Neues Qualitätssiegel Deutsche Manufakturen greifen im Ausland an

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Wolfgang Bock Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

Zwar bietet Stübben heute alles, was irgendwie mit einem Pferd in Berührung kommt: Steigbügelriemen, Sattelgurte, Packtaschen, Decken, Zügel, Sattelseifen, Bandagen, Insektenspray, Eis- und Gelpacks. In den eigenen Werkstätten werden jedoch nur Artikel hergestellt, die aus Leder sind: neben Sätteln auch Gurte, Zügel und Riemen.

Firmenchef Stübben ist zuversichtlich, dass seiner Manufaktur noch ein langes Leben beschieden ist. Eines seiner drei Kinder habe Sattler gelernt, dann Betriebswirtschaft studiert und arbeite nun bei der Werbeagentur Grey in Kanada.

Manufakturen wie Stübbens Sattlerei oder Welters Tapeten-Werkstatt verkörpern die gleichen Tugenden, wie sie vielen deutschen Mittelständlern zugeschrieben werden. Selten steckt viel Fremdkapital im Unternehmen, meistens haben die Inhaber die Zügel in der Hand, viele sind schon lange im Familienbesitz. „Sie garantieren Arbeitsplätze und rennen in Krisenzeiten nicht zum Staat und zur Politik und betteln, helft uns“, spottet Marketingmann Schröder.

Kult am Pult

Ortswechsel. Heidelberg. Hier entsteht hinter den Fassaden eines trist-braunen Zweckbaus in einem Gewerbegebiet das Herz jedes Füllfederhalters: die Feder. Von Edelstahl über Platin und Titan bis zu 14 und 18 Karat Gold, uni oder zweifarbig rhodiniert, schmal oder breit; von fünf Cent für eine einfache Stahlfeder bis 50 Euro für eine Gold- oder Platinfeder: Schreibfedern der Peter Bock AG sind fast so vielfältig wie Handschriften und, wenn es sein muss, so filigran wie ein Haar. Die Schreibspitze der kleinsten Feder ist nur 0,45 Millimeter breit, kleiner als ein Stecknadelkopf.

Das Unternehmen aus Baden-Württemberg zählt zu den wenigen Zulieferfirmen unter den Manufakturen. Die in über zwei Dutzend Einzelschritten gefertigten Federn gehen nicht an Endkunden, sondern an namhafte Markenhersteller, deren Markenlogo in der Regel vorher eingraviert wird. Danach geht die Filigranarbeit fast unter als eine von vielen Komponenten des Gesamtkunstwerks Präzisionsfüllfederhalter.

Auf der Kundenliste von Firmenchef Wolfgang Bock stehen deshalb namhafte Schreibgerätehersteller: Faber Castell, Kaweco oder Waldmann, italienische Edelschmieden wie Visconti oder das britische Traditionsunternehmen Conway Steward. Andere Abnehmer, deren Namen fast jedes Kind kennt, darf Bock nicht nennen. Offenbar möchten diese die Kunden glauben lassen, dass alle Komponenten ihrer Füllfederhalte aus der Eigenproduktion stammen.

Der 58-jährige Firmenchef zählt zu denjenigen seiner Zunft, denen die gemeinsame Marketinginitiative „Handmade in Germany“ besonders gelegen kommen dürfte. Denn in der dritten Generation seit Gründung läuft das Geschäft mit Füllern nicht gerade berauschend. Von den vielen Füller-Fabriken in und um Heidelberg ist nur noch eine übrig geblieben: Lamy. Und von den zahlreichen Zulieferern für die Füller-Industrie aus der goldenen Füllfederhalter-Ära der Vierziger- und Fünfzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts gibt es nur noch Bock, gegründet 1939.

Der Umsatz liegt inzwischen bei vier Millionen Euro. Bock beschäftigt nur noch rund 30 Mitarbeiter, Mitte der Neunzigerjahre waren es noch mehr als doppelt so viele. Die Nachfrage nach Füllern sinkt. Hinzu kam die Wirtschaftskrise, die dem kleinen Unternehmen arg zugesetzte. „Die Kunden haben viel vorsichtiger disponiert. Denn wer legt sich schon Edelmetall auf Lager, wenn die Preise ständig deutlich schwanken.“ Bock musste Leute entlassen und auf Kurzarbeit setzen, mehr als zwei Jahre lang. Das Schlimmste scheint überstanden. „Wir spüren wieder eine leichte Erholung, vor allem bei den hochwertigen Federn“, sagt Bock.

Bei handgemachten Produkten kauft der Kunde nicht nur die Ware, sondern stets auch eine Person oder eine Geschichte. Und eine gute Geschichte kann Wunder bewirken. Bock hat sich der Initiative angeschlossen, damit seine bewegte Firmengeschichte auch einem breiteren Publikum bekannt wird – vielleicht sogar in einem Buch über Manufakturen. Geplant ist es jedenfalls. 

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