Neues Qualitätssiegel Deutsche Manufakturen greifen im Ausland an

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Ralph Stübben Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche

Welter und sein kleines Team aus Dekorateuren, Raumgestaltern und Designern haben die Krise gemeistert. Und wie! „2010 war das beste Jahr meiner Firmengeschichte“, jubelt Welter. Und überraschend: Wir haben erstmals mehr Umsatz in Deutschland als im Ausland gemacht. Offenbar sind die Deutschen besser durch die Krise gekommen als andere, vermutet Welter.

Dennoch zieren fast die Hälfte der Welter-Unikate Wände im Ausland. Seine Kundenliste reicht vom Kaufhaus Harrods in London und dem Swisshotel Moskau über das World Trade Center in Dubai bis zum Präsidenten von Usbekistan. Der ließ das Innere des funkelnagelneuen Kongresszentrums in der Hauptstadt Taschkent mit einer Tapete aus Zigtausenden Blättchen aus dem Platinmetall Palladium bekleben. Und auch die Hauptbühne bei der Oscar-Verleihung am 27. Februar im Kodak Theatre in Los Angeles wird Welter mit einer Glamour-Tapete aus seiner Produktion schmücken.

Wie viele solcher Manufakturen es in Deutschland gibt, darüber existieren keine belastbaren Zahlen, sagt Marketingexperte Schröder. „Bei unserer Recherche sind wir auf gut 150 Unternehmen gestoßen, die aus unserer Sicht als Manufaktur im Sinne der Initiative bezeichnet werden könnten.“

Die Produktion muss vollständig oder überwiegend in Handarbeit und am Standort Deutschland erfolgen. Zudem sollte der Betrieb möglichst mehr als zehn Mitarbeiter haben und hohe Ansprüche an die Qualität der Verarbeitung und des Materials. Und noch eines haben die Manufakturen darüber hinaus gemeinsam: Sie plaudern ungern über Umsätze, Gewinne oder andere Finanzkennzahlen. Sie schwärmen lieber von ihren Produkten.

Zugleich haben die Meister der edlen und teuren Handarbeit erkannt, dass so mancher von ihnen bei der Suche nach Kunden professioneller werden muss. So wollen sie sich künftig wie Unternehmen anderer Branchen der Exportnation Deutschland zum Beispiel verbünden, um etwa auf Messen im Ausland gemeinsam aufzutreten. „Es laufen Gespräche mit Auslandshandelskammern, um über Gemeinschaftsauftritte der Initiative im Ausland Aufmerksamkeit zu erzielen“, sagt Initiator Schröder.

Fest im Sattel

Eine Manufaktur, die davon profitier will, ist die Joh’s Stübben KG in Krefeld, die mit Aufwand und Akribie hochwertige Reitsättel herstellt. In den Werkstätten am Niederrhein wird jeder Sattel bis zu 100 Arbeitsschritten unterzogen. Bevor er fertig ist, wird das Leder aufbereitet, abgekantet, gewalkt, bombiert, aufgeputzt, geködert, abgewulstet und überspannt.

Die Sättel sind von höchster Qualität, für sie wird Leder von Rindern der Rasse Simmentaler verwendet, die vor allem im süddeutschen Raum gezüchtet werden. Das Leder zeichnet sich durch hohe Festigkeit und gute Bezugsfähigkeit aus. Ein Standardsattel von Stübben für Erwachsene kostet um die 2500 Euro und Luxussättel ab 5000 Euro aufwärts.

„Früher, in den Sechziger- und Siebzigerjahren, da war Sattel gleich Sattel“, sagt Firmenchef Ralph Stübben, der das Unternehmen mit seinem Bruder Frank leitet. Wenn ein Großhändler damals 500 Sättel bestellt habe, dann war das ein Modell. Heute bestehe die gleiche Order aus mindestens 50 verschiedenen Modellen.

Stübbens Welt sind Sättel. Wenn der 59-Jährige über Kammerweiten, den Sattelbaum und Sitzgrößen doziert, ist er in seinem Element. Dabei ist Stübben noch nicht mal selbst Reiter. Und gelernt hat er etwas ganz anderes: Koch. Doch Stübben ist 1973 ins elterliche Unternehmen eingestiegen – genug Zeit, um sich in die Materie einzuarbeiten.

Das erforderliche Know-how jedenfalls war da. Die Firmengeschichte beginnt in der Samt- und Seidenstadt Krefeld, wo Johannes Stübben 1894 mit der Fertigung von Sätteln und Geschirren begann. Seitdem liegt die Führung des Unternehmens in Familienhand.

Heute beschäftigt Stübben 150 Mitarbeiter. Produziert wird in der Krefelder Nachbarstadt Kempen und in Stans in der Schweiz, der Hauptstadt des Kantons Nidwalden. Stübbens Eltern waren in den Fünfzigerjahren in die Schweiz ausgewandert, und seitdem residiert dort die internationale Zentrale von Stübben, die auch den weltweiten Vertrieb koordiniert.

Hinzu kommen Vertriebsgesellschaften in Spanien, den USA, Italien und Frankreich. Eine kleine Produktionsgesellschaft im Reitsportland Irland musste Stübben Ende 2008 im Zuge der Finanzkrise dichtmachen. Das Unternehmen erlöste im vergangenen Jahr knapp 15 Millionen Euro. Insgesamt habe er das Vorkrisen-Niveau aber noch nicht wieder erreicht, sagt Stübben.

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