Nachruf Theo Albrecht Aldi-Mitgründer war Deutschlands reichster Knauserer

Er galt als Inbegriff des typischen Deutschen: Sparsam, bescheiden, fleißig. Mit dem Tod von Aldi-Mitgründer Theo Albrecht verliert Deutschland eine seiner großen Unternehmer-Legenden. Ein Nachruf.

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Aldi-Gründer Theo Albrecht Quelle: WirtschaftsWoche

Theo Albrechts Sparsamkeit grenzte schon an Geiz: Bei seinen Überraschungsbesuchen monierte er, wenn das Licht im Büro des Filialleiters oder im Lager brannte, obgleich sich dort niemand aufhielt. Einen Regionalgeschäftsführer warf er vor, Firmenvermögen zu zerstören, weil der eine Büroklammer verbog. Privat nutzte Albrecht Briefpapier mit der alten, vierstelligen Postleitzahl, die er durchstrich und durch die fünfstellige Zahl korrigierte. Er hätte sich neues Briefpapier leisten können, denn Theo Albrecht war mit einem geschätzten Vermögen von 17 Milliarden Euro der zweitreichste Mann Deutschlands – nach seinem Bruder Karl.

Am Samstag ist der Aldi-Mitgründer und Inhaber der Discount-Kette Aldi Nord im Alter von 88 Jahren gestorben. So wie zu seinen Lebzeiten so gut wie nichts nach außen über sein Privatleben und das Unternehmen drang, hielten Familie und Konzern auch beim Tod des Firmenpatriarchen dicht. Erst heute, nach der Beerdigung, wurde bekannt, dass Theo Albrecht verstorben ist. Albrecht war seit längerem gesundheitlich schwer angeschlagen. Seit Jahren kam er, der früher selbst bei Krankheit ins Büro kam, nicht mehr in den Konzernsitz in Essen-Kray. Sogar an den Geschäftsführersitzungen nahm er nicht mehr teil, sondern ließ sich die Unterlagen von seinem Adlatus Hartmuth Wiesemann, 65, zu seinem Essener Wohnsitz bringen. Seit dem vergangenen Sommer litt er an den Folgen eines Sturzes.

Väter des Discount-Gedankens

Wie sein Bruder Karl stand Theo für die Durchsetzung des Discountgedankens in Deutschland. Der Bergmannssohn Theo hatte nach der mittleren Reife im Tante-Emma-Laden der Mutter Einzelhandelskaufmann gelernt, überstand den Krieg als einfacher Wehrmachtssoldat und übernahm mit dem Bruder 1946 den mütterlichen Laden. Mit billigen Grundnahrungsmitteln bauten die beiden  nach und nach eine Kette auf. So lockten sie die Kunden mit einem Produkt in die Läden, dass ihre Läden bis heute gnadenlos billig anbieten: Butter. Doch anstatt teure Kühlanlagen anzuschaffen, ließen sie die leicht verderbliche Ware abends in den kühlen Keller schaffen. Schon um 1960 erzielen  die Albrecht-Brüder mit 300 Läden einen Umsatz von 90 Millionen Mark.

Im Jahr des Mauerbaus, 1961, teilen die Albrecht-Brüder Deutschland in zwei Teile. Südlich der Linie Bocholt-Ruhrgebiet-Sauerland-Nordhessen liegt seitdem das Reich Karls, nördlich davon Theos Imperium. 1962 kreiert Theo die Marke Aldi aus den Wörtern Albrecht und Discount. Die Brüder halten in den Jahren danach konsequent an ihrem Konzept fest: Kleines überschaubares Angebot, tiefe Preise, schneller Durchsatz, Selbstbedienung direkt aus den gelieferten Kisten. Einfachheit bleibt bis heute Trumpf. Aldi war einer der letzten Läden, die Bezahlung mit Karte akzeptierten. Auch vorverpacktes Frischfleisch gibt es bei Aldi erst seit 2003.

Angenehmer Sonderling

ARCHIV - Theo Albrecht winkt Quelle: dpa

Der Erfolg gab dem Brudergespann Recht. Heute beschäftigt das Doppelimperium 40 000 Mitarbeiter, betreibt weltweit 7800 Filialen und setzt schätzungsweise 40 Milliarden Euro um. Allerdings ist  gerade Theos Nordreich in den vergangenen Jahren im Vergleich zu Aldi Süd zurück gefallen. Theo hatte zuletzt das Vorsichtsprinzip, mit dem die Marke groß geworden ist, stark strapaziert. Aldi Süd baute in den vergangenen Jahren vielfach neue Filialen in Freiflächen – meist am Rande von Innenstädten und Wohnquartieren - auf und steht heute für helle, moderne Läden mit einem erweiterten Discount-Angebot. Dagegen wirken Aldi-Nord-Läden mit ihrem leicht schäbigen Ambiente und dem schmalen Angebot auf Besucher aus dem Süden geradezu billig. Theo Albrechts Generalbevollmächtigter Wiesemann, heißt es in Essen, hätte ein innovationsfeindliches Führungssystem installiert und damit eine Modernisierung à la Aldi Süd verhindert.

Theo Albrecht galt als Sonderling, wenn auch angenehm im persönlichen Umgang. Seit seiner Entführung im Jahr 1971, die erst nach Vermittlung des damaligen Essener Bischof Franz Hengsbach und gegen eine Lösegeldzahlung von sieben Millionen Mark beendet wurde, mied Theo Albrecht die Öffentlichkeit. Das aktuellste Foto von den Brüdern stammt aus dem Jahre 1987. Selbst das Geburtsdatum und der genaue Geburtsort des großen Einzelhändlers sind umstritten. Wahrscheinlich ist er im März 1922 in Essen zur Welt gekommen.  Zu den Hobbys des verschwiegenen Patriarchen gehörte das Sammeln von Schreibmaschinen und Modelleisenbahnen. Auch Golf spielte Theo Albrecht gern.

Kein echter Nachfolger in Sicht

Schlimm für die Gruppe: Ein geeigneter Nachfolger wurde bislang nicht aufgebaut. Wiesemann ist im Rentenalter und gilt als Hauptverursacher der Innovationskrise des Unternehmens. Die Söhne Theo junior, 59, und Berthold, 55, haben sich aus dem Tagesgeschäft herausgehalten, obgleich sie im Verwaltungsrat wie auch in der Markusstiftung, die den Großteil des Familienvermögens hält, vertreten sind. Unsicher ist, ob dereinst ein Vertreter der dritten Generation das Lebensmittelreich führt. Theo junior hat ein Kind, Berthold hat fünf Kinder.

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