essen und Trinken sei geregelt, große Supermärkte hätten teilweise noch geöffnet, sagte eine Sprecherin. Der Filterspezialist hat 40 Beschäftigte vor Ort, die für den Vertrieb und in der Entwicklung eingesetzt werden. Der Standort liegt etwa 350 Kilometer von der besonders stark betroffenen Stadt Sendai entfernt.

Auch Daimler berichtet, dass das Beben für die Beschäftigten glimpflich verlaufen sei. „In Tokio und Kawasaki sind nach bisherigen Erkenntnissen keine Mitarbeiter zu Schaden gekommen“, sagte ein Daimler-Sprecher. „In Kawasaki gibt es nur leichte Gebäudeschäden“, fügte er hinzu. Der Autobauer hat Standorte vor allem in Tokio und Kawasaki. „Wir beobachten die Situation weiterhin aufmerksam und sind in ständigem Kontakt mit Japan.“

Nach ersten Erkenntnissen sind auch keine Mitarbeiter des Chemiekonzerns BASF verletzt worden. Bei einer Anlage fiel jedoch der Strom aus, und die Produktion musste gestoppt werden, sagte eine Sprecherin des Unternehmens in Ludwigshafen.

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